Album Already Released Show
Eigentlich war alles so schön geplant gewesen. Die Veröffentlichung von “The Puppeteer” am Freitag, den 26. November 2021. Eines Konzeptalbums, dessen Entstehungsprozess von Schlagzeuger und Songwriter Rodney Fuchs wissenschaftlich begleitet und analysiert worden ist und das anlässlich dessen Bachelorarbeit “The Concept Album In Progressive Metal” geschrieben worden war. Und natürlich auch die Album-Release-Party, die am Tage der Veröffentlichung in Mainz erfolgen sollte. Und zu der Rodney Fuchs, seines Zeichens Booker im Kulturclub Schon Schön, die dänischen Cold Night For Alligators für eines ihrer wenigen Deutschlandkonzerte als Vorgruppe (!) verpflichten konnte. Doch dann kam die zweite (oder war es bereits die dritte?) Corona-Welle, so dass “The Puppeteer” ohne begleitende Feier auf den Markt gebracht wurde. Die Album-Release-Show jedoch wurde nicht abgesagt, sondern einfach verschoben. Und dann noch einmal verschoben. Bis sie, auf den Tag genau, ein halbes Jahr später, am 26. Mai 2022 endlich stattfinden konnte. Fun Fact: Was auf dem Papier noch immer unter Album-Realease-Show lief, war in der Tat schon das fünfte Konzert, dass die Rheinhessen mit “The Puppeteer” im Gepäck spielen sollten. Aber wie sagte der Volksmund schon so schön: Man muss die Feste feiern wie sie fallen!
Und zum Feiern waren die Zuschauer heute gekommen. Denn obwohl es sich heute nicht um eine Album-Release-Show im klassischen Sinne handelte, so war der Abend heute doch so etwas wie die offizielle Party anlässlich der Geburt von “The Puppeteer”. Da Monosphere sich am heutigen Abend wohl nicht lumpen lassen wollten, hatte man kurzfristig noch eine zweite Vorgruppe arrangiert. Zwar keinen hochkarätigen Geheimtipp wie die Alligatoren aus Roskilde, aber immerhin eine Band, die das musikalische Programm des Abends noch etwas erweitern konnte.
Noir Reva
Denn das den meisten Zuschauern noch unbekannte Quartett namens Noir Reva aus Mayen agierte musikalisch in der Schnittmenge aus instrumentalem Progressive Rock und Post Rock. Oder einfacher ausgedrückt: die Eifeler Band vemengt die stilistischen Charakterstika von Long Distance Calling mit denen von Caspian. Gitarrensounds die zwischen sphärisch und flirrend hin und her pendelten und progressive Experimentierfreude ausstrahlten.
Und zwei Gitarristen, die die Stücke der Band viel stärker trugen als die Rhythmussektion. Zwar kamen Bass und Schlagzeug beide recht druckvoll und groovy herüber. Doch hat das womöglich auch an der Position eines Lautstärkers gelegen, der von der Seite im 90-Grad-Winkel das Publikum beschallte. Ein Bass für Blinde sozusagen, zumindest für die in der Nähe stehenden Zuschauer. Nichtsdestotrotz wirkte vor allem das Schlagzeugspiel ein wenig steril. Zwar grundsolide was das Fundament anging, in seiner Ausgestaltung jedoch etwas uninspiriert. Wie sich später herausstellte, war die Stammbesetzung Noir Revas an Schlagzeug und Bass aus familiären Gründen verhindert gewesen. So mussten zwei befreundete Musiker kurzerhand deren Parts erlernen und umsetzten. Ansonsten hätte dieser Auftritt wohl überhaupt nicht wahrgenommen werden können.
