(1:10:00; Vinyl (2LP), CD, Tape, Digital; Relapse Records, 2022)
Wäre “Heavy Pendulum” bereits im Jahre 2003, als Nachfolger von “Jupiter” (2000) und anstelle von “Antenna” erschienen, dann könnten die US-Amerikaner aus Meuthen, Massachusetts heute zu den ganz Großen des Progressiven Alternative Metal gehören. Denn das aktuelle Album von Cave In besticht v.a. durch ein Charakteristikum, das “Antenna” so nicht vorweisen konnte: Authentizität.
Zwar gab es bei Stephen Brodsky und Co. stets den Drang nach musikalischer Veränderung, sonst hätte es die Entwicklung vom genreprägenden Debütalbum “Until Your Heart Stops”, als Metalcore wirklich noch die Fusion aus Metal und Hardcore bedeutete, hin zum spacig-psychedelischen Alternative Progressive Rock des epischen “Jupiter” so nie gegeben. Doch die stilistische Öffnung hin zum Eingängigen wie Hymnenhaften, den man mit dem Major-Debüt “Antenna” vollzog, war wohl eher den Bedürfnissen der Plattenfirma geschuldet als der eigenen Kreativität. Denn anders kann man rückblickend eine lupenreine Mainstream-Nummer wie das uninspirierte ‘Inspire’ kaum erklären. Gefeiert von der Presse, aber teils verschmäht von alten Fans, reichten auch Touren mit damals schon großen Bands wie den Foo Fighters oder Muse nicht aus, die eigentlich so hart verdienten Lorbeeren einzufahren. Cave In verloren ihren Major-Deal so schnell wie sie ihn gewonnen hatten und orientierten sich infolgedessen mit “Perfect Pitch Black” (2005) musikalisch wieder stärker an ihren Anfangstagen in der Core-Musik. Musikalisch noch immer genre-trotzend und endlich wieder authentisch, verloren Cavin In durch diesen Rückgriff in die eigene Vergangenheit ein Stück weit ihre visionäre Brillanz, die sie insbesondere mit “Antenna” bewiesen hatten. Ein gutes Album, dem aber einfach der Touch des Besonderen fehlte.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Und so war es dann auch kaum verwunderlich, dass sich die Formation ein Jahr später auflöste. 2009 folgte mit “Planets Of Old” eine Comeback-EP, die musikalisch nur noch wenig progressiv war und dem Hardcore so nahe stand, wie nur das Debütalbum oder noch ältere Split-Vinyls. Trotzdem hätten die Erwartungen an ein neues Cave-In-Album zu diesem Zeitpunkt kaum höher sein können, sodass das 2011er “White Silence” mit Spannung erwartet wurde. Ein neuer progressiver Meilenstein oder doch eher Hardcore im Stile von “Until Your Heart Stops”? Mit “White Silence” wollten Cave In wohl allen Erwartungen gerecht werden, so dass neben brachialem floydigem, wie ‘Heartbreaks, Erthquakes’ und der folkigen Akustik-Ballade ‘Reanimation’, auch Elemente aus Sludge und Black Metal in den Sound integriert wurden. Stile, die man von der Band bisher nicht gekannt hatte. Wild, roh und ungehobelt und nur an wenigen Stellen wirklich zugänglich. In dieser Hinsicht das komplette Gegenteil von “Antenna”. Es folgte ein weiterer Hiatus, der endlich vorüber zu sein schien, als im Dezember 2017 die Nachricht an die Öffentlichkeit drang, dass die Band wieder jammte und begonnen hatte, an einem neuen Studio-Album zu arbeiten. Wie dieses Album im Normalfall geklungen hätte, das wird wohl immer ein Geheimnis bleiben, denn vier Monate später, am 28. März 2018 verstarb Bassist und Sänger Caleb Scofield im Alter von nur knapp 40 Jahren bei einem Autounfall. Es folgten Benefiz-Konzerte zugunsten Scofields Familie und gemeinsame Auftritte mit alten Weggefährten wie Converge, um dem verstorbenen Kollegen die angemessene musikalische Ehre zu erweisen. Und im Jahre 2019 mit “Final Transmission” ein Album, das stark von Trauer und Emotionen geprägt war und für welches hauptsächlich Demos der letzten Aufnahmen mit Caleb Scofield verarbeitet wurden. Ein bewegendes Album, aber nicht die Art von Comeback, die sich Cave In und Caleb Scofield gewünscht hatten.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Drei Jahre später ist viel Wasser den Merrimack River hinuntergeflossen, sodass Cave In mit “Heavy Pendulum” das erste echte Studioalbum seit einer Dekade veröffentlichen konnten. Ob es jemals einen wirklichen Ersatz für Caleb geben kann, bleibt fraglich, da er ein viel zu integraler Bestandteil der Band war. Doch zumindest für diese Aufnahmen konnte man Converges Nate Newton als Bassisten gewinnen.
