Kurz vor der mit viel Vorfreude erwarteten nächsten Auflage des Night of the Prog Festivals hatte ich Gelegenheit, mit einem entspannten Philipp Nespital ein sehr kurzweiliges Gespräch zu führen.
Wie fühlt es sich so an, gerade mal eine Woche vor eurem Auftritt auf der Loreley? Was überwiegt, Nervosität oder Vorfreude?
Wir freuen uns natürlich sehr auf das Festival. Die Proben laufen, ich habe als Hauptverantwortlicher aktuell zusätzlich sehr viel mit Organisation und Administration zu tun, bin also gezwungen, multitask zu agieren, da bleibt kaum Zeit für andere Gedanken. Eine gewisse Grundnervosität oder Anspannung wird sicherlich da sein. Spielfehler können zum Beispiel immer mal passieren, schlimmer wäre aber, wenn es arge Tonprobleme gibt und man auf der Bühne wenig ausrichten kann. Wichtig ist, dass man sich auf der Bühne wohlfühlen kann und dieses Gefühl auf das Publikum überspringt.
Wie ist es dazu gekommen, dass ihr erneut antreten dürft? Das legt ja schon nahe, dass der Veranstalter mit eurem damaligen Auftritt zufrieden war und ihr gut angekommen seid (was ich bestätigen kann).
Im ursprünglichen Line-up waren smalltape ja bekanntlich nicht vorgesehen. Da anscheinend ein paar ursprünglich vorgesehene Auftritte von 2019 ausfallen mussten, wurde Ersatz gesucht und so kam ich wieder ins Gespräch. Nach kurzer Termin-Abklärung mit den Musikern, die für smalltape auf der Bühne stehen, hab ich natürlich dann gern zugesagt.
Wenn du smalltape 2018 mit smalltape 2022 vergleichst, was hat sich verändert?
Beim damaligen Auftritt hatten wir das Riesenproblem, dass uns etwa eine Woche vor dem Termin der Schlagzeuger abhandengekommen ist. Wir mussten dann auf die Schnelle jemanden finden, der einspringen konnte und das Material kurzfristig lernen konnte. Da war die Anspannung logischerweise riesengroß, ob das hinhauen würde. Aber mit Diego Catano hat es super geklappt! Alexandra (Praet, Bass) und Flavio (de Giusti, Gitarre) begleiten mich ja schon seit langer Zeit. Diesmal werden zwei neue Namen dabei sein, nämlich Mesut Gursoy am Schlagzeug und Ori Jacobson an Saxofon und EWI. Und wir freuen uns sehr darauf, dem Publikum das Material des neuen Albums The Hungry Heart vorstellen zu können. Die Songs unterscheiden sich deutlich von altem Material, insofern hat sich das Projekt smalltape in der Zwischenzeit auch weiter entwickelt.
Ihr habt ja bereits Festival-Erfahrung, wie ist es beispielsweise auf dem Art Rock Festival in Reichenbach für euch gelaufen?
Recht gut, denke ich. Das ist natürlich eine andere Veranstaltung als das Open Air Festival auf dem Felsen, aber war auch eine interessante Erfahrung. Dort ist mir etwas passiert, was mich im Nachhinein noch etwas beschäftigt hat. Ich bin nach dem Konzert von vielen Leuten gefragt worden, warum ich meine Ansagen auf Englisch gemacht hätte. Ich hatte vorher nach Nicht-Muttersprachlern gefragt und es hatten sich einige gemeldet. Somit hielt ich es für angebracht, die Ansagen in Englisch zu halten. Dass dies nun für einige Stein des Anstoßes war, mir daraufhin ihren Unmut darüber zu schildern, hat mich zunächst ziemlich gewundert (den Schreiberling wundert dies übrigens auch). Im Song ‚Colours‘ geht es zum Beispiel um Toleranz. Ist dies nicht auch eine Frage der Toleranz?
So ein Auftritt vor großem Publikum macht doch was mit einem, wie sieht das bei dir aus? Wie erlebt man ein Festival dann abseits vom eigenen Auftritt?
Das sind natürlich große Momente für einen Musiker, wenn die eigene Musik vor solch einem Publikum präsentiert werden kann und wenn es läuft und der Funke überspringt, ist das hoch emotional. Außerdem spielen ja noch weitere spannende Bands auf dem Festival. Ich freue mich zum Beispiel, am Freitag nach unserem Auftritt Pure Reason Revolution und Pineapple Thief zu hören und zu sehen. Gavin Harrison ist für mich der größte Schlagzeuger, den es gibt! Damals konnten wir uns The Sea Within anschauen, auch da: Marco Minnemann, der ist ja nicht von dieser Welt.
Wie bringt man Beruf und Musikerdasein in Einklang?
