(70:59, CD, digital, Eigenveröffentlichung/Just for Kicks, 2021)
Schlechtes Timing für unsere jährliche Best Of-Aufstellung, in der das am 26.11.2021 veröffentlichte Album für 2021 beim Autor sicherlich in die Top 10 gelangt wäre, wäre es denn rechtzeitig angekommen. So muss geschummelt werden und – als 2022er Album getarnt – im die Top 10 von 2022 aufgenommen werden. Die Qualität ist ausgesprochen hoch und es ist sehr wahrscheinlich, dass am Ende dieses Jahres das Album immer noch auf dem Radar ist und angesichts der Klasse auch kaum aus den vorderen Rängen zu verdrängen ist.
Bereits mit ihrem brillanten Debüt ”Tomorrow” wussten sie zu beeindrucken und setzten damit die Messlatte für das Nachfolgealbum ausgesprochen hoch. Dies liegt nun vor und schon der erste Hördurchgang macht deutlich, dass sie diese Latte nicht gerissen haben, sondern im Gegenteil sogar noch eine Schippe drauflegen konnten.
Der längste Track des Albums, das 17-minütige ‚Dark to Overcome‘ wird gleich an den Anfang gesetzt, womit ein deutliches Zeichen gesetzt wird, denn dieser ungemein abwechslungsreiche Song zeigt unmittelbar die ganze Bandbreite, die The Ancestry Program (kurz: TAP) zu bieten hat. Im Vergleich zum Debütalbum hat sich am verantwortlichen Personal kaum etwas geändert. Aus dem Quartett ist allerdings ein Quintett geworden, denn Frank Thumbach am Bass ist als festes Mitglied hinzugekommen, und so liest sich die Liste der beteiligten Musiker dann wie folgt:
Ben Knabe – lead vocals / backing vocals / lap steel guitar
Mani Gruber – lead electric and acoustic guitars / keyboards / backing vocals / engineering / mixing / mastering
Thomas Burlefinger – keyboards / guitars / vocals / kazoo / alto saxophone / engineering / mixing / mastering
Frank Thumbach – electric bass / acoustic bass / fretless bass
Andy Lind – drums / loop programming / keyboards / backing vocals / scream vox / engineering
Als Gäste:
Wolfgang Zenk – guitars
Axel Kühn – soprano saxophone / clarinet
Christina Elsner – cello
Veronika Halser – violin.
Zurück zum Opener, der sich perfekt als Anspieltipp eignet, da er mustergültig die Fähigkeiten der Münchner Band zeigt, verschiedene Facetten des Progressive Rock zusammenzuführen und zu einem stimmigen Song zu vereinen. Komplexe Arrangements, ohne gleich arg verkopft zu klingen, wuchtig und heavy, ohne gleich dem reinen Prog Metal zugeschrieben zu werden, beeindruckende Leistungen an ihren Instrumenten, ohne in sinnlose Akrobatiken abzuschweifen, und dazu noch ein wandlungsfähiger Sänger, der perfekt ins musikalische Gesamtbild passt. Der Rezensent kommt sogar mit den „Scream Vox“ klar, da die Dosierung passt. Auch der zweite Longtrack, das 13 ½-minütige ‚Carry On‘, ist eine typische TAP-Nummer. Es beginnt mit einem Synthesizerspiel, bei dem sofort klar wird, was jetzt im Anschluss kommen muss, nämlich messerscharfe Gitarrenriffs – kein Wunder, denn schon die ersten Sekunden erinnern stark an Rammstein. Doch TAP wären nicht TAP, wenn nicht schon kurz darauf ein Wechsel ins Neo-Proggige folgt, da klingt dann beispielsweise mal etwas Martigan durch. Das Album fällt an keiner Stelle ab, alle sieben Songs können überzeugen. Über 70 Minuten Spielzeit können bisweilen ja zum Bumerang werden, aber hier läuft man nicht Gefahr, Langeweile zu produzieren, dafür sorgen schon die unterschiedlichen Bereiche, in denen sie stilsicher unterwegs sind, sei es Prog Metal, Jazz Rock, Math Rock, Neo Prog, Symphonic Prog oder klassischer Prog, in dem beispielsweise auch mal Gentle Giant durchschimmert.
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Neben hoher Spielkunst und dem Abwechslungsreichtum punkten TAP auch durch starke Gesangsmelodien, die stellenweise beinahe Ohrwurmqualität besitzen. Eine exzellente Coveraufmachung im Digipack rundet ein bemerkenswertes Album gebührend ab. Toll, was da im Freibad Studio produziert wurde!
Und so liest man auch mit Begeisterung, dass der Albumtitel noch den kleinen Zusatz „Part I“ enthält. Da kommt also noch mehr! Recht so!!
Bewertung: 13/15 Punkten (WE 10, JM 13, KR 12)
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Abbildungen: The Ancestry Program