The Gathering – Beautiful Distortion

The Gathering - Beautiful Distortion (Psychonaut Records , 14.04.22)
Credit: Stefan Sloot – Studio Captain

(48:17; CD- & Vinyl-Box-Set, Vinyl, CD, Digital; Psychonaut Records (Eigenverlag), 2022)
The Gathering haben irgendwann den Stellenwert verloren, den sie sich in den 90er Jahren mit ihrem Crossover aus Doom, Gothic und Progressive Metal erspielt hatten und an dem vor allem die so wuchtige wie charismatische Stimme von Anneke van Giersbergen erheblichen Anteil hatte. Viele Beaobachter der Band machten diese Veränderung dan auch am Weggang Annekes fest und schoben der Nachfolgerin Silje Wergeland den Schwarzen Peter zu. Doch der Abstieg der Formation um die Gebrüder Hans und René Rutten war ein schleichender gewesen und Hand in Hand mit den steten musikalischen Veränderungen gegangen, die mit “How To Measure A Planet?” eingeläutet worden waren. Galt das 1998er Doppelalbum mit seinem progressiven Ansatz und dem stilistischen Bruch gegenüber seinem Vorgänger “Nighttime Birds” (1997) unter Fans und kritikern noch als Meisterwerk, konnten die Experimente und Richtungswechsel der folgenden Jahre nicht mehr jeden erreichen. Annekes Weggang im Jahre 2007 war da nicht viel mehr als ein weiterer Bruch, der zwar sehr emotional wahrgenommen wurde, aber stilistisch kaum noch in die Waagschale fiel.

Zehn Jahre sind nun vergangen, seit dem experimentellen Alternative Rocker names “Disclosure”, dem bisher letzten Studio-Album der Gruppe aus Oss in Nordbrabant. Zehn Jahre, in den bei den Niederländern wenig passiert ist, abgesehen von ein paaar Auftritten in Süd-Europa und auf wenigen Festivals. Bis auf die Feierlichkeiten zum 25-jährigen Bandjubläum sowie die 2019 erfolgte Tour zum 30. Geburtstag. Auftritte, die The Gathering vielleicht dazu genutzt haben, sich auf ihre vergangenheit und alten stärken zu besinnen.

Nicht dass “Beautiful Distortions” nun eine 180-Grad-Kehre hin zum Sound der 90er Jahre wäre. Doch das Album spannt endlich wieder den Bogen zurück in die Band-Vergangenheit. Zwar nicht zu den ganz alten “Always…”-Tagen oder zum ’95er Klassiker “Mandylion”. Aber immerhin zum grandiosen, experimentellen Trip Prog des eingangs erwähnten “How To Measure A Planet?”. Eine Entwicklung, auf die die Rückkehr von Bassist und gründungsmitglied Hugo Prinsen Geerligs Einfluss gehabt haben dürfte und die sich auch im Artwork des Albums wiederspiegelt. Denn ausgehend von dem, was hier zu sehen ist, könnte man glatt annehmen, dass es genau jener Planet ist, den man vor fast einem Vierteljahrhundert vermessen hat. Und auch das gothisch-metallische Erbe des Quintetts tritt auf “Beautiful Distortion” wieder etwas mehr in Erscheinung. Zwar nur als ein leiser Schatten, der über einigen Passagen liegt, jedoch als Schatten, der endlich wieder wahrnehmbar ist. Nichtsdestotrotz ist “Beautiful Distortions” viel weniger Stilbruch, als es damals “How To Measure A Planet?” gewesen ist, denn die Indie-Pop-Momente der Nuller Jahre sind auch weiterhin ein fester Bestandteil von The Gathering.

Doch was die Niederländer für viele in die Belanglosigkeit stürzen ließ, funktioniert durch die Liaison mit den progressiven Ansätzen der End-90er endlich. So ist ein Werk entstanden, dass durch seine Ambivalenz aus melancholischer Gelassenheit, experimentellem Anspruch sowie leichten Flash-Backs aus der Anfangsphase auch alte Fans ein Stück weit versöhnen könnte. Es markiert zwar noch immer nicht den Schritt zurück nach ganz oben, dafür fehlt dem Album dann doch etwas zu sehr der Biss. Doch eins muss man feststellen: The Gathering sind zurück und könnten wieder von Interesse für Menschen sein, die ihnen Anfang des Milleniums den Rücken gekehrt haben.
Bewertung: 11/15 Punkten

Beautiful Distortion by The Gathering

Besetzung:
Frank Boeijen (keyboards, hammond, rhodes, wurlitzer & grand piano)
Hugo Prinsen Geerligs (bass guitars, electric guitars, keyboards, grand piano & percussion)
René Rutten (electric and acoustic guitars, keyboards & percussion)
Hans Rutten (drums & percussion)
Silje Wergeland (vocals)

Diskografie (Studioalben):
“Always…” (1992)
“Almost A Dance” (1993)
“Mandylion” (1995)
“Nighttime Birds” (1997)
“How to Measure a Planet?” (1998)
“if_then_else” (2000)
“Souvenirs” (2003)
“Home” (2006)
“The West Pole” (2009)
“Disclosure” (2012)
“Beautiful Distortion” (2022)

Surftipps zu The Gathering:
Homepage
Facebook
VKontakte
Instagram
Twitter
Bandcamp
Soundcloud
YouTube Music
YouTube
Spotify
Apple Music
Amazon Music
Deezer
Tidal
Qobuz
Shazam
Last.fm
Discogs
MusicBrainz
ArtistInfo
Prog Archives
Metal Archives
Wikipedia
Rezension: “TG25: Live At Doornroosje” (2015)
Rezension: “Disclosure” (2012)
Rezension: “The West Pole” (2009)
Rezension: “A Noise Severe”
Rezension: “Home” (2006)
Rezension: “Accessories – Rarities & B Sides” (2005)
Rezension: “Sleepy Buildings – A Semi Acoustic Evening “
Interview: “Excerpts from an interview with Frank Boeijen” (2003)
Rezension: “Souvenirs” (2003)
Rezension: “Black Light District” (EP) (2002)
Rezension: “if_then_else” (2000)
Rezension: “Superheat: A Live Album” (1999)
Rezension: “How To Measure A Planet?” (1998)
Rezension: “Nighttime Birds” (1997)
Rezension: “Mandylion” (1995)

Abbildungen: Alle Abbildungen wurden uns freundlicherweise von Brooke-Lynne Promotion zur Verfügung gestellt.