(86:31; 3 x Vinyl, 2 x CD, Digital; New West Records/ Bertus, 2022)
Selbst in der Musikwelt ist allerspätestens seit der Pandemie das Internet kein “Neuland” mehr.
Viele Künstler sahen und sehen sich aufgrund von Corona in ihrer Lebensgrundlage bedroht. Verkäufe von physischen Tonträgern sind schon lange nicht mehr die Haupteinnahmequelle für Bands, und von Streamingdiensten braucht man gar nicht erst anzufangen… Live-Auftritte sind also das A und O, um sich finanziell abzusichern oder zumindest über Wasser zu halten. Das wurde nun aber aufgrund der notwendigen Beschränkungen durch die Pandemie komplett auf Eis gelegt.
Auch die Psych-Stoner-Blues-Rocker von All Them Witches waren gezwungen, ihre Tour zum 2020 erschienenen Album “Nothing as the Ideal” zu canceln. Es musste schnellstens ein neues Konzept her, und so streamten sie eine Live-Session direkt aus dem Studio im Internet. Andere Kollegen wie The Pineapple Thief (“Nothing but the Truth”) oder The Ocean (“Phanerozoic Live“) stellten ähnliche Projekte auf die Beine.
Der Online -Gig der Amerikaner aus Nashville Tennessee erntete sehr positive Resonanzen, woraufhin die Fans darum baten, dass die Session offiziell veröffentlicht wird. Dem Wunsch kommen All Them Witches nun nach und “Live On The Internet” erscheint nun als dreifach Vinyl und auf Doppel-CD. Die Live-Session mit ihren 87 Minuten bietet einen wunderbaren Überblick über das Schaffen der Band, da die 3 Amerikaner ihre Setlist mit Songs von fast allen ihrer Alben ausgeglichen gefüllt haben. Ausnahme bleibt hier jedoch ihr Debütalbum “Our Mother Electricity“.
All Them Witches sind für ihre Performance auf der Bühne bekannt. Die Band improvisiert live sehr gerne und ihre Songs werden dann auch mal durch Jamming nach Lust und Laune um einige Minuten ausgedehnt.
Mit ihrem Genregrenzen übersteigenden Stil und ihren sich langsam entwickelnden, treibenden Songs erwecken sie bei ihren Live-Konzerten eine intensive Atmosphäre, ja eine fast hypnotische Stimmung. Und so wirkt auch “Live On The Internet” entspannt, erdig und bandtypisch transzendent. Der Sound ist nicht überproduziert, sondern eher grundsolide und einfach gehalten. Die angezerrt röhrende Gitarre von Ben McLeod und der schleppend dröhnende Bass unterfüttern den eigenständigen lakonischen Gesang von Bassist Charles Michael Parks Jr. Robby Staebler an den Drums klingt mächtig und dominant. Der Gesamtklang ist unten herum richtig fett, denn wenn es hier an etwas nicht mangelt, dann sind es Bässe und Tiefmitten. Und genau das passt perfekt zur Musik von All Them Witches. Der warme, bluesige Stil der Band profitiert hier von der limitierenden Studioumgebung. Er gewinnt an Bodenhaftung und rückt den Fokus mehr auf die Stimmung der Songs. ‘Rats In Ruin’ beispielsweise klingt viel tiefgreifender und voluminöser als im Original, denn das fette Klangkostüm von Schlagzeug und Bass schieben ihn ordentlich an. Zudem fehlen den Songs das Keyboard und die Soundscapes, was manchen Titeln sogar zu Gute kommt. Bis auf ein paar Gesangs-Effekte bringen All Them Witches hier lediglich ihre Instrumente aufs Tape.
Rundherum wirkt auf “Live On The Internet” alles sehr entspannt und gesetzt, und man könnte schon sagen, dass wir es hier mit einer herrlichen Wohnzimmer-Konzert-Romantik zutun haben. Mit fast luftiger Leichtigkeit hangeln sich All them Witches ganz unaufgeregt durch ihr Set. Die Band zelebriert sprichwörtlich ihre Musik, und das wirkt absolut ehrlich und überhaupt nicht aufgesetzt. Auf keiner Platte klangen All Them Witches bisher besser, was letztendlich für ihre enorme Klasse auf der Bühne spricht.
Bewertung: 12/15 Punkte
Tracklist:
1. Blood And Sand / Milk And Endless Waters
2. Dirt Preachers
3. Saturnine & Iron Jaw
4. 41
5. When God Comes Back
6. Alabaster
7. Diamond
8. 1×1
9. 3-5-7
10. The Marriage of Coyote Woman
11. Charles William
12. Rats In Ruin
13. Open Passageways
14. Enemy Of My Enemy
15. Everest
16. Bulls
Besetzung:
Charles Michael Parks Jr. (Bass, Vocals)
Ben McLeod (Gitarre)
Robby Staebler (Schlagzeug)
Diskografie (Studioalben):
“Our Mother Electricity” (2012)
“Lightning at the Door” (2013)
“Extra Pleasant” (EP 2013)
“Effervescent” (EP 2014)
“Dying Surfer Meets His Maker” (2015)
“Sleeping Through the War” (2017)
“ATW” (2018)
“Nothing as the Ideal” (2020)
Konzerttermine 2022:
06.10. Berlin – Huxley’s Neue Welt
07.10. Leipzig – Utkonnewitz e.V.
11.10. München – Backstage Werk
12.10. Frankfurt/M. – Batschkapp
13.10. Stuttgart – Im Wizemann
15.10. Langenthal, CH – Old Capitol
16.10. Zürich – Mascotte
25.10. Köln – Die Kantine
28.10. Hamburg – Uebel & Gefährlich
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Abbildungen: Alle Abbildungen wurden uns freundlicherweise von V2 Records Promotion Department GSA zur Verfügung gestellt.