black midi – Hellfire
(38:58, Vinyl, CD, Digital, Rough Trade Records, 2022)
Das überaus eifrige und in bestimmten Kreisen auch als “The Mars Volta auf Speed” bekannte Trio aus London, präsentiert mit “Hellfire” bereits sein drittes Studioalbum, nachdem vor gar nicht mal so langer Zeit (2019) ihr überaus bemerkenswertes Debüt “Schlagenheim” das Licht der Welt erblickte und mit “Cavalcade” zwei Jahre später eine fulminante Fortsetzung folgte.
In nur sechs Monaten bastelte die Band um Geordie Greep mit “Hellfire” nun erneut eine wahnwitzige Mischung aus The Mars Volta, King Crimson, Talking Heads und allen Bands, die bei Charlie Heidenreich auf der berühmten Freakshow-Bühne gestanden haben (außer Magma natürlich). Apropos Bühne: Die Live-Qualitäten der Band bleiben auch auf unseren Seiten nicht unerwähnt. Überall, wo black midi auftreten, hinterlassen sie zerstörte Inneneinrichtungen (metaphorisch gesprochen!), anerkennend nickende Jazzer, beeindruckte Progger und verwirrte Begleitpersonen von Proggern, die “aus Mitleid einfach mal mitgegangen sind”.
Auffällig harmonisch klingt “Hellfire” diesmal, auch wenn es nach dem Opener schon wieder recht flott zur Sache geht. Greep klingt wie ein Prediger und kündigt hektisch “a hearing loss”, “a ringing noise”, “a headache” an, was eigentlich schon eine sehr gute Beschreibung dafür ist, was in den nächsten 38 Minuten noch folgend wird. Denn auch die erste (Vorab-)Single ‘Sugar/Tzu’ lässt ob ihrer Hochgeschwindigkeitsrhythmussektion, den zahrtbezahnten Unterkiefer eines jeden Technikfanatikers dezent Richtung Erdkern wandern.
Die zweite, ebenfalls bereits bekannte Single ‘Welcome To Hell’, eine epische Talking-Heads-artige Nummer vom Allerfeinsten, beschäftigt sich thematisch wie lyrisch mit den ausschweifenden Exzessen eines Soldaten (hat er auf der Stube vielleicht zuviel black midi gehört?) und seiner darauf folgenden unehrenhaften Entlassung aus dem Dienst. Unmittelbar im Anschluss legen die Wahnsinnigen mit ‘Still’ eine regelrechte Vollbremsung hin und wechseln in eine Art Smooth Jazz-Modus, bei dem fast schon VDGG-Nuancen mitschweben.
Im großen Ganzen gibt es auf dem Album merklich weniger Noise Rock, weniger Avant Rock, weniger Aggression. Stattdessen könnte man zu den oben bereits genannten Einflüssen ohne weiteres noch Neil Diamond oder Jeff Buckley hinzunehmen. Jedenfalls lässt der Gesang diese Vergleiche aufkeimen, hört man z.B. ‘The Defence’ oder das expressive ‘The Race Is About To Beginn’. Die Wandlungsfähigkeit der Band ist beeindruckend, weil sie es schafft, im Fluss zu bleiben. Nichts wirkt zusammengewürfelt, alles macht Sinn.
Mit dieser Abwechslung, der Dynamik und einem handwerklich schier unbegreiflichen Talent sorgen die drei London Boys für immensen Spaß. Der Rezensent saß zuweilen mit einem lauten “Wohoohoow!” vor dem Abspielgerät. So gibt es nach dem Rausschmeißer ’27 Questions’ eigentlich keine Fragen mehr. Es wurde alles gesagt. “So thank you for listening. Good night, good night, good night!”
Bewertung: 13/15 Punkten (FF 13, MBü 13)
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Konzertbericht: 05.05.22, Köln, Gebäude 9
Abbildungen: Alle Abbildungen wurden uns freundlicherweise von Beggars Group zur Verfügung gestellt.