Lalu – Paint The Sky

Lalu – Paint The Sky (Frontiers Music Srl, 21.01.22)(1:03:19; CD, Digital; Frontiers Music Srl, 2022)
Der stark dehnbare Begriff Progressive Rock kann für einen Musikstil stehen, der voll und ganz an den Stilmitteln des 70er Jahre Prog Rock festhält, oder er kann ganz im progressiven Sinne eine frische, unangepasste Kreation beschreiben, die Altbewährtes mit fast schon konträren Mitteln mischt.
Die Band Lalu um den Mastermind und französischen Multi-Instrumentalisten Vivien Lalu hat hochkarätige Verstärkung für sein neues Werk “Paint The Sky”. Mit Jens Johansson (u.a. Dio, Ginger Baker, Jonas Hellborg, Tony MacAlpine, Yngwie Malmsteen, Stratovarious…), Jordan Rudess (Dream Theater) und Steve Walsh (Kansas) wird die Liste der Gastmusiker angeführt.
Lalus “Paint the Sky” ist ein Potpourri aus Progressive Rock, Progressive Metal der 80er Jahre und Einflüssen aus verschiedensten Ecken wie Jazz und Synthie Pop.

Der rote Faden durch das Album ist schwer zu halten. Jeder Song ist auf seine Art eigen. Die Gitarren spielen auf der einen Seite mit ihrer Härte im Bereich des Metals sowie im gediegeneren klassischen Rock-Spektrum. Die teils recht eingängigen Rocksongs werden durch progressive Keyboard-Parts gebrochen, und die Songs bekommen eine stilistische Wendung.

Hervorzuheben ist der perkussive und detailreiche Klang des Schlagzeugs, der in Teilen an Elektro-Drums erinnert und dem frühen Saga-Output schwer ähnelt. Der überaus selbstbewusste und vielseitige Gesang von Sänger Damian Wilson stellt sinnbildlich den Anker dar, der die Band hinsichtlich der häufigen Wandlungen zusammen hält.

Die Songs auf “Paint The Sky” bedienen sich großteils bei unterschiedlichen Richtungen bzw. Genres. Diese Differenzen machen das Album unglaublich abwechslungsreich und interessant. Bekommt man mit dem Opener ‘Reset To Preset’ progressiven Metal in Saga-Manier zu hören, startet ‘Wont Rest Until The Heat Of The Earth Burns The Soles Of Our Feet Down To The Bone’ mit Jon Anderson (Yes) ähnelndem Gesang. ‘Standing At The Gates Of Hell’ ist wiederum eine rhythmisch abwechslungsteiche Fusion-Jazz-Nummer mit stilistischem Seitenhieb in Richtung Gentle Giant.
‘Lost In Conversation’ nistet sich schnell als Ohrwurm ein und könnte sogar ins Radioprogramm passen.

Würde Damian Wilsons Gesang nicht als zuverlässiges Erkennungsmerkmal Lalus fungieren, könnte man meinen, man hörte mit jedem Track eine andere Band. Als Beispiel sei hier auch ‘Emotionalised’ genannt, das musikalisch und rhythmisch an Synthie Pop erinnert.

“Paint The Sky” wirkt trotz allem an keiner Stelle zu verspielt oder kitschig. Wo andere bekannte Künstler des gleichen Metiers (z.B. Neal Morse, Dream Theater) gerne den Bogen überschwänglicher Schönheit überspannen, spielen Lalu noch weit unterhalb der bonbonartigen Bombastschwelle. Die modalen Keyboardsalven und die Abstecher in bewährtes Prog-Terrain kommen immer wieder auf den Grundkonsens des Albums zurück. Grundsolider moderner Progressive Metal.

Musikalisch spielt sich hier niemand in den Vordergrund. Soli werden gut dosiert und unterstützen die Songs, anstatt sie zu dehnen. Das hochpotente Drum-Spiel von Jelly Cardarelli ist den Songs dienlich und belebend, und feuert einen Break nach dem anderen aus den Toms und Cymbals.