Das Ergebnis ist jedenfalls mehr als erhaben und eines der stärksten Alben der Bandhistorie. Denn mit “Heavy Pendulum” ist eine 70-minütige Sammlung von 14 Stücken entstanden, bei welcher sich Härte und Zugänglichkeit die Waage halten. Stücke, die die Anfangstage der Band zitieren, ohne dabei in Extreme zu verfallen. Die zugänglich sind, ohne sich dabei dem Mainstream anzubiedern. Die ein progressives Wesen besitzen und sich trotzdem altbekannter Stile bedienen. Stücke, die Komplexität aufweisen, ohne dabei in Verkopftheit zu verfallen. Eine Platte, die tiefverwurzelt in den 90er Jahren ist und die Erinnerungen an den Grunge wieder aufleben lässt, die durch ihre zeitgemäße Produktion durch Kurt Ballou (Converge) den Blick aber stets nach vorne richtet. Ein Album, das trotz all seiner Diversität das homogenste und gleichzeitig das abwechslungsreichste seit “Jupiter” ist.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Und so klingen Cave In in einem Moment nach Layne Staley und Alice In Chains, in einem anderen nach James Hetfield und Metallica zu “Load“- und “Reload“-Zeiten. Pearl Jam und Soundgarden kommen einem in den Sinn, aber auch Pink Floyd und Led Zeppelin schimmern immer wieder durch. Ganz zu schweigen von Sludge-Bands wie Baroness und Mastodon sowie dem Psychedelic-Stoner Rock von Monster Magnet. Doch dies sind letztendlich nur stilistische Zitate, die Cave Ins Essenz aus Hardcore und progressivem Metal auffrischen und zu neuer Strahlkraft verhelfen.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
“Heavy Pendulum” ist von den ersten Takten des krachenden wie eingängigen Sludge’n’Grunge Hybriden ‘New Reality’ bis hin zur letzten Sekunde des krönenden, anfangs den Opethschen Akustik-Folk aufgreifenden Longtrack ‘Wavering Angels’, eine musikalische Reise durch vielerlei Genres mit diversen Überraschungen und ohne wirkliche Schwächen.
Caleb Scofield wäre stolz gewesen!
Bewertung: 14/15 Punkten (FF 14, MK 13)
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Standard. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Besetzung:
Steven Brodsky (vocals/guitar)
Adam McGrath (guitar/vocals)
John-Robert Conners (drums)
Nate Newton (bass/backing cocals)
Diskografie (Studioalben):
“Until Your Heart Stops” (1999)
“Jupiter” (2000)
“Antenna” (2003)
“Perfect Pitch Black” (2005)
“White Silence” (2011)
“Final Transmission” (2019)
“Heavy Pendulum” (2022)
Surftipps zu Cave In:
Facebook
Instagram
Twitter
MySpace
Bandcamp
Soundcloud
YouTube Music
YouTube
Spotify
Apple Music
Amazon Music
Deezer
Tidal
Qobuz
Shazam
last.fm
Discogs
MusicBrainz
ArtistInfo
Prog Archives
Wikipedia
Abbildungen: Alle Abbildungen wurden uns freundlicherweise von Petting Zoo Propaganda zur Verfügung gestellt.