Ein Umstand, über den man ein gutes Stück hinwegsehen konnte. Ganz ander lag es da schon bei der Abmischung der hohen Töne, denn diese waren teilweise so schrill, dass sie schmerzten, und so den positiven Eindruck des eigentlich wundervollen Wechsel- und Zusamenspiels der Gitarristen Peter Bohlen und Robby Krings stark schmälerten. Trotzdem bleiben die beim saarländischen Midsummer Records unter Vertrag stehenden Jungs aus der Vulkaneifel eine Truppe, die man weiter beobachten sollte. Denn trotz der erwähnten Faktoren konnten die größtenteils vom 2020er “Continuance”-Album stammenden Kompositionen Noir Revas sehr überzeugen.
Bewertung Noir Reva: 9/15 Punkten
Cold Night For Alligators
Cold Night For Alligators sind ganz im Gegensatz zum Opening Act zumindest in Modern-Prog-Kreisen keine Unbekannten mehr. Früher oft als Technical Prog Metal beschrieben, haben sich die Dänen spätestens mit ihrem im März erschienen Album “The Hindsight Notes” in eine stilistische Richtung entwickelt, die aufgrund ihrer Bandbreite und modernen popmusikalischen Einflüsse starke Parallelen zu anderen nordeuropäischen Bands wie Port Noir oder VOLA aufweist. Ein Album, das im laufenden Jahr zu den besten seiner Art gehört und auf BetreutesProggen.de noch immer auf eine Besprechung wartet.
Dass die Alligators schon über eine langjährige Bühnenerfahrung verfügen, merkte man dem Quintett von der ersten Sekunde an an. Denn die Dänen bewegten sich auf der für fünf Leute eigentlich viel zu kleinen Bühne mit einer Leichtigkeit, die den Rheinland-Pfälzern zuvor gefehlt hatte. Und auch musikalisch hatte man es hier noch einmal mit einem anderen Kaliber zu tun, denn die songwriterischen Fähigkeiten der Musiker ließen die teils deftigen stilistischen Brüche wie fließende Übergänge wirken.
Technischer Prog Metal hier, elektronische Passagen dort und mittendrindrin immer wieder melodische Pasagen zwischen Pop und RnB. Genres, die sich auch in den Gesangstechniken von Frontmann Johan Pedersen wiederspiegelte, denn je nach Stimmung übte sich dieser wahlweise in Death-Growls, Post-Hardcore-Shouts oder harmonischem Pop-Gesang. Eine Stimme, die in dem Moment besonders gut zum Tragen kam, als sie sich im Duett mit jener von Monospheres Kevin Ernst in fast theatralische Gefilde vorwagte.
Es war ein Auftritt, bei dem der Klang viel besser als der von Noir Reva, aber trotzdem nicht wirklich perfekt war. Denn obgleich die Stimme Pedersens beeindruckend war, war sie im Gesamtsound zu weit in den Hintergrund gemischt. Doch wenigstens der Bass strahlte eine angenehme Wärme aus und auch die Soli von Lead-Gitarrist Kristoffer Jessen waren gut vernehmbar, so dass man immer wieder in den Prog-Himmel katapultiert wurde. Ein rundum gelungener Auftritt einer Band, die an jedem anderen Abend bei gleichem Billing als Headliner verpflichtet worden wären. Doch diese Rolle stand heute Abend aus guten Gründen einer anderen Kombo zu.
Bewertung Cold Night For Alligators: 12/15 Punkten
Monosphere
Obwohl “The Puppeteer” nun also schon ein halbes Jahr lang auf dem Markt war, konnte man den Mitgliedern von Monosphere ihre Anspannung regelrecht ansehen. Oder war das gerade wegen dieser langen Vorbereitungsphase so? Denn egal wie viele Auftritte in den letzten Monaten schon gelaufen waren, der heutige Abend stellte für die Musiker von Monosphere etwas Besonderes dar. So standen die fünf jungen Männer aus dem Mainzer Umland nämlich ganz schön unter Anspannung, ob aus Nervosität oder Vorfreude. Wenn man jedenfalls Rodney Fuchs betrachtete, dann kamen zusätzlich noch Stressgründe obendrauf. Denn Roddy ist nicht nur Schlagzeuger von Monosphere, sondern wie gesagt auch Booker des Schon Schön und Mit-Organisator des heutigen Abends. Trotzdem oder gerade deswegen hatte sich das Rückgrad der Band für den heutigen Abend in Schale geworfen. So strahlte er hinter seinem Schlagzeug nicht nur mit freudiger Miene sondern auch mit weißem Hemd und wallender Lockenpracht.
