Kuschliger Sommersonnenwendensoundtrack
Seit dem Start 2017 hat sich unser Mag diese Perle unter den proggigen Open Air-Festivals nie entgehen lassen. Beim diesjährigen Nachholtermin des Midsummer Prog (MSP) für 2021 wurde die Vorfreude zumindest des Autoren übrigens von keiner einzigen der angekündigten Bands aufgeheizt. Doch dafür umso mehr von der sicheren Aussicht, viele Freunde und Bekannte sowie eines der schönsten uns bekannten Venues überhaupt (vielleicht neben der Parkbühne vom GeyserHaus, Leipzig) wiederzusehen. Wohlgemerkt, mit Leprous, Antimatter, Mystery, RPWL, Klone und Perfect Storm ist per se auch nichts verkehrt (es sei denn, man hat sie schon soooo oft gesehen – Luxusproblem). Aber auch wenig abenteuerlich. Insofern also eher eine Kuschelprog-Ausgabe des kleinen, aber feinen Festivals.
Anreise easy, Hotel nett, Herz, was willste mehr? Na, vielleicht 300 Meter weniger Schlange am Einlass. Selbst Schuld, wer stellt sich auch noch vor Festival-Beginn an? Trotzdem: Das hatte in Vorjahren deutlich besser geklappt.
Bereits die Anmoderation des Festivals lieferte gleich mehrere Highlights. Die ersten Worte waren “Alles gut?” – möglicherweise dem Umstand geschuldet, dass wirklich reichlich deutsche Besucher zugegen waren.
Und dann dies – (jahre)lang war es intern diskutiert worden, nun wagen die Organisatoren die Vergrößerung – das MSP wird 2023 (so Gott und Corona mitspielen) zweitägig! Und uns wurde, wenn auch ohne Namensnennung, ein exzellentes Billing versprochen.
Perfect Storm
Dem syrisch-niederländischen Sextett Perfect Storm war es jetzt aufgegeben, die eh schon prächtige Stimmung im Auditorium weiter anzufachen. Inwieweit das gelang, hing wohl stark davon ab, ob die Zuschauer eher braven, ultra-melodischen Softprog mit männlich-weiblicher Gesangs-Doppelspitze goutierten. Fakt ist: binnen kurzer Zeit wurde rhythmisch mitgeklatscht. Und geschunkelt…
Während bei ‘No Air’ die cheesy Keyboard Sounds etwas unangenehm auffielen, waren die Tastenbeiträge bei ‘Sun for Life’ auffallend gut.
Bewertung: 6/15 (FF 6, IF 5, KR 6)
Klone
Auf Klone hätten Floh & meinereiner ja schon beim diesjährigen Prognosis-Festival stoßen sollen. Was durch Covid-Erkrankungen von Bandmitgliedern leider verhindert wurde.
Der Autor hat die Franzosen schon mehrfach live bewundern können. Und jedes Mal war wieder eine Steigerung zu verzeichnen. So auch dieses Mal.
Kunststück, denn das Konzert begann ja auch gleich mit ihrem Über-Song ‘Yonder’. Der ist zwar schleppend langsam und melancholisch (wie fast alle Songs). Aber auch majestätisch. Und eine Vervielfachung des Härtegrads der Vorband bewirkend. Schließlich wird bei Klone auch gegrowlt.
Einen zweiten Auftritts- (und Festival-)Höhepunkt warf der unbarmherzige Grower ‘Grim Dance’ ab. Einen weiteren das dieses Set abrundende, fast brutale Björk-Cover ‘Army of Me’.
Bewertung: 12/15 (FF 11, KR 12)
Randszene
Die Pretiosen verkaufenden freundlichen Menschen waren eine wahre Freude. Da wäre z. B. der Kollege am Bierausschank, der beim Ordern eines Haacht Tongerlo erstmal Typberatung liefert: “Das hat 6,5 Volumenprozent, willst Du das trotzdem?”. Ebenjener Prachtmensch löste sich beim Klone-Auftritt vom Zapfhahn und verfügte sich dezent headbangend für ein Weilchen vor die Bühne. Herrlich.