Ich bin von Beruf Tonmeister, habe an der Filmmusikuniversität studiert und beschäftige mich auch mit Sound Design und Auftragskompositionen, von daher ist ja die direkte Nähe vorhanden. Bisher hat dies auch alles prima geklappt.
Woher bekommst du deine Inspirationen für Musik und Texte?
Die musikalischen Ideen kommen oft am Instrument oder entstehen zum Beispiel im Kopf wenn ich unterwegs bin. Viel Inspiration bekomme ich durch andere, oft Genre-ferne Künstler. Was die Texte betrifft, hmmm. Ich bin jetzt keiner, der dauernd Gedichte liest. Oft kommt es tatsächlich vor, dass mir während einer Bahnfahrt Einfälle kommen. Die Ideen entwickle ich dann meist über einen längeren Zeitraum zu Texten.
Wie bist du zum Progressive Rock gekommen, wer sind deine Inspirationsquellen und was hörst du aktuell?
Ich denke, wenn ich ein Album nennen müsste, das mich dazu gebracht hat, mich intensiv mit Progressive Rock zu beschäftigen, dann war es das Debütalbum von Transatlantic. Das hat mich damals umgehauen. Was ich im Moment höre? Da muss ich doch glatt erst mal auf meine Playliste schauen. Was haben wir denn da – Snarky Puppy, eine großartige Band. (Tipp: demnächst live in Köln!). Sungazer, Billy Eilish, Mark Lettieri, The Bad Plus. Gerade habe ich für mich George Harrisons “All Things Must Pass” wieder entdeckt. Radiohead finde ich auf eine gewisse Weise auch total faszinierend. Wie du siehst, höre ich gerade nicht wirklich viel Prog. Andere Künstler können mich inspirieren, auch aus Sicht eines Sound Engineers. Und auch das Lesen von Interviews kann interessante Dinge zu Tage bringen. Übrigens, was ich gerade total klasse finde: auf Radiooooo gibst du Land und Jahreszahl an und es wird entsprechende Musik ausgewählt. Du kannst Sudan 1965 angeben und dann entsprechende Musik hören – und auch in der Musik teilweise auch politische Entwicklungen erkennen. Super spannend und inspirierend.
Du hattest mir damals nach einem Konzert in NRW einen jungen Musiker empfohlen. Später hatte ich gelesen, dass auch Jon Anderson von ihm geschwärmt hatte. Ich habe leider seinen Namen vergessen, hast du noch eine Idee, um wen es ging?
Klar, das ist Jacob Collier.
Noch mal zurück zum aktuellen Album: von der Spielzeit her hätte eine CD ausgereicht, warum wurden es zwei?
Mein Eindruck ist, dass „The Hungry Heart“ einfach viel Musik ist. Vielleicht zu viel, wenn man es auf eine CD presst und der Hörer möglicherweise Titel überspringt. Für mich fühlte es sich auf diese Weise besser an. Die zweite CD ist sozusagen die Antwort auf die erste CD. Es machte jetzt für mich auch keinen Sinn, die zweite CD noch mit irgendwelchem Bonus-Material aufzufüllen. Es ging mir um diese 65 Minuten Musik, die zusammen gehören, aber doch unterschiedlich gestaltet sind. Und wer nach der ersten CD Lust hat, legt dann die zweite CD ein. Oder hört gerade nur die zweite CD.
Was bedeutet das Erstellen von Videoclips für dich und die Band? Ist das mittlerweile fast unumgänglich? Wie viel Zeit muss man in etwa für die Pflege der eigenen Homepage investieren?
Heutzutage wird natürlich viel mit Videoclips gearbeitet, dem habe ich mich angeschlossen, doch ist dies nicht unbedingt meine erste Priorität. Und das Pflegen der Homepage gehört natürlich auch dazu – wenn sich die Zeit dafür findet.
Wie groß ist eigentlich die Fanbase im Ausland? Gibt es Besonderheiten?
Schwer zu sagen. Was CD-Verkäufe angeht, geht oft was nach Frankreich, Italien oder England. Aber auch USA, Süd-Korea und Russland ist dabei. Über Spotify kann man sehen, dass smalltape auch in vielen anderen Ländern gehört wird.
Ich freue mich schon sehr, Material vom neuen Album live zu erleben.
Und ich freue mich, es vorstellen zu dürfen. Nach all den Corona-bedingten Entbehrungen fühle ich mich – und da kann ich sicher auch für meine Mitmusiker an dem Tag sprechen – privilegiert, wieder auf der großartigen Loreley-Bühne stehen zu dürfen.
Vielen Dank, dass du trotz des Stresses so kurz vor dem Festivalauftakt noch Zeit für ein entspanntes Gespräch gefunden hast!
Natürlich, sehr gerne. Wir sehen uns dann auf der Loreley!
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