Eigentlich hatte man für diesen Abend keine musikalischen Überraschungen erwartet, denn schließlich stand die ursprünglich geplante Uraufführung von “The Puppeteer” auf dem Programm. Doch gleich das erste Stück namens ‘Engage’ war eine Griff in die Schatztruhe der Band und bewies, dass Monosphere schon vor dem Erscheinen ihres Debüts Musik gemacht hatten. Ein Stück, das stark von Kevin Ernsts eindringlichen Screams geprägt, die Verwurzelung von Monosphere in Post Hardcore und Metalcore deutlich machte. Als es dann in Form von ‘sheer strings’ und dem Titelstück endlich mit dem Puppenspieler losging, verstand man auch endlich, warum der Sound der anderen beiden Bands nicht ganz so perfekt gewesen war. Denn der Soundmann schien an diesem Abend den Headliner im Fokus seiner Aufmerksamkeit gehabt zu haben. Denn klanglich gab es bei der Aufführung von “The Puppeteer” kaum etwas auszusetzten.
Kleiner Minuspunkt im Gesamtgefüge Monospheres war, trotz starker harscher Vocals, wie schon beim Album, der Gesang von Frontmann Kevin Ernst. Denn Ernst beherrscht zwar wunderbar die aggressiven Vokaltechniken, doch an seinen cleanen Vocals muss er noch arbeiten. Das Aufteilen der unterschiedliche Gesangsstile zwischen zwei Sängern, so wie wie es Ernst bei seinem Gastauftritt mit Cold Night For Alligators gemacht hatte, wäre da vielleicht eine bessere Alternative gewesen. Doch unterm Strich ist das alles Jammern auf hohem Niveau. Denn Ernst und seine Mitstreiter hatten das Publikum jederzeit in ihren Händen. Ob Jazz, Prog Metal oder Metalcore, die Zuschauer haben alle Facetten der Mainzer gewürdigt. Und wenn Rodney Fuchs sich dann beim Spielen auch noch aufmerksamkeitswirksam auf sein Drumset stellte, dann dankte es auch der letzte Besucher den Musikern mit ausgiebigem Applaus oder Hauptschütteln.
Eine Albumpräsentation, die runter ging wie Öl, aber live – alles in allem – viel härter wirkte als auf Tonträger. Monosphere hinterließen ein dankbares Publikum, das nach Ende des dreiteiligen ‘I Am In Conflict’ natürlich noch nicht genug hatte.
Und so gaben Monosphere als Zugabe noch einen Ausblick in ihre musikalische Zukunft. Zwei Stücke, die fast noch ein wenig härter und tougher wirkten als das Durchschnittslevel auf “The Puppeteer”. Musik, die Lust auf mehr machte! Wie gut, dass das Konzert hatte verschoben werden müssen. Sonst wären wir wohl nicht in den Genuss dieser beiden neuen, noch unbetitelten Lieder gekommen.
Bewertung Monosphere: 11/15 Punkten
Gesamtwertung: 11/15 Punkten
Tourdaten: Monosphere supporting Rolo Tomassi:
03.07. 🇩🇪 Bochum, Die Trompete
04.07. 🇧🇪 Lüttich/Liège, Kultura
05.07. 🇩🇪 Karlsruhe, P8
06.07. 🇩🇪 Mainz, Schon Schön
Fotos: Chris Bretz
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Rezension: “The Puppeteer” (2021)
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Veranstalter & Venue: Kulturclub Schon Schön