Ueberschaer – Flow of Time

(71:26, CD, Digital, Sireena Records/Broken Silence, 2022)
Ueberschaer? Seltsamer Bandname, noch nie vorher gehört. Das werden vermutlich viele an dieser Stelle denken – so auch des Rezensenten erste Reaktion. Aber die Zeiten dürften bald vorbei sein, dass der Bandname ausschließlich Fragezeichen aufwirft, denn Ueberschaer wird sich in der Prog-Gemeinde sicherlich einige Fans erarbeiten können. Dies sollte angesichts der Qualität dieses Albums keine allzu steile These sein.

Zunächst Aufklärung zum Namen: dahinter steckt der Bremer Musiker Heiko Ueberschaer. Er hat bereits mehrere Minialben auf seiner Bandcamp-Seite zum Download angeboten, doch nun folgt das erste full time Konzeptalbum, das bei den Spezialisten für Vergriffenes, Rares und Unveröffentlichtes mit Qualität Sireena Records (Hamburg und Osterholz-Scharmbeck) erschienen ist. Sicherlich eine sehr gute Entscheidung von beiden Seiten!

Der Namensgeber agiert als Sänger und Keyboarder, hat aber auch breite Unterstützung teils prominenter Gastmusiker erhalten. Und so liest sich die Liste der beteiligten Musiker wie folgt:

Heiko Ueberschaer – vocals / synthesizers / samples / organ / piano / wind controller / string arrangement / choir arrangement / orchestra arrangement
Axel Köhnken – electric and acoustic guitars / bass guitar / piano
Lars Lehmann (u.a. Mau & Schnella, Flaming Row) – bass guitar
Adam Holzman (u.a. Miles Davis, Wayne Shorter, Michel Petrucciani, Marcus Miller, Robben Ford, Ray Manzarek, Steven und Ray Wilson, Trifecta, Beledo, Tiles, The Mute Gods, Jane Getter Premonition) – piano / Hammond organ / moog synthesizer / mellotron / Doepfer modular synthesizer / other synthesizers / fender Rhodes piano
Kristof Hinz – drums / percussion
Lennart Hinz (u.a. Rubber Tea) – Hammond organ
Rainald Menges – synthesizer solo
Martin Schnella (u.a. Mau & Schnella bzw. Gray Matters, Flaming Row, Seven Steps To The Green Door, Cyril, Stern Meissen, InVertigo, Issun, Project Patchwork, Dante) – acoustic guitar.

Der Auftaktsong ‘Heaven’s Gate’ ist in drei Abschnitte aufgeteilt und bringt es auf rund 17 Minuten Spielzeit. Hiermit hat er im Prinzip schon gewonnen – zumindest beim Schreiberling. Auch wenn man sich an den Gesang vielleicht zunächst erst gewöhnen muss. Anfangs schien es, als würde die Stimme besser zu Musik aus dem Canterbury-Bereich passen, doch hier geht es um knackigen Progressive Rock, der versehen ist mit einer erfreulich hohen Portion an feinen Melodien, stimmigen Gesangsarrangements und brillanten Instrumentalpassagen.

Erwähnter Longtrack bietet exzellenten Progressive Rock. Auch mal mit härteren Momenten, ohne dass man aber gleich von einem Prog-Metal-Album sprechen kann, ebenso aber auch versehen mit typischen Symphonic-Prog-Ingredienzen. Schon frühzeitig taucht ein Synthesizersolo auf, bei dem man zwangsläufig denkt „Aber das ist doch…?!“. Und richtig, ein typischer Holzman, wie man ihn schon oft auf den Steven Wilson-Alben gehört hat. Immer wieder hinterlässt er auf einigen Songs seine typischen Spuren und wertet damit das Album noch einmal auf. Eine wichtige Rolle bei der Entstehung dieses Albums spielt zudem Gitarrist Axel Köhnken, der nicht nur mit seiner Gitarrenarbeit überzeugt, sondern auch als Produzent ein wichtige Rolle spielte. Und natürlich sorgen auch Namen wie Martin Schnella und Lars Lehmann für entsprechende Qualität.

Eine sehr interessante Nummer ist beispielsweise das auf den Longtrack-Opener folgende fünfminütige ‚Togetherness‘ mit einer bemerkenswerten Bariton-Stimme. Die Nummer entwickelt sich förmlich zu einem Ohrwurm, die Textzeile ‚You Got Me Hypnotized‘ gilt im wahrsten Sinne – toller Song! Ebenfalls festzuhalten ist, dass der Protagonist sich nicht auf eine einzige Schiene festlegt, sondern durchaus auch mal Ausflüge in andere Bereiche wagt, denn neben dem peppigen Heavy Symphonic Prog sind ebenfalls jazzige Töne zu hören, während das abschließende ‚Me and You in the Rain‘ einen leicht bluesigen Touch aufweist. Es sollte auch nicht unerwähnt bleiben, dass der anonyme Mellotroniker hier ebenso auf seine Kosten kommt, denn das Mellotron findet auf vielen Songs Anwendung, wenn auch eher in dezenter Art und Weise.

Diese tolle Mischung aus Symphonic Prog, Heavy Prog, Fusion und Melodic Rock sollte ganz sicher so einige Anhänger finden! Schrammt nur deswegen knapp an der 12-Punkte Marke vorbei, da das Album gegen Ende – im Vergleich zum Rest – leicht (minimal) nachzulassen scheint. Wir sind schon sehr gespannt auf nachfolgende Ueberschaer-Veröffentlichungen.
Bewertung: 11/15 Punkten (JM 11, KR 11)

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Abbildungen: Ueberschaer