BoySetsFire und Hot Water Music, zwei der hierzulande beliebtesten Bands aus der Schnittmmenge von Post Hardcore und Emocore, auf gemeinsamer Jubiläumstour zum Fünfundzwanzigsten. Und mit im Gepäck dann auch noch Samiam, die in ihrem Bekanntheitsgrad zwar nicht ganz an die Kollegen heranreichen konnten, aber für Kenner der Szene so etwas wie das Sahnehäubchen dieses Paketes sind. Ob es mit den weitaus unbekannteren Be Well tatsächlich einer weiteren Band bedarft hätte, kann kritisch beäugt werden, denn gemeinhin fängt die erste Gruppe bei Vierer-Paketen so zeitig an, dass sie von den meisten Zuschauern verpasst wird.
Be Well
So war es dann auch nicht anders am ersten von zwei Abenden im Wiesbadener Schlachthof. Zwar war der freitägliche Zusatztermin nicht ausverkauft gewesen wie das tags drauf folgende Konzert zum Tourabschluss, doch zumindest zur späteren Stunde war die knapp 2.500 Zuschauer fassende Halle sehr gut gefüllt gewesen. Nicht allerdings als Be Well schon gegen 18:30 Uhr die Bühne betraten. Die Lücken im Publikum waren nicht klein. Und da es auch für die Zuschauer heute so etwas wie ein Klassentreffen war, nutzten viele der Anwesenden die Zeit erst einmal, um lange nicht mehr gesehene Bekannte zu begrüßen und sich auszutauschen. Das Bühnengeschehen war zu diesem Zeitpunkt noch eher Nebensache. Obwohl Be Well sicherlich größere Aufmerksamkeit verdient hätten. Denn nicht nur musikalisch passte der Melodic Hardcore Punk des Quintetts aus Baltimore sehr gut zu den anderen Bands. Die hauptsächlich von der neuen EP “Hello Sun” stammenden Stücke gingen auch unheimlich schnell ins Ohr. Zum Glück blieb dies dann auch dem Publikum nicht zu lange verborgen, sodass immer mehr Zuschauer ihre Gespräche einstellten und ihre Aufmerksamkeit fortan der sehr dynamisch agierenden Truppe widmeten. Ein guter Einstand, der das Wiesbadener Publikum aber noch nicht wirklich aus der Reserve locken konnte.
Samiam
Bei Samiam ging dann aber endlich richtig die Post ab! …hätte man denken können, bei einer Punk-Institution, die schon seit 1988 existiert und für die Bands wie Bad Religion, Green Day, Blink-182 und No Doubt in den 90ern noch als Opener fungiert hatten. War aber nicht so. Denn obwohl sich der Großteil der bereits eingetroffenen Zuschauer jetzt vor der Bühne tummelte, wollte der Funke nicht so richtig überspringen. Nicht falsch verstehen, egal mit wem man sprach, fast jeder wirkte beim Auftritt Samiams zufrieden und glücklich, doch suchte man vergebens nach Moshpits oder ähnlichem. Vielleicht lag es ja am eher verhaltenen Bühnengebaren von Sänger Jason Beebout, vielleicht aber auch an den mehr als drei Jahrzehnten, die wohl auch nicht spurlos an den Alt-Fans vorbeigegangen waren. Trotz hochenergetischer Musik, die aus den Boxen schallte, zogen die Zuschauer es vor, sich zu Punk-Rock-Hymnen wie ‘Capsized’ oder “Full On” singend in den Armen zu liegen als wild hüpfend und Pogo tanzend Party zu machen.
