Ghost – Impera
(45:31; Vinyl, CD, Digital; Loma Vista, 2022)
Nach fast vier langen Jahren sind die Schweden von Ghost mit ihrem fünften Studioalbum zurück. Mit “Impera” veröffentlicht Mastermind und Frontmann Tobias Forge, zusammen mit seinen austauschbaren unbekannten “Nameless Ghouls“, ein weiteres nahezu bombastisches Album, das von schauspielerischer Theatralik geradezu trieft.
Auch diesmal nutzt Forge sämtliche Werkzeuge des 80er Hard Rock und Glam Metal und setzt seine Musik in einen künstlerischen Rahmen mit viel Stil und Mythos rund um seine Pop-Metal-Band Ghost.
Seine Kunstfigur Papa Emeritus erscheint erneut in seiner nun vierten Inkarnation. Zuvor war selbst die Identität des Frontmanns noch unbekannt, und die Legende um die fiktive Leitfigur gab der Band einen großen Schub auf der Erfolgsleiter. Bekannt dürfte sein, das Forge zu gerne seine Musiker austauscht und das Zepter über das kreative Schaffen gänzlich selber in der Hand hält. Doch muss man zu seiner Verteidigung sagen, dass er, in dem was er tut, alles andere als schlecht ist. Denn alles, was Ghost bisher veröffentlichten, war von höchster Qualität. 2016 gewannen sie einen Grammy für die beste Metal-Performance und wurden 2019 zwei weitere Male nominiert (Best Rock Song und Best Rock Album). Die Band trat nie auf der Stelle und veränderte sich musikalisch mit jedem Album, wie eben auch der Werdegang von Papa Emeritus IV.
Ghost liefern auf “Impera” wieder absolut tanzbare Rock-“Granaten”. Lediglich ein Hördurchgang genügt, um die eingängigen Hooks zu verinnerlichen und gar zum Mitsingen animiert zu werden. Forge ist ein Meister im Songwriting und aus all seinen Poren scheinen schier unzählige Melodien zu sprudeln. Somit ist es nicht verwunderlich, dass kein wirklich schwacher Song auf dem Album zu finden ist. Diesmal folgen die Songs einmal mehr einem Konzept. So wird hier die Gesellschaft textlich ordentlich in die Mangel genommen und von aufsteigenden und fallenden Imperien sowie selbst ernannten Gottheiten erzählt. Forge spielt seine Musik seit jeher alleine ein, holte sich auf “Impera” aber Hilfe von Opeth -Klampfer Fredrik Åkesson. Produziert wurde das Album von Klas Åhlund und Andy Wallace. Die Voraussetzungen waren also optimal.
“Impera” klingt um einiges unbeschwerter, stimmungsvoller und melodiöser als die vorhergehenden Werke. Im Gegensatz zu “Prequelle” wirkt das Album um einiges reifer und die Songs sind komplexer, abwechslungsreicher und weniger glatt. Von der einstigen dunklen Gothic-Stimmung ist nichts mehr zu finden, und man bekommt nun noch mehr Pop- und Dance-Rhythmen geliefert, zu denen man am liebsten wie die junge Dame in Flashdance tanzen möchte. Der Sound, die Riffs und der Signature-Gesang von Forge katapultieren einen in die pompösen 80er, mit all dem Glam-Rock, dem Pop-Kitsch und haufenweise Haarspray. Dennoch klingt alles immer noch absolut nach Ghost.
Eine kreative Verbindung zwischen dem Geist des Heavy Metal und dem Glanz der Pop-Musik. So kann selbst der härteste Metaller ganz ungeniert das Tanzbein schwingen, denn der Rockstempel steht ja schließlich oben drauf. Genau diese Mischung ist häufig Gegenstand für Diskussionen zwischen Fans der harten Gangart. Entweder man mag Ghost, oder man verabscheut sie. Das ganze Drumherum gehört nun mal zum Image der Band; sie polarisiert und glänzt.
Soundtechnisch ist “Impera” ein ganzes Stück besser als seine Vorgänger. Die Band klingt offener, Gitarren und Bass knackiger, die Drums mächtig und fett, und die Dynamik ist um einiges größer als noch auf “Prequelle”. Es wurde zum Beispiel häufiger mit Echo, Delay und Stereo-Effekten gearbeitet (z.B. die Drumrolls in ‘Respite On The Spitalfields’).
Aufgewärmt durch das Intro ‘Imperium’, gelangt man direkt in die allseits beliebte Ghost-Stimmung mit dem fast schon unverschämt fröhlichen ‘Kaisarion’. Papa Emeritus IV. eröffnet ganz im Stil von alten True-Metal Veteranen mit einem schillernden Sopran-Schrei, woraufhin ein groovender Bass und Van Halen übliche Gitarren einen energievoll und heiter durch den Song führen. Überaus poppig schließt sich ‘Spillway’ an. Die Harmonien haben absolutes Hit-Potenzial, ganz im Sinne von Survivor, Bon Jovi und Alice Cooper. Und wer meint er könnte jetzt noch still sitzen, der lügt oder ist einer der ganz harten, bitteren Sorte.
