cHoclat FRoG – Snapshot

cHoclat FRoG – Snapshot (Eigenveröffentlichung, 16.06.21)(58:05, Digital, CD, Eigenveröffentlichung, 2021)
Zwischen Nietzsche und Primus
Es hat mich schon immer gewundert, dass bisher keine deutschsprachige Publikation auf diese Band eingegangen ist. Und der Umstand, dass das Debüt “Snapshot” von cHoclat FRoG schon letztes Jahr erschienen ist, mindert die Relevanz überhaupt nicht. Denn gute Musik kann man immer und zu jeder Zeit vorstellen. cHoclat FRoG – was hat man sich bei der Namensfindung gedacht? Harry Potter? Hüpfende Schokolade würde ich sagen, denn Schokolade macht, wie wir alle wissen, glücklich, und Bewegung tut sowieso gut. 2017 in Bad Camberg von Tim und Rainer Ludwig gegründet, konnten sie im Juni 2021 endlich mit ihrem außergewöhnlichen Debütalbum aufwarten. Was erwartet den geneigten Hörer?
Gleich nach den ersten Sekunden von ‘Part I (Opposites)’ wird klar, dass man hier keinen Rock von der Stange erwarten kann. Stattdessen serviert die Band den Anfang ihres Elf-Gänge-Menüs handwerklich gekonnt mit einem punkig angehauchten Gitarrenriff als Garnierung. Dies geht über in eine Gesangsperformance von Sänger und Schlagzeuger Rainer Ludwig, die irgendwie an Les Claypool von Primus erinnert. Ein Markenzeichen, das sich positiv über das komplette Album erstreckt. Die Rhythmussektion glänzt schon mal durch die groovig-ausgefeilte Arbeit an der Schießbude und den Tiefton-Saiten, für die sich Tim Ludwig verantwortlich zeigt.
cHoclat FRoG – Snapshot (Eigenveröffentlichung, 16.06.21)
Hört man dem Schaffen der Band weiterhin aufmerksam zu, erinnern sie streckenweise an King Crimson (aus der “Red”-Ära). Immer wieder tauchen sie in surreale Sound- und Songkompositionen ein, die herrlich verstörend faszinieren. Diese Extravaganz können sich nicht viele Bands leisten, ohne dass der Skip- oder Ausschalter betätigt wird.
Mit engagierten Klangdissonanzen führen cHoclat FRoG ihre Chord-Progressionen oft in minimal arrangierte Nischen innerhalb eines Songs hinein, um später in Sachen Dynamik wieder Fahrt aufzunehmen.
Das Duo entpuppt sich auch als eine Ansammlung von Multiinstrumentalisten, denn Rainer Ludwig zeigt sich nicht nur für Gesang und Schlagzeug verantwortlich, sondern ebenfalls für die stets gut platzierten Keyboard-Sounds und Soli sowie für einige zusätzliche Gitarrenspuren. Tim Ludwig fällt hierbei allerdings die Hauptarbeit der Saiteninstrumente zu und diese überzeugt durch handwerkliches Können und eine stimmige Auswahl an Gitarrensounds.
Die Texte bedienen sich humoristisch und sarkastisch anmutenden Elementen, aber auch Zitaten von Friedrich Nietzsche, Jean-Paul Sartre, John Locke, Jean Sibelius und Luís de Camões. Daher ist es nicht verwunderlich, dass ab und zu mehrsprachig gesungen wird, teilweise sogar zur selben Zeit. So etwas habe ich bisher noch nicht gehört. Aber Texte innerhalb eines Songs in der Originalsprache des Zitierten hervorzuheben, zeugt von Originalität und Exzentrik, die voll und ganz zur Band-Philosophie passt. Ihr Longplayer erzählt eine komplett zusammenhängende Geschichte und kann auch ruhigen Gewissens als Konzeptalbum wahrgenommen werden.
Zugegeben, dieses Projekt ist so exzentrisch und eigenwillig, dass es oft in zwei Richtungen polarisiert – entweder man liebt oder hasst es. Fest steht, dass den Ludwig-Musikern eine künstlerisch impulsive Collage aus Sound, Komposition und Sprache gelungen ist, ohne dabei auf altbewährte Rezepte des Progressive Rock zurückzugreifen.
Man muss dieses Werk mit einem offenen Geist selbst erleben. Dann erkennt man auch die künstlerische Vision dieser außergewöhnlichen Band namens cHoclat FRoG.
Einziges Manko: Der Mastering-Kompressor scheint so heiß gefahren worden zu sein, dass es partiell immer wieder zu klippen anfängt. Anspieltipps: ‘Part IX (The drinker)’, ‘Part VII (Monsters – I need more bucks!)’, ‘Part XI (Where language ends music begins)’.
Bewertung: 12/15 Punkten

Besetzung:

Rainer Ludwig (Gesang, Schlagzeug & Perkussion, Keyboard, Gitarre, Flöte, Programmierung)
Tim Ludwig
(Bass, Gitarre, zusätzlicher Gesang bei Part III, Coverartwork)

Gastmusiker:
Christof Engel (Gitarrensolos bei Part II und Part IV)
Dietmar Appel (Gitarrensolo bei Part V)
Uwe Grunert (Gitarrensolo bei Part VII und Part VIII)
Floyd Anthony (Screamingvoice bei Part IV)
Monica Ludwig (Kid Voice bei Part X)

Surftipps zu cHoclat FRoG:
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Soundcloud

Abbildungen: cHoclat froG.