Meshuggah – Immutable

Meshuggah cover(69:05; Vinyl, MC, CD, Digital; Atomic Fire / Warner, 2022)
Nach sage und schreibe sechs Jahren sind die Innovatoren des technischen und experimentellen Extrem-Metals aka Djent, wieder zurück. Mit ihrem neuen Album “Immutable” legen die Schweden die Karten nochmal auf den Tisch und wollen daran erinnern, wer schließlich immer noch die Väter des momentan sehr florierenden Genres sind.

Wenn man damals, Anfang der 2000er, sich als Meshuggah-Fan outete, gehörte man automatisch zur Gilde der eher verrückteren und extremeren Gattung der Metalfans. Die Art von schrägen Typen, die so einen abgedrehten und total unrhythmischen Mix aus schnellem Gebolze hörten, wurden gerne mal belächelt. Man erntete schon ungläubige Blicke, wenn man sich in seinen Lieblings-Club einen Song von den Schweden beim DJ wünschte.

Meshuggah waren Garanten für gnadenlosen, technisch extremen Metal, der erstmal ganz für sich allein stand, konkurrenzlos war. Während sich zu dieser Zeit eine New-Metal-Band nach der anderen in den Charts feiern ließ, arbeiteten Meshuggah an einer ganz eigenen Musikrichtung, die es bis heute geschafft hat, sich fest zu etablieren.
Djent ist zuerst einmal nur ein onomatopoetisches Wort, was so viel heißt wie der in Worte gefasste Klang der Akkorde. Die typische Djent-Spielweise entstand aus den kreativen Adern der Gitarristen Fredrik Thordendal und Mårten Hagström und deren Verwendung von achtsaitigen Gitarren. Die sah man im Metalbereich damals nämlich zum ersten Mal. Und genauso wie die Verwendung von Polyrhythmen und verschachtelten Riffs wurde dies Markenzeichen der Band. Meshuggahs Sound ist geprägt von tief-gestimmtem, perkussiv gespieltem Riffing. Die Rhythmen sind teilweise sehr straff, direkt und abstrakt. Die Gitarren werden heftig betont und gehen durch das Mehr an verfügbaren tiefen Saiten bis in den Bassbereich. Das alles ergibt ein dickes fettes Soundgewand und hat eine sehr raue und ungestüme Wirkung. Stilistisch vereint werden Einflüsse aus Death Metal, Thrash Metal, Groove Metal und Hardcore.

“Immutable” schliesst im Groben an seinen Vorgänger “The Violent Sleep of Reason” an. Das Album bietet alles, für was Meshuggah geliebt und geliebkost werden. Zwar tendiert es auch etwas mehr in Richtung ihrer Anfänge, die mehr im Groove Metal liegen und vom Songaufbau eher konventionell sind. Aber dennoch erleben wir hier das oben genannte Riffing, die donnernden Gitarren, die Wall-Of-Sound und die gewohnte Aggression. Dazu kommt dann noch Jens Kidmans kehliges Shouting. Das sind Meshuggah wie man sie mag.

Schon das langsame und aufbäumende Intro ‘Broken Cog’ und das darauf folgende Statement ‘The Abysmal Eye’, lassen einen wunderbar ausdrucksstarken Metal spüren. Das klingt gut, ist vertraut und unverkennbar.

Spätestens nach den ersten fünf wirklich guten und überzeugenden Titeln merkt man aber auch, dass “Immutable” keinerlei Risiken eingeht. Keine Ausflüge in andere Genre und keine über den Tellerrand hinausschauenden Stilistiken, die etwas frischen Wind bringen könnten. Zwar hat man sich nach der halben Spielzeit auch mal für ruhigere Töne entschieden, wie beim Instrumental ‘They Move Below’. Dennoch sind Meshuggah mit ‘Kaleidoscope’ direkt wieder in ihrer Komfortzone und die sich zuerst andeutende Dynamik verpufft recht schnell. Selbst das Tempo der Songs hält sich im Durchschnitt auf einer Ebene.

‘The Fortress’ kann im letzten Albumdrittel noch mal durch seine doomige, schleppende und dröhnende Art eine Marke setzen und überzeugt mit seiner grandiosen bitteren Atmosphäre. Das Outro ‘Past Tense’ als reines akustisches Instrumental hinterlässt mit seinen fast sechs Minuten ein Fragezeichen beim Hörer, denn hier passiert nicht sonderlich viel.

Letztendlich hätte man “Immutable” um einige Titel leichter machen können, um so die Straffheit zu fördern, denn die volle Soundpracht ist überwältigend und wahrlich keine leichte Kost. Das kann den Hörer bei über einer Stunde schnell überfordern.
Die Produktion des Albums ist durchaus gelungen und der sehr gute Sound gibt der Durchschlagskraft der Songs nochmal ordentlich Rückenwind.
 Letztendlich haben Meshuggah das geliefert, was man von ihnen hören möchte und wofür die Band seit 31 Jahren steht. Zwar sind auf “Immutable” keine Innovationen mehr zu finden, aber auch so reicht ihnen erst mal keiner so schnell das Wasser.
Bewertung: 10/15 Punkte (FF 10, MK 10, KR 10)

Tracklist:
1. ‘Broken Cog’
2. ‘The Abysmal Eye’
3. ‘Light The Shortening Fuse ‘
4. ‘Phantoms’
5. ‘Ligature Marks’
6. ‘God He Sees In Mirrors’
7. ‘They Move Below’
8. ‘Kaleidoscope’
9. ‘Black Cathedral’
10. ‘I Am That Thirst’
11. ‘The Faultless’
12. ‘Armies Of The Preposterous’
13. ‘Past Tense’

Meshuggah band
credit AI Generated art

Besetzung:
Jens Kidman (Vocals)
Mårten Hagström (Guitars)
Dick Lövgren (Bass)
Fredrik Thordendal (Guitars)
Tomas Haake (Drums)

Diskografie (Studioalben):
“Contradictions Collapse” (1991)
“Destroy Erase Improve” (1995)
“Chaospere” (1998)
“Nothing” (2002)
“Catch Thirtythree” (2005)
“obZen” (2008)
“Koloss” (2012)
“The Violent Sleep of Reason” (2016)

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Abbildungen: Atomic Fire