Hot Water Music
Der Auftritt von Hot Water Music war dann derjenige der drei namhaften Bands des Abends, der vielleicht am spannendsten werden konnte. Denn im Gegensatz zu Samiam und BoySetsFire, hatte die Formation um Frontmann Chuck Ragan mit “Feel The Void” ein brandaktuelles Studio-Album am Start. So hieß die Prämisse dann folgerichtig auch nicht einfach Best-Of-Programm, sondern man präsentierte eine ausgewogene Mischung aus Alt und Neu. Zwar war der Auftakt mit dem aktuellen ‘Another Breath’ mehr wagemutig als auf Nummer sicher gesetzt, doch hatte sich das Risiko gelohnt. Denn das Stück holte die Fans ab und verbreitete eine frische Brise, bevor man mit dem Klassiker ‘A Flight And A Crash’ vom gleichnamigen 2001er Album nachlegte. Es wurden Stücke aus allen Phasen der Band gespielt, wobei das 2002er “Caution” neben dem aktuellen Output mit fünf Stücken die meiste Beachtung fand, darunter das bis heute wohl am häufigsten live aufgeführte Stück der Floridianer, ‘Remedy’. In ihrem Wesen wohl die gezügelteste Band im heutigen Line-ups, wäre es schon fast ein Wunder gewesen, wäre die Stimmung während des Auftrittes von Hot Water Music brodelnder gewesen als zuvor bei Be Well und Samiam. Zu kochen begann es nicht, doch dafür wurde es entspannter. Denn Hot Water Music erreichten die tiefen Gefühle der Zuschauer. Insbesondere mit ihrer Akustikeinlage, bei der Chuck Ragan ‘Good Deciding’ und ‘State Of Grace’ auf der Akustikgitarre zum Besten gab. So schien das Publikum in Erinnerungen zu schwelgend und einfach den Abend genießend. Ein Zustand, der insbesondere mit den letzten Stücken auf die Spitze getrieben wurde, denn das abschließende Quartett, bestehend aus dem fantastischen ‘Drag My Body’, den “Caution”-Hymnen ‘Wayfarer’ und ‘Trusty Chords’ sowie dem vom ’97er Debüt stammenden ‘Turnstile’ war Fanservice, der mehrere Tausend Menschen in ihre Jugend zurückversetzte. Berührend schön.
BoySetsFire
Wer nun allerdings schon Angst gehabt hatte, dass dieser Abend vollkommen zur Kuschelstunde werden würde, der hatte die Rechnung ohne BoySetsFire gemacht. Denn das, was die ersten Bands so sträflich hatten vermissen lassen, präsentierte die Kult-Band aus Delaware in kondensierter Form:
E N E R G i E !
Ohne übertreiben zu wollen, kann der Auftakt, den BoySetsFire hinlegten, zu den intensivsten Opening-Sequenzen gerechnet werden, denen der Berichterstatter in knapp 30 Jahren Konzerterfahrung beigewohnt hat. Denn das eruptive ‘After The Eulogy’ als Opener ist in seiner niederwälzenden Wirkung vielleicht noch eine Schippe effizienter denn als letzte Zugabe. Insbesondere dann, wenn mit ‘Release The Dogs’ und ‘Voiceover’ zwei Bandklassiker folgen, deren mitreißenden Sogkraft jener einer tsunami-Welle gleichkommt. Singen, Hüpfen, Pogo, Moshpit. Das Publikum dankte es Nathan Gray und Co auf eine Art und Weise, auf die man nach den ersten drei Bands kaum noch hätte hoffen konnte. Apropos Nathan Gray – dass dieser nach seinem jüngsten Coming Out aus Gender Queer neues Selbstbewusstsein geschöpft hat, wurde nicht nur an dessen exzentrischem Outfit deutlich, sondern auch durch sein selbstbewusstes und Auftreten und insbesondere seine zahlreichen politischen Ansagen in Sachen Anti-Diskriminierung.
Nach einem solchen Start bedurfte es natürlich einer kurzen Verschnaufpause, die es in Form eines Geburtstagsständchens über FaceTime für Grays Tochter gab. Zwar konnten BoySetsFire im Anschluss nicht mehr ganz das Level der ersten Stücke halten, doch das hätte das in die Jahre gekommene Publikum wohl auf die Dauer auch überfordert. Von gezogener Handbremse zu sprechen wäre allerdings auch nicht korrekt. Stücke aus der gesamten Bandhistorie, wie ‘Deja Coup’, ‘My Life In The Knife Trade’ oder das von er ’94er Debüt-EP stammende ‘Cutting Room floor’ wurden einfach genauso gut und mitreißend präsentiert, wie man es von BoySetsFire nach all den Jahren gewöhnt ist. Erst mit dem das reguläre Set abschließenden ‘Rookie’ erreichten BoySetsFire wieder das Über-Niveau, mit dem sie begonnen hatten, wobei der größte Hit der Band von den Fans lautstark mitgesungen und abgefeiert wurde.
Die Zugaben ‘Walk Away’ und ‘Empire’ waren dann wie ein schmackhaftes Dessert, das nach einem reichhaltigen Menü aufgetischt wurde, obwohl man schon zum Bersten vollgestopft war. Super lecker, aber fas zu viel des Guten. Ganz anders dann das abschließende ‘True Believers’, ein Cover-Stück, das im Original von The Bouncing Souls stammt und zu dem sich BoySetsFire noch einmal die Jungs von Hot Water Music auf die Bühne holten. Die Musik floss in die letzten Lücken wie ein guter Schnaps und schickte das Publikum mit einem wohligen Gefühl im Bauch nach Hause.
Fotos: flohfish
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Rezension: “Feel The Void” (2022)
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Veranstalter & Venue: Kulturzentrum Schlachthof Wiesbaden e.V.