Museale Kammermusik
Emma Ruth Rundle ist eine US-Amerikanische Künstlerin, die als Gitarristin der Post-Rock-Band Red Sparowes bekannt geworden ist und auf ihren späteren Solo-Alben vornehmlich Stile wie Folk, Ambient und Post-Rock zu ihrer ganz eigenen Form von Gitarren-Musik verarbeitete. Meist versteckt hinter einer Fassade aus Lärm, dauerte es bis zum Jahre 2021, dass Frau Rundle ihr Innerstes nach außen kehrte und mit “Engine Of Hell” ein Album veröffentlichte, dass rein akustisch gehalten war und auf dem sie, intim und fragil wirkend, ganz tiefe Gefühle von Schmerz und Trauer verarbeitete. Dass man auf der aktuellen Tour von Emma Ruth Rundle nicht den Sound ihrer Vergangenheit antreffen würde, dürfte spätestens beim Blick auf die Liste der gebuchten Venues klargewesen sein, denn diese bestand zu großen Teilen aus intimen Clubs und Gotteshäusern. Und im Falle von Wiesbaden, aus dem Hessischen Landesmuseum.
Jo Quail
Auch Jo Quail hatte in diesem Jahr schon mit einem beeindruckenden Album aufwarten können, doch dass die Londonerin ihr Monumentalwerk “The Cartographer” an diesem Abend aufführen würde, das Stand außer Frage. Denn weder hatte Jo Quail die hierfür notwendigen Gastmusiker im Schlepptau, noch hätte das Score-artige Album stilistisch zu Emma Ruth Rundles “Engine Of Hell” gepasst. Und so präsentierte sich die Engländerin auch an diesem Abend, wie die meisten sie kennen, nämlich unbegleitet und lediglich mit ihrem Cello und Pedalen ausgerüstet.
Doch obwohl die Musikerin kaum etwas anderes machte, als bei ihren übrigen Solo-Programmen, unterschied sich ihre heutige Präsentation ganz grundlegend von den Auftritten, die sie beispielsweise zuletzt im Vorprogramm von Amenra abgeliefert hatte. Denn ein Faktor war heute Abend ganz anders als bei ihren Auftritten im Vorprogramm der Belgier: das Ambiente. Denn das Konzert im Wiesbadener Museum fand in intimstem Rahmen statt. Die Venue hatte nämlich so rein gar nichts von dem Charakter eines typischen Rock- und Metal-Schuppens. Stattdessen gab es eine Theaterbühne und bequeme Sitzplätze, in einem kleinen klimatisierten Kino-ähnlichen Auditorium, in dem man selbst die leisesten Geräusche wahrnehmen konnte.
Eine hervorragende Akustik, die so sensibel war, dass selbst die anwesenden Fotografen davor zurückschreckten, ihre Kameras zu benutzen. Denn das Öffnen und Schließen der Shutter wirkte heute lauter als der Sound manch fetter PA-Anlage.
Selbst Jo Quail entschuldigte sich im Laufe ihres 45-minütigen Auftrittes dafür, dass man das Klicken ihrer Pedale zu prominent wahrnehmen konnte. Doch was sollte eine Künstlerin machen, für deren Werke Loops genauso wichtig sind wie das Cello-Spiel selbst. Und so kauerte sich ein jeder auf seinen Platz, anmutig lauschend und mit der Vorsicht, möglichst keine Störgeräusche zu erzeugen. Ein Vorgang, der die eigene Wahrnehmung stark beeinflussen konnte und Jo Quail als das wahrnehmbar machte, was man bei ihren Auftritte im Vorprogramm von Rock-Bands oft vergessen konnte: nämlich als Musikerin, die ein klassisches Streichinstrument spielt. Eine wohlige Abwechslung und unterm Strich die Erkenntnis, dass ein intimer Rahmen der viel passender und angemessener für ihr Solo-Programm ist.