‘Call Me Little Sunshine’, als einer der Höhepunkte des Albums, lebt vom grandiosen Gesang des Tobias Forge und beinhaltet alles, was Ghost ausmachen. Ein dominanter Gitarrengroove, Pop-Vocals und eine simple, mitreißende Grundmelodie. Vorsicht, es besteht Ohrwurmgefahr!
Was uns dann bei ‘Hunters Moon’ erwartet, beweist die Genialität von Ghost, da hier nahezu perfekt Disco und Metal miteinander verschmolzen wurden. Das Produkt sucht verzweifelt nach Konkurrenz. 12 Points to Sweden!
Beim deutlich härteren ‘Watcher In The Sky’ dominieren zum ersten Mal ausschließlich die Gitarren, ganz herkömmlich, voll und ganz im Metal-Gewand. Natürlich fehlt auch hier nicht die passende Hook, und glücklicherweise bleibt die Band, trotz des ganzen Pops in der Trackliste, auch dem Metal treu. Eine kleine Prise Ozzy kann man hier durchaus vernehmen. Dynamik im Sound ist also vorhanden. Dass uns hier nun auch noch Bläser begegnen, das hätte man wohl nicht erwartet. Wie im überleitenden ‘Dominion’, das uns mit seinem Kirchenklang zum nächsten Höhepunkt ‘Twenties’ führt. Dieser beginnt zunächst mächtig mit tiefen Posaunen und wandelt sich mit seinem stampfenden harten Riffing in einen schwer treibenden Metalsong. Der schauspielerisch singende Forge kredenzt uns hier einen wahrlich genialen Text. Diese sind nämlich auf “Impera” ebenso gut wie die Musik selber. Etwas Wind aus den Segeln nimmt uns ‘Darkness At The Heart Of My Love’, das in die gleiche Kategorie fällt wie ‘He is’ vom Album “Meliora“. Eine Powerballade, die prädestiniert dafür ist, als Schunkelsong für die anstehende Tour zu fungieren. Man kann quasi schon die Feuerzeuge, ergo Handylampen, leuchten sehen. Gitarren im Mid-Tempo beim etwas blassen und energielosen ‘Griftwood’ treiben uns in Richtung des siebenminütigen Album-Rauschmeissers. Das überraschend wenig dick aufgetragene ‘Respite On The Spitalfields’ lässt das Album angenehm unaufgeregt ausklingen. Mit seichten Synthies und Streichern an Bord rundet es das Albumkonzept gut ab und setzt ein passendes Ende im Longtrack-Format.
Das sehr gute Songwriting, die ansteckenden Melodien, die Eingängigkeit und die häufigen Aha-Momenten auf “Impera” könnten Ghost erneut ein großes Stück mächtiger werden lassen. Denn sie besetzen mit ihrem Stil eine Nische im Metal, die fast konkurrenzlos ist. Das Image und die Story, die Forge rund um Ghost aufgebaut hat, unterstützt die sowieso schon originellen und kreativen Titel des Albums. Mit “Impera” toppen sich Ghost um ein Vielfaches und setzen verstärkt dort an, wo sie am besten sind. Mit spürbar viel Leidenschaft kreierten sie eine brillante Kreuzung aus Pop und Metal.
Well done!
Bewertung: 14/15 Punkten (MK 14, AI 14)
Tracklist:
1. ‘Imperium’
2. ‘Kaisarion’
3. ‘Spillways’
4. ‘Call Me Little Sunshine’
5. ‘Hunters Moon’
6. ‘Watcher In The Sky’
7. ‘Dominion’
8. ‘Twenties’
9. ‘Darkness At The Heart Of My Love ‘
10. ‘Griftwood’
11. ‘Bite Of Passage’
12. ‘Respite On The SpitalFields’
Besetzung:
Tobias Forge / Papa Emeritus IV. (Gesang)
A Nameless Ghoul (Gitarre)
A Nameless Ghoul (Gitarre)
A Nameless Ghoul (Bass)
A Nameless Ghoul (Keyboard)
A Nameless Ghoul (Schlagzeug)
Diskografie (Studioalben):
“Opus Eponymous” (2010)
“Infestissuman” (2013)
“Meliora” (2015)
“Prequelle” (2018)
“Impera” (2022)
Ghost live 2022:
19.04. Köln, Lanxess Arena
21.04. Leipzig, Quarterback Immobilien Arena
22.04. Frankfurt, Festhalle
11.05. Wien (AT), Stadthalle
13.05. Zürich (CH), Hallenstadion
15.05. Hannover, ZAG Arena
16.05. München, Olympiahalle
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Abbildungen: Alle Abbildungen wurden uns freundlicherweise von Head Of PR zur Verfügung gestellt.