RPWL
RPWL ist so ein Fall. Sympathische, wichtige deutsche Band. Aber irgendwann hat man sie ganz persönlich so relativ oft gesehen, dass das wiederholte Erlebnis zumindest nicht mehr ganz so aufregend ist. Dem Effekt wirkten die Bayern allerdings durch ein arschtightes Spiel und durch ein Set entgegen, in dem tüchtig alte Stücke und mit ‘Opel’ ein Syd Barret-, mit ‘Masters of War’ ein Dylan– und mit ‘Cymbaline’ gar ein Pink-Floyd-Cover glänzten.
Vorgeschaltet war all dem ein Geburtstagsständchen des Publikums für Kalle Wallner! Letztlich ist das MSP also doch ein (großes) Gartenfest unter Freunden.
Beim Closer ‘Unchain The Earth’ klatschte und schunkelte fast ausnahmslos das ganze Rund. Und danach gab es lange Standing Ovations.
Normalerweise gibt’s bei diesem Festival keine Zugaben. RPWL durften aufgrund des unausgesetzt johlenden Publikums aber noch ‘Roses’ vor die Umbaupause quetschen.
Bewertung: 9/15 (FF 9, KR 9)
Mystery
Das können Mystery allerdings sogar noch besser: Die Kanadier wurden sogar mit Standing Ovations und ewig langem Beifall BEGRÜSST. Sie bedankten sich mit einer epischen Version von ‘Delusion Rain’, gefolgt von einem schmelzend schönen, aber eben auch ein wenig süßlichen ‘Chrysalis’. Zwischendurch gab es extreme Publikumsnähe von Jean, bis hin zu singendem Händchenhalten mit einer Mega-FanIn (schreibt man das jetzt so?). Der hat es einfach drauf.
Mit dem dramatischen ‘The Preacher’s Fall’ ging ein Auftritt zu Ende, der für viele sicher den Höhepunkt des Festivals markiert hat.
Bewertung: 10/15 (FF 10, KR 10)
Antimatter
Mick Moss‘ Antimatter haben sich von ihren Anfängen – ihren zwei schon fast unverschämt guten ersten Alben, schon am Archive-Thron kratzend, oder diesen einnehmend (Saviour (2000) – noch mit dem großartigen Duncan Patterson (Ex-Anathema) an Bord und dann noch Lights Out (2003)) ähnlich weit weg entwickelt, wie Anathema selbst.
Allerdings ging hier die Reise nicht vom Doom Metal hin zu floydigem Konsens-Prog, sondern von ultra-melancholischen Singer-/Songwriter-Perlen hin zu so etwas wie versuchtem Stadionrock.
Beim MSP erlebbar u.a. mit dem slow moshenden ‘Monochrome’ oder ‘Paranova’. In diesem Umfeld wurde der Nod to the Proggies, das Floyd-Cover ‘Welcome To The Machine’ natürlich besonders freundlich angenommen.
Bewertung: 8,5/15 (FF 9, KR 8)
Leprous
Und dann noch Leprous. Endgeil. Allerdings auch grad noch beim Prognosis-Festival ganz in der Nähe gesehen. Trotzdem immer abwechslungsreich, da auch hier wieder eine via Audience-Voting demokratisch zusammengestellte Setlist zugrundelag. Die erfreuliche Wiederbegegnung brachte mit u.a. ‘Out of Here’, ‘At The Bottom’, ‘Running Low’, ‘Castaway Angels’…
Oder – als Rausschmeißer – ‘The Sky is Red’. Wieder mal ein exzellenter Gig der Norweger. Aber das Allerschönste war und blieb der Anblick des ausrastenden Publikums.
Bewertung: 12/15 (FF 12, IF 15, KR 12)
Gesamtwertung Bewertung Bands: 9,5/15 (FF 9,5; KR 9,5)
Bewertung Venue/Preise/Orga 10/15 (FF 10; KR 10)
Gesamtbewertung Festival: 10/15 (FF 10; KR 10)
PS: Mark your calendars – die fünfte MSP-Ausgabe geht vom 23. bis 24.06.2023 über die traumschöne Bühne in Valkenburg. Erscheinen oder weinen.
