Sigh – Shiki

SIGH - Shiki (Peaceville/Edel. 26.08.2022) COVER(46:04, digital, CD, LP, Peaceville/Edel, 2022)
Sigh sind möglicherweise auch objektiv, verdammt sicher aber subjektiv eine der spannendsten Black Metal-Bands weltweit. Und neben Loudness eine der bekannteren japanischen Musikgruppen überhaupt, zumindest bei Metalheads. Überdies sind sie eine besonders charismatische Live-Band – inklusive charmanter Details wie Bibelverbrennungen auf der Bühne.

Sigh, 16.08.2016, Essen, Turock, Foto: Klaus Reckert

 

 

Die bereits 1990 gegründete Formation um Mirai Kawashima war und blieb stets neugierig und auf der Reise. Haben also noch nie zu den stumpfen Krawallheimern gezählt. Aber mit Imaginary Sonicscape (2001) – nicht nur für den Autoren ihr Meisterwerk – verfeinerten sie ihren Sound nochmals. Und integrierten symphonische, Eastern Folk-, progressive, extrem psychedelische sowie vor allem Avantgarde-Elemente in ihren einzigartigen Stilmix.

Und das Schönste, was man über das wundervolle aktuelle Album„Shiki“ sagen kann – es erinnert wohlig an die Großtat von 2001!
‘Kuroi Kage’ ist gleich mal so ein Fall. Beginnt nach dem gruseligen, aber leisen und so zum Hochregeln der Lautstärke verführenden Intro ‘Kuroi Inori’ nackt, schroff und brutal. Doch schon mogeln sich Synthesizer in das hier langsam arbeitende Hammerwerk der Gitarrenriffs. Ein Flügel. Kirchenorgel! Unheilvolle Chöre wie aus einem alten Horrorfilm. Und Gitarren-Leads wie aus Maidens besten Zeiten. Es könnte schöner nicht sein. Geht aber trotzdem nach knapp acht Minuten in das atemlos durch die Schwarzmetallnacht jagende ‘Shoujahitsumetsu’ über.

Die “Tanz der Vampire”-Chöre begrüßen uns auch bei ‘Shikabane’ wieder, das zunächst los galoppiert. Und dann grausam verschleppt. Und als ob das nicht reichte, mit Percussion-, Synthie- und Sample-Passagen ganz bewusst die Headbanging-Athleten weiter irritiert.

‘Satsui’ hingegen fährt fast opernhaften Bombast auf – herrlich.

Sigh mainman Mirai Kawashima explains the track:

The album “Shiki” is mostly about my personal fear of getting old and my fear of death, but some of the songs are a bit off topic and ‘Satsui’ is one of them. ‘Satsui’ means ‘Intent to Kill’ and it is my personal view on the death penalty. You often hear people say ‘The criminal penalty is not meant to be for revenge’ or ‘we all live in a country governed by law’, but I do not think things are that simple; but of course everybody has the right to have their own opinions though. I guess the song is one of the most straightforward ones on the album.

Auch ‘Fuyu Ga Kuru’ beginnt wie Old School Black Metal, verwirrt dann aber entschieden durch poppige Einlagen und folkige Flötentöne. ‘Shouku’ ist ein weiterer Höhepunkt des ohnehin durchgängig starken Albums – mit seinem wunderbar breitbeinigem Heavy Metal Riffing, das hart auf ein schönes Solo auf einer der altmodischsten Orgeln prallt, die man jenseits von Georg Friedrich Händel lange gehört hat.

‘Kuroi Kagami’ (wenn man doch nur ein wenig Japanisch könnte!) hebt mit Gewitter-Samples, Flöten, süß perlenden Gitarren und evil Vocals an. Und klingt damit auch gleich wieder ab, denn es ist nur das Intro für das großartige ‘Mayonaka No Kaii’:


Mirai zum Song:

The song is kind of a culmination of what Sigh have been up to. Whistle scream, throat singing, Uriah Heep like vocal harmonies, vocoder, flute solo, shakuhachi solo, Hammond solo and the great guitar solo by Fred – it’s got everything! Although it’s only 5-minute long, it’s a very dramatic song with many aspects. The title stands for ‘a strange incident at midnight’, and it’s based on actual weird experience I had .. Long story short, I experienced midnight twice in one night! You can read the details at the end of the video. We have been working with Costin for a long time, so we were 100% sure that he’d be the best guy to visualize my eerie experience, and how did it turn out? You all see for yourselves!

Das instrumentale Outro ‘Touji No Asa’ könnte auch in der vom Autor gern besuchten Bio-Sauna laufen. Diese Jungs und dieses Mädel haben echt Humor.

Abschließend kann man hier ruhig auch mal den ausnahmsweise exzellenten Waschzettel zur Album-Promotion zu Wort kommen lassen:

… einige der härtesten und düstersten Stücke der Band seit einigen Jahren; eine gelungene Mischung aus teilweise primitivem Black Metal, der an frühe Einflüsse wie Celtic Frost erinnert, und epischeren, melodischen Heavy Metal-Riffs und Soli. Das Album nutzt auch eine ganze Reihe von Instrumenten, um den Kompositionen und der unheimlichen Atmosphäre noch mehr Struktur und Dynamik zu verleihen, darunter traditionelle orientalische Instrumente wie die Shakuhachi- und Sinobue-Flöten. Das Wort “Shiki” selbst hat im Japanischen verschiedene Bedeutungen, wie z. B. vier Jahreszeiten, Zeit zum Sterben, Dirigieren eines Orchesters, Zeremonie, Motivation, Farbe. Die beiden Hauptthemen des Albums sind “vier Jahreszeiten” und “Zeit zum Sterben”. Das Konzept und das Artwork basieren auf einem traditionellen japanischen Gedicht, und auf “Shiki” erkundet Mirai, wie er selbst in dieser Lebensphase den Herbst durchlebt, während der Winter bald kommt, und fühlt sich daher in die kontrastierenden sentimentalen Gefühle beim Anblick der Kirschblüten (ein Symbol für den Frühling) in voller Blüte ein. (…) Shiki” wurde in mehreren Studios aufgenommen und von Lasse Lammert in den LSD-Studios in Deutschland gemischt und gemastert.

Bewertung: 12-13/15 Punkten

Tracklisting
1. Kuroi Inori [00:16]
2. Kuroi Kage [07:55]
3. Shoujahitsumetsu [03:52]
4. Shikabane [05:28]
5. Satsui – Geshi No Ato [07:07]
6. Fuyu Ga Kuru [06:28]
7. Shouku [05:30]
8. Kuroi Kagami [01:10]
9. Mayonaka No Kaii [05:24]
10. Touji No Asa [02:53]

Line-up:
Mirai Kawashima – Vocals, Bass, Keyboards
Dr. Mikannibal – Backing Vocals, Saxophon
Shinichi Ishikawa – Gitarre
Satoshi Fujinami – Bass
Junichi Harashima – Schlagzeug

Gäste:
Frédéric Leclercq (Dragon Force, Sinsaenum, Maladaptive, Kreator, Sabaton) – Bass
Mike Heller (Fear Factory) – Schlagzeug

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Abbildungen: Sigh / Peaceville / CMM
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