The Beatles – Revolver (2022 Mix)

The Beatles - Revolver 2022 Remix (Universal 28.10.22) COVER(35:17 +; Vinyl, CD, Digital; Universal, 28.10.22)
Manche Alben oder Songs leben nicht nur alleine von ihren Texten, Riffs oder Melodien. Gerade Musik aus rein analogen Aufnahme-Zeiten glänzte oftmals durch ihren eigenen charakteristischen Sound – der Einfluss von Studio, Tonband und Co. war damals noch viel stärker als heute. Und der Sound noch nicht so sehr auf eine allgemeingültige Norm getrimmt. Er war also Stilmittel Teil eines Albums. Häufig entsteht durch diesen Signature-Klang eine ganz eigene Atmosphäre oder gar eine Aura, die uns diese Musik auch heute noch als etwas Besonderes empfinden lässt.

Ein (subjektiv gesehen) besonders gutes und vor allem aktuelles Beispiel ist das 1966 erschienene “Revolver” von The Beatles. Bemerkenswert sind die scharfen Höhen auf dem Album. Der klare, kantige und teils harsche Sound ist prägnant und gibt dem in vielerlei Hinsicht besonderen Meilenstein der Musikgeschichte einen zusätzlichen Charakterpunkt.

Nach “Sgt. Peppers Lonely Heart Club Band”, “The Beatles”, “Abbey Road” und “Let it Be” ist nun “Revolver” an der Reihe, sich einem Re-Mix zu unterziehen. Ganz im Sinne von “Bitte einmal runter mit den Klamotten und nackig machen”. Denn beim Remixing, anders als beim bloßen Remastering, wird nicht nur der Gesamt-Mix in Dynamik und Feinabstimmung verändert, sondern es kann jede einzelne Spur, ergo jedes Instrument einzeln verändert werden. Im Stereobild, in seiner Lautstärke und seiner Einbindung und Präsenz im Gesamtmix. Die Gefahr beim Remixing solcher geliebten und prächtig gealterten Meisterwerke ist, dass Sound und Atmosphäre sich verlieren und zerstört werden. Sich daran zu wagen, ist ein ziemlich schwieriges und vor allem mutiges Unterfangen.
Gilles Martin, Sohn des verstorbenen Beatles Produzenten George Martin, geht aber mit dem notwendigen Respekt und dem wohl vererbten Verantwortung ans Werk. Denn wir hörten bei den letzten Projekten schon, dass man sich mit viel Herz um den Grundcharakter der Alben sorgte und ihn bislang nur das hinzufügte oder entfernte, was diesem Grundcharakter zuträglich erschien. Das hat bisher wunderbar funktioniert.

Was hat “Revolver” nun durch diesen Remix dazu gewonnen und was verloren? Ein A/B-Vergleich verrät es uns. Dabei schauen wir uns ausschließlich die Stereo-Version des Albums an und lassen den Mono-Mix mal außen vor.

Ein allgemeines Fazit gleich mal vorweg, da Einige beim Wort “Remixing” bestimmt schon Schnappatmung bekommen haben. Liebe Beatles-Enthusiasten, Hardcore-Fans, Beteiligte, Söhne, Töchter, Neffen und Nichten, Revolver wurde hier weder gedoped, noch böswillig manipuliert, auch nicht gevierteilt oder geschändet. Martins Arbeit am siebten Album der Fab-Four zeigt sich als liebevolle Verneigung. Hätten die Beatles die heutigen Möglichkeiten gehabt, hätten sie das bestimmt genauso machen wollen. Paul McCartney war letztendlich involviert, weshalb man sich da schließlich keine Sorgen machen sollte. Eine leichte Aufhübschung einer alten Dame. Nur dezent geschminkt, nicht aufgeballert wie die Frauen in der Herbertstraße. Aber genug Bildsprache für heute!
Gehen wir nun an die Details.