Bewertung: 11/15 Punkten
Emma Ruth Rundle
Da im Konzertsaal das Konsumieren von Getränken nicht gestattet war, nutzten zahlreiche Zuschauer die Pause, um sich bei hochsommerlichen Temperaturen im museumseigenen Bistro zu erfrischen. Leider wollten sich mehr Leute eine Erfrischung gönnen, als es die nur fünfzehnminütige Pause zuließ, sodass die letzten in der Schlange den Auftakt von Ema Ruth Rundles Darbietung verpassten. Denn die Türen zum Konzertsaal wurden nur zwischen den einzelnen Liedern geöffnet. So konnte der Autor dieser Zeilen das wunderschöne ‘Return’ nur durch verschlossene Türen wahrnehmen und erst zu ‘Blooms Of Oblivion’ das Theater wieder betreten. Die Stimmung die er dort vorfand, war noch angespannter, so dass das Fotografieren jetzt vollkommen untersagt war. Denn nichts sollte vom Auftritt Emma Ruth Rundles und in ihrer Präsentation von “Engines Of Hell” ablenken. Und so präsentierte die kalifornische Künstlerin ihr aktuelles Solo-Album in bester Singer-Songwriter-Manier: alleine auf der Bühne, entweder am Flügel oder an der Gitarre. Ganz ohne Effekte oder sonstigen Schnickschnack. Ein Auftritt ohne jegliche Überraschungen, denn die Musikerin hielt sich streng an die Reihenfolge der Lieder, wie man sie von “Engines Of Hell” kennt. Dafür wurde dieser aber mit einer Intensität und Emotionalität präsentiert, die die beklemmende Atmosphäre des Albums weit übertrafen. Dass Emma Ruth Rundle mental nicht ihren besten Tag erwischt hatte, verstärkte diesen Eindruck sogar noch, denn die Darbietung selbst schien phasenweise schwer auf den Schultern der Künstlerin zu lasten. Und so fiel in den Ansagen, mit welchen Emma Ruth Rundle ihre Stücke einleitete immer wieder der Begriff des “Prison Of Flesh”. Ein Bild das deutlich machte, dass sich die Künstlerin nicht nur an diesem Abend unwohl in ihrem eigenen Körper fühlte. Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen, gingen die Lieder von “Engines Of Hell” tief unter die eigene Haut.
Eine kleine Überraschung folgte im Laufe des Abends dann doch noch, nämlich als Emma Ruth Rundle Jo Quail und ihr Cello zu sich auf die Bühne einlud. Gemeinsam erschufen sie eine ergreifende Version von ‘Citadel’, sodass man sich im Anschluss wünschte, die beiden würden in Zukunft auch einmal auf Platte miteinander kooperieren. Es folgten Dankesbekundungen und innige Umarmungen, denn heute war der letzte Abend der gemeinsamen Europa-Tour der beiden Damen gewesen.
Wie schon auf dem Album, beendete ‘In My Afterlife’ auch das reguläre Set des heutigen Abends, bevor es mit ‘Marked For Death’ und ‘Pump Organ Song’ zwei Zugaben aus dem Backkatalog der US-Amerikanerin gab. Und zwar in Versionen, die stilistisch näher an den Stücken von “Engines Of Hell” waren, als an den Originalen. Interpretationen, die aufs Wesentliche reduziert waren und die Lieder wie im Kerzenschein erstrahlen ließen. Zart, leise, aber voller Hoffnung.
Bewertung: 12/15 Punkten
Fotos: flohfish
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Rezension: “The Cartographer” (2022)
Konzertbericht: 06.04.22, Köln, Essigfabrik
Konzertbericht: 04.04.22, Esch-Uelzecht (LU), Rockhal Club
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Rezension: “Engine Of Hell” (2021)
Weitere Surftips:
Veranstalter: Kulturzentrum Schlachthof Wiesbaden e.V.
Venue: Museum Wiesbaden