(49:18 + 56:42, Digital, 2 CD; Moonjune, 20.07.2021)
Brand X ist tot, lang lebe PAKT? Brand-X-Gitarrist par excellence John Goodsall ist vergangenes Jahr leider gestorben, woraufhin Percy Jones und Robin Lumley das Ende der Band verkündeten. Zuvor schon hatte man erfahren, dass auf der von Fans einschließlich des Autors mit heißem Herzen erwarteten Europa-Tournee nicht Percy Jones, sondern Jeff Berlin die tiefen Frequenzen liefern würde. Jones hatte sich nämlich bereits vorher aufs PAKT-schmieden konzentriert. Ein Ergebnis davon – “Recorded live at the ShapeShifter Lab, Brooklyn, NY, August 15, 2020, during the lockdown”, also wohl ohne Publikum – gibt es hier zu hören.
Mit wem er diesen Pakt eingegangen ist, verrät bereits der Titel des Debüts. Und da konnte man vorab schon mal einspeicheln: Gitarrist Alex Skolnick kennt man vom Alex Skolnick Trio and the mighty Testament! Kenny Grohowski u.a. von seinen Kooperationen mit John Zorn oder Felix Pastorius. Und Tim Motzer von Bandit56 oder Orion Tango. Gäbe es nicht das immer hungrige Phrasen-Schweinderl, hier würde uns ein “All-Star” entweichen.
Was spielen die denn nun – und was kann das Album? Der Doppeldecker unterteilt sich in CD1 mit dem Untertitel “The Undistance” und CD2 “The Sacred Ladder”. Wir hören ultra-virtuose Jams von absoluten Spitzenmusikern. Die aber dennoch merkwürdig kühl lassen. Es ist nicht ganz leicht, dingfest zu machen, woran das liegt. Der wohl subjektiv entscheidende Punkt: Percy Jones‘ Bass-Sound. Der Waliser zählt für den Autor neben Jaco Pastorius (R.I.P.), Jean-Jacques Burnel und Jonas Hellborg zu den absoluten Bass-Abgöttern, die man unter Tausenden aufgrund von nur ein paar Tönchen sofort heraushören kann. Und genau von Jones‘ Signature Fretless Sound, der Brand X erst für so viele Menschen – Prog-Fans inklusive – begeisternd gemacht hat, ist auf diesem Album verblüffend wenig bis nichts zu hören. Da kann man die Boxen noch so strafend anblicken, den Subwoofer noch so oft nachregeln. Was bei Brand X im Konzert (vgl. z. B. das atemberaubende Live-Dokument “Livestock” von 1977) wie auch im Studio eine Zwerchfell-massierende Urgewalt war, verliert sich hier im Raum, ohne allzu viel Spuren und Eindruck zu hinterlassen. Kaum hör-, geschweige denn unverwechselbar. Das ist furchtbar schade und kann den ganzen Spaß an diesem PAKT-Album vermiesen. Beim Autor ist es leider so. Die Köche sind unstrittig absolute Meister ihres Fachs, der Brei ist trotzdem verdorben.
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Daran ändern auch etliche beeindruckende Momente in den meist langen und dadurch tendenziell etwas ermüdenden Jams nichts – wie etwa Motzers Soundscapes aus Samplern und gestrichenen oder mit Bottleneck bespielten E- wie Akustik-Gitarren. Oder Skolnicks Flitzefingereien, die eigentlich unspielbar sein sollten. Jedenfalls ohne einen Pakt mit dem Teufel einzugehen. Oder dem unglaublich feingliedrigen Spiel von Grohowski. Am Ende bleiben die Erinnerungen an die jeweilige spielerische Tour de Force. Aber an keine Melodie und kein Thema.
Ein Live-Dokument mit beeindruckenden Interpreten somit, aber auch mit lusttötenden Schwächen beim Sound bzw. der Abmischung. Immerhin besteht die schwache Hoffnung, dass man Jones bei PAKT-Auftritten vor Ort im Club besser hören kann.
Bewertung: ohne
PS: Neben diesem Album-Debüt gibt es inzwischen übrigens vier weitere PAKT-Releases, sämtlich live eingespielt, denn die Band lässt jeden Gig mitschneiden und via Moonjune Records veröffentlichen.
Line-up:
Percy Jones – bass guitar
Alex Skolnick – guitar
Kenny Grohowski – drums
Tim Motzer – acoustic and electric guitars (bowed, slide), electronics.
Surftipps zu PAKT:
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Abbildungen: PAKT / Moonjune