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(47:57, Vinyl/CD/Digital, Tonzonen/Soulfood, 23.09.2022)
Die Katalognummer TON122 des Krefelder Labels Tonzonen Records ist das zweite Album der Augsburger Acid-Krautrock-Jazz-Formation brennenstuhl, und es trägt den Namen “No”. Über die Bedeutung des Titels ist keinerlei Diskussion von Nöten, denn Nein bedeutet Nein und nichts anderes.
Doch bevor es zum ‘No’ – so der Titel des zweiten Songs – kommt, lädt das Quartett im Intro zu einer schwermütigen Séance aus Jazz und kindlichem Trotz ein, bevor es in besagtem Titeltrack zur Sache geht. Hier treffen Soul, Jazz und Kraut in einer liebevollen, lebensbejahenden Mélange aufeinander. In ihrer lässig-positiven Art erinnern brennenstuhl hier ein wenig an die Musik der Münchner Soul-Sängerin Ami Warning – allerdings mit jazzigerem Einschlag und rockigerem Unterton.
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Haben sich die Hörenden in den smoothen Soul Jazz gerade einmal eingegroovet, setzen brennenstuhl eine ihrer größten Stärken ein: das Element der Überraschung, das aus einer bunten Vielfalt aus unterschiedlichen Einflüssen der einzelnen Musiker*innen herrührt. Und so landen die Hörenden wie einst Jona im ‘Walfischmagen’, bevor ebenjener virtuoser Übergang in das entspannende Stück ‘Turtledrive’ mündet. Mit frisch geschöpfter Kraft wird der Einschlag des Krautrock wieder präsenter und auch eine gute Portion Funk verziert das Lied ‘Xpress Yourself’. Nach affirmativen Gesangsparts und virtuosen Jams legen brennenstuhl wieder eine gemächlichere Gangart ein, wenn ‘Common Slider’ zum verträumten Blick lädt.
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Mit ‘Ja Ja’ beziehen sich brennenstuhl wieder auf das Thema des Intros zurück, und so werden Gedanken über gesagtes Ja und gemeintes Nein auf klassischem Trio-Jazz artikuliert. Die Ausführungen über die Situation, wenn man Ja sagt, aber eigentlich alles andere meint, enden im ‘Urknall’ – einem halbminütigen Einspieler. Hiernach wird es zunächst schmusig, denn in ‘Sailor’ lassen brennenstuhl wieder ihre Nähe zum Soul spüren. Die gefühlvolle Slow Jam verklingt voller Anmut und lässt somit Platz für das rasante und aktivierende Stück ‘Machine Gun Mammut’. Hier legen alle Musiker*innen sowohl in Sachen Tempo als auch Innovation eine fetzige Nummer aufs Parkett, bis der flotte Krautjazz in psychedelischem Soul aufgeht und Eva Welz das Saxophon beiseite legt und wieder mit ihrer Gesangsstimme überzeugt. Auch im vorletzten Titel ‘Stars in her Eyes’ ziehen brennenstuhl wieder alle Register ihres Acid-Krautrock-Jazz’: atmosphärische Blues-Themen werden durch zackige Bridges abgelöst, um sich in einem leuchtenden Sternenhimmel aus bewegungsvoller Psychedelik zu ergießen. Manche Hörende mögen hier Ähnlichkeiten zum Klang der Label-Geschwister von Kamala hören.
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Zum Schluss wird noch einmal das eine oder andere Tanzbein aktiviert, wenn brennenstuhl im letzten Lied ‘Drei’ zwischen Gypsy Jazz, Offbeat und Swing hin und her tänzeln. So endet eine kuriose und doch kohärente musikalische Reise, voller Gedanken, Impulse und Bewegung. brennenstuhl präsentieren sich auf ihrem zweiten Langspieler nachdenklich und doch fröhlich, dynamisch und gleichzeitig anspruchsvoll, mit einem kunterbunten Mix aus Stilen der sich zu einem eigenen Klang zusammensetzt: “No” ist virtuos und abwechslungsreich, bewegend und voller Bewegung.
Bewertung: 13/15 Punkten (RG 13, KR 12)
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Line-up:
Christoph “Zeise” Zeitner – Schlagzeug
Eva Welz – Saxophon, Gesang, Percussions
Markus Brszoska – Bass
Anjo Gruber – Gitarre, Gesang