Geisterstunde
Direkt vom Kurzurlaub in den Niederlanden zur Geisterbeschwörung nach Frankfurt. Der Tag des Konzerts hatte es in sich für den diensthabenden Betreuer. Zur vorverlegten Geisterstunde (Beginn war um 19 Uhr) galt es dem Konzert einer Band beizuwohnen, die mit dem aktuellen Album “Impera” weltweit in die vorderen Charts-Regionen vorstieß, hierzulande und nicht nur hier sogar auf Platz #1 der Album Charts. Das allerdings sollte nicht bedeuten, dass der Veranstaltungsort, die Festhalle Frankfurt, vor lauter Publikum aus allen Nähten zu platzen drohte. Nein, es war in den hinteren Reihen des Stehplatzbereichs – der bestuhlte Oberrang war gar nicht erst für das Publikum freigegeben – doch ordentlich luftig. Was einerseits schon schade war, andererseits aber den bezüglich Corona vorsichtigeren Besuchern eine Möglichkeit gab, ein Konzert zu erleben mit mindestens 1,5m Abstand zur Nebenfrau oder zum Nebenmann.
Twin Temple
Bevor allerdings die schwedischen Chartstürmer Ghost die Bühne erobern sollten, war es an zwei Vorbands, den Abend in der schmucken Festhalle zu eröffnen. Den Auftakt für exakt 30 Minuten machte die US Truppe Twin Temple, und .. ließ den Betreuer halbwegs ratlos zurück. Twin Temple, das sind vor allem Sängerin Alexandra James und Gitarrist (sowie Ehemann) Zachary James. Das Paar zelebriert satanischen Doo-Wop. Das klingt schräg, ist aber musikalisch recht belangloser Rockabilly.
Wobei die Musik bei Twin Temple fast schon in den Hintergrund geriet, denn die 30 Minuten beinhalteten: Beide betreten die Bühne. Sie hält einen Schädel in der Hand. Er hält ein Gefäß mit Weihwasser in der Hand. Er versprüht das Weihwasser in die vorderen Reihen. Sie präsentiert den Schädel. Beide halten ein Schwert in der Hand. Er hält eine Glocke. Er bimmelt an der Glocke. Sie liest aus der “Bibel” und sagt wiederholt “Hail Satan” und präsentiert die Metal Faust. Die Menge tut es ihr nach. Sie schnappt sich einen Strauß Rosen. Sie verteilt eine Rose in der linken Hälfte des Publikums. Sie verteilt eine Rose in der rechten Hälft des Publikums. Sie verteilt noch die eine oder andere Rose.
Kurz und gut: viel musiziert wurde nicht. Es waren halt nur 30 Minuten, und die ganzen bedächtig vorgegetragenen Rituale schluckten dann doch so einiges an Zeit. Wenn aber musiziert wurde, dann klang es halt nett und retro und versprühte so manchen 60s Flair, aber so richtig überzeugend war der ganze Auftritt nicht.
Uncle Acid And The Deadbeats
Uncle Acid And The Deadbeats machten es im Anschluss viel, viel besser. Präsentierten sich die Satanisten von Twin Temple im kräftigen roten Licht, verzichtete man beim zweiten Act des Abends weitestgehend auf Beleuchtung und ließ die Band bei düsterem Licht performen. Das Quartett, dessen Musik auf der deutschen Wikipedia Seite als Doom Metal bzw. Psychedelic Rock klassifiziert wird, überzeugte durch einen breitwandingen Gitarrensound, den der Betreuer primär mit Stoner Rock und erst nachrangig mit Psychedelic Rock in Verbindung bringt. Rund zehn Minuten länger als Twin Temple performten Uncle Acid And The Deadbeats und verabschiedeten sich schließlich zu ehrlich verdientem Applaus.
Bis schlussendlich Ghost auf die Sekunde pünktlich um 21 Uhr ihr Set eröffneten, gab es eine halbstündige Umbaupause. Die Bühne wurde durch einen großen von der Decke herabgelassen weißen Vorhang verdeckt. Und hinter diesem Vorhang wurde fleißig gewerkelt – immer wieder drangen Hammer- und Klopfgeräusche zum Publikum.
