(50:15; Vinyl, CD, Digital; Napalm Records, 2022)
Nach gerade mal einem Jahr huschen die schwedischen progressive Melodic-Power-Metaller von Evergrey wieder in die Veröffentlichungslisten der Presse. Anscheinend, und wie soll es auch anders sein, gab es da wohl im letzten Jahr eine verpflichtende Pause, die Zeit für das Schreiben von neuem Stoff für ein weiteres Album frei machte.
Das immergraue Quintett aus Göteborg spinnt seinen stilistischen Faden, der sich nun schon durch dreizehn Alben zieht, auf “A Heartless Portrait (The Orphean Testament)” fleißig weiter. Denn was sich schon seit 24 Jahren bewährt hat, wird ja wohl auch weiterhin funktionieren. Ob der ein oder andere aufgrund einer leichten Evergrey-Müdigkeit sich etwas mehr Fortbewegung im Stil gewünscht hätte, sei dahin gestellt. Denn es werden sich bestimmt einige Fans über neues Futter der Schweden freuen. Und bisher lieferten die Jungs in der Regel nur Gutes ab.
Auf dem neuen Werk der Band um Mastermind Tom S. Englund wird erneut eine Klasse an den Tag gelegt, die auf ihrem Gebiet wohl ihresgleichen sucht. Der Mix aus symphonischem Bombast, dem aus dem Power Metal herrührenden rhythmischen Riffing, der Tiefgründigkeit von Gothic- und Dark Metal, dem fetten Sound, aber auch der überdurchschnittliche Gesang machen Evergreys “A Heartless Portrait” zu einem Vorbild für gekonntes Songwriting mit Komponenten aus verschiedenen Metal Genres.
Ja aber…. Stimmt genau, das können viele! Aber ohne dabei in peinliche Power-Metal Kitsch-ness zu rutschen, das eben nicht. Schweden scheint ein guter Nährboden für melodischen und schnell wirksamen Metal zu sein, wenn man seinen Blick mal beispielweise Richtung Ghost richten mag. Denn auch Evergrey mischen eine eingängige, aber nicht peinliche Poppigkeit ihrer Musik bei, was hervorragend funktioniert. Und in diesem Fall sogar noch um eine Schippe mehr als beim Vorgänger “Escape of the Phoenix”. Fast unverschämt ziehen die Schweden alle Register, um einen mit ihrer catchiness und ihren überwältigenden Melodien in ihr Fanlager zu locken.
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Die Produktion von “A Heartless Portrait” ist sowas von fett, dass man hier nicht nur eine, sondern gleich eine doppelte Schicht feinste schwedische Butter aufgetragen hat. Die Gitarren positionieren sich im Mix relativ gut neben der voluminösen und wuchtigen Rhythmusgruppe. Und das Wort Wucht könnte man als zusätzliches Stilmittel durchaus unterstreichen.
Gothic-artige Soundscapes und Synthies brechen die an manchen Stellen aufkommende Simplizität der Songs und bescheren ihnen eine gewisse Abwechslung.
Englunds Gesang führt die Band mit stolzgeschwellter Brust an und prägt das Bild von Evergrey mit seiner herzerwärmenden Vokalisierung und der weiten stimmlichen Bandbreite. Besonders seine stimmliche Gewandtheit schafft diese hohe Emotionalität der Songs.
Mit ‘Save Us’ starten Evergrey auf die Sekunde ohne großes Intro. Der Song macht einen sofort hellhörig für das Album. Und spätestens mit ‘Ominous’ und dessen wunderbaren Solo-Intermezzo haben sie sich zum Teapot der Woche nominiert. ‘The Orphean Testament’ und ‘Blindfolded’ versprühen im Übrigen ordentlich Metalcore-Vibes.
Trotz der vollen Packung an Emotionen wirkt hier nichts wirklich übertrieben schmalzig oder kitschig, denn das Quintett schafft es durch die leicht progressiven, vielseitigen Riffs und Rhythmen, ihr Material vom Kippen in den Mainstream-Graben abzuhalten. Das ist durchaus eine knappe Angelegenheit, wenn man so manchen Refrain betrachtet sowie die recht einfach gehaltenen Titel ‘Call of the Dark’ und ‘Heartless’ oder auch den balladesken Schlussstrich ‘Wildfires’. Evergrey wandeln auf einem schmalen Grat, können aber gekonnt immer wieder den Plumps vermeiden.
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Mit “A Heartless Portrait (The Orphane Testament)” bleiben Evergrey am Ball, verwandeln sich aber nicht in eine Kopie ihrer selbst. Nur in Nuancen unterscheidet es sich vom Vorgänger, ist aber tiefgründiger und hat nochmals an Emotionalität zugelegt. Auch in puncto Produktion und Sound scheinen Evergrey hier am Rädchen gedreht zu haben. Die ist nahezu vorbildlich.
Bewertung: 12/15 Punkten
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Tracklist:
1. ‘Save Us’
2. ‘Midwinter Calls’
3. ‘Ominous’
4. ‘Call Out the Dark’
5. ‘The Orphean Testament’
6. ‘Reawakening’
7. ‘The Great Unwashed’
8. ‘Heartless’
9. ‘Blindfolded’
10.’Wildfires’
Besetzung:
Tom S. Englund (vocals, guitars)
Henrik Danhage (guitars)
Rikard Zander (keys)
Jonas Ekdahl (drums)
Johan Niemann (bass)
Diskografie (Studioalben):
“The Dark Discovery” (1998)
“Solitude, Doninance, Tragedy (1999)
“In Search of Truth” (2001)
“Recreation Day” (2003)
“The Inner Circle” (2004)
“Monday Morning Apocalypse” (2006)
“Torn” (2008)
“Glorious Collision” (2011)
“Hymns for the Broken” (2014)
“The Storm Within” (2016)
“The Atlantic” (2019)
“Escape of the Phoenix” (2021)
“A Heartless Portrait (A Orphean Testament)” (2022)
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Konzertbericht Evergrey, Need, 27.09.17, Siegburg, Kubana
Rezension “Escape the Phoenix” (2021)
Rezension “The Storm Within” (2016)
Rezension “Monday Morning Apocalypse” (2006)
Rezension “A Night To Remember” (2005)
Rezension “The Inner Circle” (2004)
Festivalbericht ProgPower Europe 2003
Rezension “Recreation Day” (2003)
Rezension “In Search of Truth” (2001)
Abbildungen: Alle Abbildungen wurden uns freundlicherweise von Napalm Records zur Verfügung gestellt.