(101:37, CD/LP/Boxset/Digital, EMI/Universal, 1998/2022)
Brian Mays zweites Soloalbum “Another World” erschien 1998 ein wenig überraschend und ohne viel Vorankündigung. Sechs Jahre waren seit “Back To The Light” vergangen, und in den Augen der “normalen” Pop- und Rockfans ist das bekanntlich eine lange Zeit. Außer für seine eingefleischten Fans war bis dahin alles, was sich May als Solokünstler mit dem Debüt und den dazugehörigen Tourneen aufgebaut hatte, verpufft. Untätig war Brian in der Zeit freilich nicht gewesen: Queens “Made In Heaven” wurde in dieser Pause fertiggestellt, und immer mal wieder hatte er in Interviews ein Coveralbum angekündigt. Den Auslöser für die Fertigstellung des Albums lieferte dann aber ein erneuter Schicksalsschlag: Schlagzeuglegende und Brian-May-Band-Mitglied Cozy Powell starb April 1998 bei einem Autounfall, und Brian stellte die Aufnahmen zu “Another World” als Tribut an seinen Freund und Mitmusiker fertig. Das Album wird nun zum ersten Mal seit Erstveröffentlichung wiederaufgelegt und wie der Vorgänger auch um eine gut gefüllte Bonus-CD mit Extras aufgestockt.
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Dass “Another World” ein ähnlicher Gemischtwarenladen wurde wie “Back To The Light” sollte aufgrund der ähnlichen Entstehungsgeschichte niemanden verwundern. Ein paar Songs waren für das Coveralbum geplant gewesen, ein paar schon aus anderen Projekten bekannt und nur eine Handvoll davon waren speziell für das Album geschrieben. Die Brian May Band – Powell, Neil Murray (bs), Jamie Moses (gtr) und Spike Edney (keys) – spielte auf dem Groß der Stücke, aber auch eine Handvoll Gäste fanden sich ein, darunter Jeff Beck und Die-Hard-Queen-Fan Taylor Hawkins (R.I.P.). Anders als auf “Back To The Light” vermied Brian diesmal zum größten Teil die Anleihen an seine Ex-Band. Stattdessen gab’s eher klassischen Siebziger-Hardrock, ein paar rock’n’rollige Covers – und leider auch ein paar zuviel und vor allem zu kitschlastige Balladen, die May auch diesmal gesanglich ein wenig überforderten.
Mit dem Abstand der Jahre fällt das Urteil über “Another World” sowieso deutlich milder aus, und auch wenn die meisten obigen Kritikpunkte stehenbleiben, zeigt das Reissue des Albums doch, dass hier durchaus großes Potenzial steckte. Die Coversongs machen allesamt Spaß, und das durchgeknallte Gitarreninstrumental ‘Cyborg’ (mit Hawkins am Schlagzeug) klingt auch nach jeder Menge Laune. Die knackigen Rocker wie ‘Business’, die Jeff-Beck-Hommage ‘The Guv’nor’ (mit Gastauftritt vom Meister höchstselbst) oder Mott The Hooples ‘All The Way From Memphis’ treffen ebenso ins Schwarze, und so bleiben es tatsächlich nur die etwas platten Balladen, die das Album in der Bewertung nach unten ziehen. Dafür versammelt die Bonus-Disc noch eine ganze Reihe Single-B-Seiten, Demos und Outtakes. Darunter finden sich auch noch ein paar weitere coole Covers – ‘Hot Patootie’ aus der “Rocky Horror Show”, Buddy Hollys ‘Maybe Baby’ oder das mit Status Quo eingespielte Shadows-Instrumental ‘F.B.I.’, das dem einen oder anderen durch Mick Ronson und Ian Hunter bekannt sein dürfte. Die beiden Livetracks, die die kurzlebige Version der Brian May Band mit Steve Ferrone (Average White Band, Eric Clapton) an den Drums repräsentieren, zeigen allerdings hauptsächlich, dass Ferrone hier definitiv nicht hinpasste und gehen eher als Obskurität durch – es sei denn, jemand braucht unbedingt eine Neun-Minuten-Balladenfassung (!) von ‘Hammer To Fall’ in seinem Leben. Ganz generell wertet die Bonus-Disc das Set aber definitiv auf und läßt erahnen, wie das ursprünglich geplante Coveralbum hätte aussehen können.
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Kommerziell gesehen stellte “Another World” damals leider einen astreinen Flop und vermutlich auch deshalb Brians bislang letztes Soloalbum dar. Auch auf der Tour, bei der Kiss-Drummer Eric Singer Cozy Powell ersetzte, blieben die Hallen nicht selten eher mau gefüllt, und zum Ende der Tour bestand der Set aus mindestens ebensovielen Queen-Songs wie Solomaterial – selbst die “Back To The Light”-Hits ‘Driven By You’ und ‘Too Much Love Will Kill You’ gab’s nur mehr selten zu hören. Im Folgejahr begannen May und Roger Taylor mit den “Queen+”-Tributeprojekten, und Mays Solokarriere liegt bis heute auf Eis. Fans, die damals entweder nicht überzeugt waren oder – dank der schwachen Promotion – überhaupt nichts vom Release der Scheibe wußten, können jedenfalls mit der vorliegenden Gold-Ausgabe so ziemlich alles, was Brian in dieser Phase veröffentlichte, auf einmal abstauben – nur die obskure “Spider-Man”-EP von 1995 fehlt zur Vollständigkeit. So sieht ein feines Reissue aus – May-Fans sollten definitiv auch dann zuschlagen, wenn das Original schon im Schrank steht, und Neueinsteiger bekommen ein tolles Rundum-Glücklich-Paket geboten, ohne für ein gebrauchtes Exemplar Fantasiepreise ausgeben zu müssen.
Bewertung: keine (Re-Release)
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Abbildung: Brian May / Promo Team / EMI