The Beatles - Revolver 2022 Remix (Universal 28.10.22)
Foto: Martin Kopp

Erste deutliche Veränderung im Mix ist das Stereo-Panorama. Also der Stand der Instrumente auf der imaginären Bühne. Kurz gesagt, wo sitzt was? Linkes Ohr, rechtes Ohr, Mitte, Hintergrund etc. Schon direkt bei George Harrisons Opener ‘Taxman’ hört man hier eine deutliche Veränderung. Man kann von dem extremen Panning halten, was man will, aber für viele wird es eine Wohltat sein, das der Titelsong vom Stereobild deutlich zusammengewachsen ist. Wo im Original die Gitarre noch ausschließlich im linken Ohr fiedelte und rechts einfach zwischenzeitlich nur Stille herrschte, rückte die Band zusammen und die Bühne wirkt viel natürlicher. Zwar wanderte Harrison nun von links nach rechts, aber die Bühne wird viel besser gefüllt. Kein Ping Pong mehr.
Gleiches zeigt sich bei ‘Eleanor Rigby’. Macca darf hier nun endlich in der Mitte der Bühne stehen und singen, statt uns von der Seite anzuträllern. Die Streicher, die sich vorher nur auf einer Seite vergnügten, teilen sich nun im Raum auf. Ein dreidimensionales Bild entsteht. Gleiches gilt für Ringos seltenen Gesangseinsatz bei ‘Yellow Submarine’. Auch er darf in der Mitte glänzen und macht den Gesamteindruck somit homogener, natürlicher.

The Beatles - Revolver 2022 Remix (Universal 28.10.22)Ein weiterer Bonus des Remixings ist die Dynamik der einzelnen Spuren. Für das ganze Album gilt jetzt, dass der Gesang hervorgehoben wurde und im allgemeinen viel präsenter und mehr im Vordergrund steht. Zudem wirken die Stimmen im neuen Mix kräftiger und wärmer. Man kann auch sagen, er gewinnt die Hoheit auf Revolver. Das wird bei ‘Eleanor Rigby’ ganz deutlich. Viel wärmer und klarer wirkt der gute Paul McCartney. Genauso ergeht es auch John Lennon bei ‘I´m Only Sleeping’. Aber auch die Instrumente wurden deutlich klarer im Mix. So sind die zum Einsatz kommenden Bläser dankbar über die Hervorhebung bei ‘For No One’ oder ‘Got To Get You Into My Life’. Aber nicht nur das, sondern auch über ihren feiner werdenden Klang können sich die Bläser sowie die Streicher erfreuen.
Wer sich bestimmt auch noch freuen wird, ist Ringo Starr. Denn seine Drums bekommen ebenfalls mehr Schub und Präsenz. Bei ‘Good Day Sunshine’ und ‘And Your Birds Can Sing’ kann man das deutlich spüren. Beim letztgenannten Song, des Autors Liebling auf dem Album, hat man sich aber wohl nicht getraut, etwas an der Lead-Gitarre zu ändern. Ist wohl auch gut so, denn die ist hier mit ihrem crunchigen, rauen Sound maßgeblich für das Feeling des Titels. Danke dafür! ‘She Said She Said’ profitiert aber ganz im Gegensatz von einer gepushten Lead-Gitarre, was dem Song zudem noch mehr Charakter verleiht.
Man kann auch dankbar dafür sein, dass Martin dem Album mehr Klarheit im Bandgefüge geschenkt hat. So wirkt die Band im Allgemeinen viel besser aufgelöst. Gut hörbar bei ‘For No One’ oder dem nun aufgelösten Soundbrei bei ‘Tomorrow Never Knows’.

Mit dem neuen Remix werden aber auch Bonus-Tracks mitgeliefert. So landet ‘Paperback Writer’ und ‘Rain’ auf der Bonus-Seite von “Revolver”. Mit Verlaub, eine wichtige Entscheidung! Diese zwei Songs erschienen damals nur als Single, obwohl sie eigentlich zum Album gehören. Zudem werden verschiedene Titel in alternativen Takes beigelegt. Für was sind solche alternativen Aufnahme-Takes eigentlich gut? Natürlich um die Aura dieses Albums zu erweitern. Einem noch mehr vom Studiofeeling und weitere Blickwinkel auf den Schaffungsprozess und seinem damaligen Sound der Stunde zugeben. Es ist in der Tat die Zeit wert, diesen Versionen ein Ohr zu schenken. Für Fans natürlich Pflichtprogramm. Letztendlich kann jeder für sich selbst entscheiden, welche Version des Albums, mit welchen Umfang an Bonus-Material er sich zulegt. Für die Fraktion der Audiophilen dürfte der als Bonus beigelegte Dolby Atmos-Mix interessant sein.
The Beatles - Revolver 2022 Remix (Universal 28.10.22)

