(36:53, CD, digital, Eigenproduktion, 2022)
Die Bayreuther Formation Frequency Drift gehört sicherlich auf die Liste interessanter deutscher Prog-Bands, die sich schwerlich in eine Schublade packen lassen. Zumal sie sich von Album zu Album verändert haben. Nun also ein neues Lebenszeichen. Doch erneut nicht von der Band selbst, deren letztes Album „Letters to Maro“ 2018 erschien, sondern wieder ein Solo-Album eines Bandmitglieds. Zuletzt hatte noch Keyboarder und Mitbegründer Andreas Hack das viel beachtete, hier besprochene Solo-Werk “Of Lost Illusion” unter dem Namen Feeling of Presence veröffentlicht. Und nun also das zweite Album der Harfenistin Nerissa Schwarz. Sie tauchte 2010 auf dem zweiten Frequency-Drift-Album „Personal Effects (Part Two)“ zum ersten Mal als Gast auf, seit dem 2012er Album „…Laid to Rest“ wird sie als festes Bandmitglied geführt. Ihr Solo-Debüt ”Playground Lost” erschien 2016.
Damals noch im Alleingang eingespielt, erhielt sie hier nun tatkräftige Unterstützung ihres Bandkollegen Andreas Hack, der zusätzliche Tasten-Parts übernommen hat und auch für das Abmischen verantwortlich zeichnet. Den Rest übernimmt die Protagonistin selbst. Und das bedeutet natürlich alles rund um ihr Spezialgebiet, die Harfe. Und auch die meisten Tasteneinsätze stammen von ihr. Was hat man sich nun vorzustellen? Etwa eine Mischung aus Elektronischer Musik (Tasten) und Folkigem (Harfe)? Nein, Folk-Elemente sind hier nicht zu vernehmen, und überhaupt ist der herkömmliche Klang der Harfe kaum vordergründig zu vernehmen. „Electric Harp“ steht im Innencover, und das bedeutet, dass vermutlich ein viel höherer Anteil der hier gebotenen Elektronischen Musik nicht auf Synthesizer fußt, sondern auf eben dieser elektrischen Harfe, was für das ungeübte Ohr aber zunächst kaum erkennbar ist.
Bei elektronischer Musik ist für den Rezensenten das Kreieren einer gewissen Atmosphäre wichtig bei der Beantwortung der Frage, ob die Musik gefällt oder nicht. Und genau das gelingt der Bayreutherin grandios, denn das Album ist durchweg spannend und überzeugt durch atmosphärische Dichte und höchst interessante Arrangements. Die neun Songs sind kurz und knapp gehalten, der Titelsong ist mit 5:14 Spielzeit der Longtrack des Albums. Keine endlos erscheinende Wiederholungen also, sondern auf den Punkt gebrachte Kompositionen.
Ein Highlight des Albums ist beispielsweise das exakt fünfminütige ‚On Blackout Avenue‘ mit Klavier, düsteren Keyboardsounds (inkl. Cello) und feinstem Mellotron – und natürlich der obligatorischen Harfe, die hier auch deutlich zu identifizieren ist. Oder ‚Memories of Being Made‘ mit Marimba-ähnlichem Sound und ebenfalls sattem Mellotron – eine weitere sehr intensive Nummer. Und so verfliegt die (allerdings leider eh ziemlich kurze) Spielzeit im Nu. Also wieder zurück auf Anfang und noch einmal durchhören! Ein Album ohne jeglichen Durchhänger – spannend von der ersten bis zur letzten Sekunde.
Cinematic Instrumental Prog – das dürfte „New Eyes for Laika“ wohl am besten charakterisieren. Mehr davon, bitte!
Bewertung: 12/15 Punkten
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Abbildungen: Nerissa Schwarz