MPS-PROs:- Aus NRW komfortabel erreichbar.
- Valkenburg ist ein hübsches Städtchen.
- Eine der schönsten uns bekannten Bühnen, wie eine Mini-Loreley, nur mitten im Wald.
- Das steil ansteigende Amphitheater garantiert sogar zwergwüchsigen Menschen (I’m lookin’ @ you, Gina) vorzügliche Sicht.
- Bislang bei allen Festival-Editionen immer verlässlich guter Sound.
- Prima Getränkeauswahl.
- Uhrwerkhafte Organisation, auf die vorher kommunizierten stage times kann man sich blind verlassen.
MPS-CONs:
- Die Band-Auswahl scheint von Jahr zu Jahr tendenziell eher “konservativer” als experimenteller zu werden.
- Die Währung vor Ort besteht wie gesagt aus Plastikmünzen bzw. Chips. Soweit, so gut. Allerdings wird nicht zurückgetauscht!
- Das bestraft u.a. gesellige Menschen, die sich großzügig bevorraten, um Kumpel, denen man im Getümmel vielleicht noch begegnet (vielleicht aber auch nicht), bei Gelegenheit mal ein Getränk ausgeben zu können.
- Das Plastik-Geld sämtlicher Vorjahre – z. B. der Autor hat davon noch reichlich, von jedem Festival-Jahr – wird nicht mehr akzeptiert. Warum eigentlich nicht? Das ist doch Schikane und Beutelschneiderei.
- Sehr überschaubares Angebot an vegetarischen Speisen. Und das wurde nicht lustiger dadurch, dass die Fritteuse ständig die Sicherung rausgehauen hat. Sodass es – jedenfalls immer, wenn meinereiner sich angestellt hat – keine Frietjes gab. Und das auf einem niederländischen Event!
Stellungnahme von Rob, einem der beiden Veranstalter: “Das Problem war, dass wir einen sehr guten Caterer hatten. Der teilte uns drei Wochen vor dem Festival mit, dass er nicht kommen könnte. Wir hatten also großes Glück, diesen Ersatz überhaupt noch zu finden. Er hat immer kleine Partys veranstaltet. Für ihn war es das erste Mal, dass er für ein Festival mit 900 Menschen kochen musste.”) - Es war etwas zu voll. Schlangen allüberall. Und Positionsveränderungen auf dem wie gesagt enorm steilen Gelände wurden dadurch nicht angenehmer, dass sich auch auf allen Durchgängen Menschen stauten.
- Kein Fotograben – das ist ja OK. Aber der Bereich direkt vor der Bühne durfte nicht betreten werden, vermutlich, weil dort einige Video-Kameras platziert waren. Und die ersten Reihen vor der Bühne waren und blieben für wen auch immer reserviert – und leer. Das machte es nicht ganz trivial, überhaupt mal mit Close-ups zum Schuss zu kommen.
Stellungnahme von Rob: “Unser Problem war, dass wir beim letzten Mal eine Menge Beschwerden über die Fotografen bekommen haben. Einige sagten: “Es sah aus wie ein Fotografenfest”. Vor allem, weil die ständig vor der Bühne saßen und liefen. Mehrere Leute fanden das ärgerlich. Da Leprous auch so etwas wie eine Barriere wollte, haben wir beschlossen, die erste Reihe zu opfern.
Nächstes Jahr werden wir die Dinge anders angehen.”
Live-Fotos: flohfish, Inga Fischer
Randszenen-Fotos: Klaus Reckert
Surftipps zum Festival:
Homepage MSP Festival
Facebook MSP Festival
MSP-Veranstalter Ingo Dassen, Lesoir und Booker Muziekgieterij, Maastricht
MSP-Veranstalter Rob Palmen, Glassville Music
Venue (Wikipedia)
Festivalbericht 2019, Ed. 3
Festivalbericht 2018, Ed. 2
Festivalbericht 2017, Ed. 1
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Konzertbericht RPWL (Yogi Lang & Band), 2019, Bonn
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