Der Hörer wird zu keiner Zeit überfordert. Selbst die knapp achtminütigen Titel ‘Paint The Sky’ und ‘The Chosen Ones’ überreizen die Aufmerksamkeitsfähigkeit ungeübter Rock-Ohren nicht.

Obwohl alle Beteiligten am Titelsong ‘Paint The Sky’ aus allen Poren und mit allen Mitteln den Prog feiern, stellt der vorgenannte – ‘The Chosen Ones’ – für den Autoren den Höhepunkt des Albums dar. Durch den eingängigen Refrain hat er höchstes Erinnerungspotenzial. Jordan Rudess und Simone Mularoni heben den Song durch ihr Mitwirken auf ein vielfach höheres Level. Gitarre und Keyboard spielen zusammen mit Wilsons Vocals eine nahezu perfekte Komposition. Vielleicht momentan einer der besten Progressive-Metal-Darbietungen, da Klassisches mit Modernem kombiniert wird.
Der Schwachpunkt des Albums ist wohl ‘Witness To The World’. Der Song ist sehr einfach gehalten und plätschert wenig inspirierend und seicht vor sich her.

Klanglich ist das Album in den höheren Frequenzen wunderbar aufgelöst. Die Akustikgitarre im Instrumental ‘Sweet Asylum’ glänzt mit ihrem detailreichen Klang. Der Titel leitet in das siebenminütige ‘We Are Strong’. Der Song versprüht eine heitere 80er-Jahre-Stimmung mit den Eigenschaften einer klassischen Rock-Ballade. Gebrochen wird diese Stimmung dann mit dem darauf folgenden Outro-Song ‘All Of The Lights’, welches durch den Multi-Instrumentalisten Vikram Shankar, der momentan mit Silent Skies sehr erfolgreich ist, mit seinen sphärischen Soundscapes das Album fast konträr zur restlichen Trackliste abschließt.

Die Produktion ist auf einem hohen Niveau. Der Bass ist moderat dosiert, während es an Details nicht mangelt.

Die experimentelle Zusammenstellung der Songs lässt einen das Album gerne erneut auflegen. Mit der Prophezeiung, das Album könnte zum Jahresende in den Top 10 der Prog-Alben des Jahres 2022 landen, könnte man gar nicht so falsch liegen.
Bewertung: 13/15 Punkten (MK 13, KR 12)

Tracklist:
1. ‘Reset To Preset’
2. ‘Won’t Rest Until The Heat Of The Earth Burns The Soles Of Our Feet Down To The Bone’
3. ‘Emotionalised’
4. ‘Paint The Sky’ (Feat. Steve Walsh)
5. ‘Witness To The World’
6. ‘Lost In Conversation’
7. ‘Standing At The Gates Of Hell’
8. ‘The Chosen Ones’
9. ‘Sweet Asylum’
10. ‘ We Are Strong’
11. ‘All Of The Lights’
12. ‘Paint The Sky’ (Feat. Simon Phillips)

Besetzung:
Damian WilsonGesang
Jelly Cardarelli – Schlagzeug
Joop WoltersGitarre, Bass
Vivien Lalu – Keyboard

Gastmusiker:
Jens Johansson (Stratovarious, Yngwie Malmsteen)
Steve Walsh (Kansas)
Jordan Rudess (Dream Theater)
Gary Wehrkamp (Shadow Gallery)
Marco Sfogli (James LaBrie, PFM)
Simone Mularoni (DGM)
Vikram Shankar (Silent Skies)
Alessandro Del Vecchio
Simon Phillips (Toto)

Diskografie (Studioalben):
Atomic Ark (2013)
Oniric Metal (2015)
Paint the Sky (2022)

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Abbildungen: Alle Abbildungen wurden uns freundlicherweise von cmm-online zur Verfügung gestellt.