Ghost
Sei’s drum, um Punkt 21 Uhr verdunkelte sich die Festhalle und unter frenetischem Jubel wurde ‘Imperium’ vom Band eingespielt. Mit Ausklingen des kurzen Intros fiel der weiße Vorhang, der Blick auf den imposanten Bühnenbau und die schon auf Bühne stehenden namenlosen Ghouls wurde frei. Und die anonymen Musiker stiegen direktamente in ‘Kaisarion’ ein, dabei versammelten sich die (Bass) Gitarren spielenden Ghouls auf dem kleinen Steg, der die Bühne in der Mitte etwas in den Zuschauerraum hinein vergrößerte. Wenig später gesellte sich als letztes Puzzlesteinchen Obergeist Tobias Forge alias Papa Emeritus IV auf die Bühne und wurde ebenso frenetisch bejubelt.
Nunmehr komplett spulten die schwedischen Überflieger ihre Setlist mit vornehmlich neuem Material (14 der ingesamt 20 Songs stammen quasi gleich verteilt von den letzten drei Studioalben) sehr souverän ‘runter und scheuen sich auf dieser Tour auch nicht davor, größte Hits wie ‘Rats’ oder ‘From The Pinnacle To The Pit’ direkt am Anfang zu spielen. Entsprechende High Spirits gab es in der Frankfurter Festhalle gleich zu Beginn der Geisterstunde. Und da Bandkopf Tobias Forge aus der beeindruckend großen Zahl von potentiellen Hitsingles (‘He Is’, ‘Dance Macabre’, ‘Call Me Little Sunshine’, ‘Cirice’, ..) nun wirklich keinen Song ausließ, blieb die Stimmung im Publikum durchweg auf einem ausgezeichneten Level.
Die Band zeigte sich während der gesamten Show in bester Spiellaune. Immer wieder wechselten die Ghouls an den Saiteninstrumenten ihre Position, battleten sich teilweise in Gitarrenduellen, Sänger Tobias Forge nutzte selbst die gesamte Breite und Tiefe der Bühne, war hier und dort, einzig die Backgroundsängerinnen und der Drummer blieben an ihren angestammten Plätzen auf der Bühne.
Immer wieder suchte der Bandleader den Kontakt zum Publikum, allerdings kann man ein paar der Beiträge, die Tobias Forge in Frankfurt zum Besten gab, auch mit exakt gleicher Wortwahl bei aufgezeichneten Live-Videos zu dieser Tour auf YouTube finden. Spontanität ist nicht die größte Passion des Obergeistes. Nein, bei Ghost wird live nichts dem Zufall überlassen. Die ganze Show ist von A bis Z durchscriptet. Ist das schlimm? Vermutlich nicht, und bei der Größe, die Ghost mittlerweile haben, womöglich auch pragmatisch. Fakt ist jedoch: Wer Ghost einmal auf dieser Tour erlebt hat, der braucht sie dann auch kein zweites Mal auf eben dieser Tour.
Es sei denn, man steht auf eine bärenstarke Lichtshow. Denn diese Lichtshow, die bei den beiden Support Acts Twin Temple und Uncle Acid And The Deadbeats noch nicht so überzeugen sollte, wurde über die gesamte Spielzeit der Schweden zu einer Demonstration und war allein schon den Eintritt wert. So und nicht anders gehen Konzerte visuell. Hier passte wirklich alles. Und weil Licht allein noch nicht der Weisheit letzter Schluss sein sollte, wurde punktuell zusätzlich Feuer in die Höhe gespuckt. Und weil auch das noch nicht reichte, wurden gegen Ende mittels Konfettikanonen noch goldene Papierschnipsel in die Luft geschossen. Hallelujah!
Nach exakt 90 Minuten war das reguläre Set beendet. Durch einen kurzen Plausch mit dem Publikum ließ sich Tobias Forge überzeugen, weitere drei Songs als Zugabe zu präsentieren. Dann war aber wirklich Schluss. Was zum einen verständlich war, denn drei Stunden Live Musik sind mehr als OK. Allerdings hätte es wohl niemanden gestört, hätten die Geister noch ein paar weitere Songs zelebriert, denn die Show war eine rundum runde Sache. Ghost werden größer und größer, und das spiegelt sich auch in den Konzerten wieder. Beeindruckend!
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Fotos: Andrew Ilms