Unterm Strich kann man sagen, dass das Album “Revolver” durch das nackig machen und neue Mischen profitiert. Es hat nichts von seiner Atmosphäre und seinem Wirken verloren. Ganz im Gegenteil, es hat gewonnen. Lediglich störende Faktoren wurden begradigt oder beseitigt. Schöne, bisher schlecht wahrnehmbare Details überhaupt erst hörbar gemacht. Die zu Beginn des Stereos in den 60ern oft übermotivierte Spielerei an den Reglern des Pannings wurde begradigt und in ein realistisches Bild gebracht. All das ist dem Meisterwerk zuträglich und in keiner Weise aufdringlich oder anbiedernd. Das alte Feeling bleibt erhalten, die schönen Facetten wurden verstärkt.

Und der Fraktion, die behauptet, man wolle hier nur die Verkaufszahlen mit einer Neuveröffentlichung eines alten Albums antreiben, denen sei gesagt … Nein, dem ist nicht so. Denn dieser Remix hat definitiv einen Mehrwert! Man kann sogar so weit gehen und sagen, wer “Revolver” noch nicht besitzt, der greife bitte zum Remix. Es sei denn, er ist Enthusiast und möchte sich lieber eine fast unbezahlbare Mono-First-Press kaufen oder hält aus nostalgischen und elitären Grundsätzen am Original fest. Auch das ist legitim. Aber jedem Beatles-Neuentdecker oder denjenigen, der sich an einem guten Hörerlebnis erfreut, sei gesagt … es lohnt sich.

“Revolver- Remix 2022” ist dynamischer, kräftiger, klarer und im Bühnenbild voller und realistischer aufgestellt.
Bewertung: 13/15 Punkten


Erscheinen wird der Remix in folgenden Variationen:

Revolver Ltd. Super Deluxe (5CD) oder Ltd. Super Deluxe (4LP + 7” EP): je 63 Tracks
* 5CD (Stereo- & Mono-Audioversionen) mit 100-seitigem Hardcover-Buch im Slipcase (31,9×31,4cm)
* 4LP + 7“ EP (Stereo- & Mono-Audioversion); Half-Speed-Mastering auf 180g-Vinyl, inkl. 100-seitigem Hardcover-Buch im Slipcase (31,9×31,4cm)
DISC 1: Revolver (Neuer Stereo-Mix): 14 Tracks
DISCS 2 & 3: Sessions (stereo & mono): 31 Tracks
DISC 4: Revolver (Original Mono-Master): 14 Tracks
DISC 5: Revolver EP: 4 Tracks
„Paperback Writer“ & „Rain“ (je neuer Stereo-Mix & Original-Mono-Mix; remastered)
* Digital Audio Collection (Stereo & Hi-res 96kHz/24-bit Stereo + Mono + Dolby Atmos)
Revolver Ltd. 2CD Deluxe: 29 Tracks
* 2CD im Digipak mit 40-seitigem Booklet; (gekürzte Version des Buches aus der Super-Deluxe-Edition)
DISC 1: Revolver (Neuer Stereo-Mix): 14 Tracks
DISC 2: Sessions Highlights + „Paperback Writer“ & „Rain“ (Neue Stereo-Mixes): 15 Tracks
Revolver 1CD Standard oder 1LP Standard oder Ltd. 1LP Picture Disc: 14 Tracks
* 1CD im Digipak (Neuer Stereo-Mix)
* 1LP (Neuer Stereo-Mix) auf 180g-Vinyl; Half-Speed-Mastering
* Limited Edition 1LP Vinyl Picture-Disc-Variante (Neuer Stereo-Mix) im Design des Original-Coverartworks
* Digital (Neuer Album-Mix in Stereo & Hi-res 96kHz/24-bit Stereo + neuer Dolby Atmos-Mix)

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Abbildungen: Alle Abbildungen wurden uns freundlicherweise von Promo-Team zur Verfügung gestellt.