Samavayo – Pāyān

Abbildung: Kiryk Drewinski (Wedge)

(42:59, Vinyl/CD/Digital, Noisolution/Edel Distribution, 2022)
Über zwei Jahrzehnte schon gibt es die Berliner Band Samavayo, die mit dem vorliegenden “Pāyān” ihren siebten Langspieler veröffentlichen. Der Titel bezieht sich auf den Ort کیاوهٔ پائين (lateinische Umschrift: Gyāwa-i-Pāyān) in der afghanischen Provinz Kapisa im Osten des Landes. Der Ort erlangte im Jahr 2011 tragische Berühmtheit, als bei einem Luftangriff der NATO acht Zivilist*innen ums Leben kamen – davon sieben Kinder. In ebenjenem vom Krieg in tiefe Depression gestürzten Land beginnen Samavayo auch ihr Album, dessen erster Titel “Afghan Sky” sich mit dem terroristischen Regime der Taliban beschäftigt. Gitarrist und Sänger Behran Alavi, der selbst vor dem Fall des eisernen Vorhangs in Kabul lebte, thematisiert mit dem Stück die über Jahrzehnte andauernde Unterdrückung der Bevölkerung eines Landes, das so reich an kultureller Schönheit und Vielfalt ist.

Abbildung: Samavayo

Thematisch ist mit dem ersten Lied auch schon die Richtung angedeutet, die Samavayo auf “Pāyān” verfolgen: Es geht um die Abgründe und Tiefen menschlichen Handelns sowie um eine eschatologische Perspektive auf unsere Art und unseren Heimatplaneten. Einsamkeit und Isolation werden hier ebenso aufgegriffen wie Krieg und Gewalt, Ausgrenzung und Hass, sowie auch die Zerstörung des Planeten, auf dem wir leben. Wer Samavayo kennt, wird wissen, dass dies nicht mittels Funeral Doom oder vor Blut triefendem Metal umgesetzt wird. Ohne allzu tief in düstere Melancholie oder depressive Tonkunst abzutauchen, behandeln Samavayo die Statusanalyse unserer Erde auf energiegeladenem Stoner Rock und mitreißendem Alternative Rock und Grunge.

Abbildung: Samavayo

Ein Element, das dem Samavayo Sound auf “Pāyān” bisher neu ist, ist die starke Implementierung mittelöstlicher Skalen und Harmonien. Besonders in den Titeln ‘Prophecy’ und dem darauffolgenden ‘Talāgh’ sind diese Klänge sehr dominant. Bei Zweiterem handelt es sich übrigens um eine Coverversion, deren Original von der iranischen Musikerin Googoosh geschrieben wurde. Auch der Titeltrack des Albums wurde in persischer Sprache eingesungen; die Worte entstammen dem Gedicht ‘كرونا، روزهای تكرار’ (sinngemäß: ‘Corona, Tage voller Wiederholungen’) von Hossein Alavi.

Es steckt also viel Herzblut und Leidenschaft in der Konzeption und Umsetzung des Albums. Bei den Aufnahmen waren Stephan Voland (Schlagzeug, Percussions, Gesang), Behrang Alavi (Gitarre, Gesang), und Andreas Voland (Bass, Orgel, Gesang) dann auch nicht alleine. Unterstützung kam von Tommi Holappa (Dozer, Greenleaf – Gitarrensolo in ‘Shot, Shot, Shot, Shot’), Igor Sydorenko (Stoned Jesus – Gitarrensolo in ‘Pāyān’), Willi Paschen (Coogans Bluff – Gitarrensolo in ‘The Mission’), und Nick DiSalvo (Elder – Gitarrensolo in ‘Afghan Sky’).

Abbildung: Samavayo

Das siebte Album vom Berliner Trio geht gut ins Ohr und überzeugt durch seine abwechslungsreiche und betörende Klangwelt. Die musikalischen Höhepunkte liegen dieses Mal klar in den orientalischen Klängen, die sich wie ein farbenfroher Windhauch durch die sieben Stücke ziehen und mit unterschiedlicher Intensität das Geschehen bestimmen. Es ist ein solides und gleichermaßen berührendes wie auch starkes Album geworden, dem letzten Endes leider das gewisse Etwas fehlt, um es als exzeptionell oder herausragend zu bezeichnen. Dennoch werden Fans von Stoner und Grunge es keineswegs bereuen, hier zuzugreifen. Titel, die besonders im Ohr bleiben, sind der kräftige Opener ‘Afghan Sky’, das eschatologisch-psychedelische ‘Prohecy’ sowie die abschließende Alternative-Rock-Attacke ‘The Mission’.
Bewertung: 11/15 Punkten (RG 11, KR 11)

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