Im Nachgang zu ihrem prächtigen Drittling The Ambiguity of Wisdom stellten sich die Verantwortlichen SCHLömer & AGthe völlig unerschrocken unserem Kreuzverhör.
Betreutes Proggen: Schl@gs „Werk“ und „Loch“ erschienen jeweils binnen Jahresfrist. „Ambiguity Of Wisdom“ brauchte sieben Jahre. Warum?
DS: Tja, wenn man das immer so genau wüsste. Es steckt kein Plan dahinter. Nach dem zweiten Album haben wir uns mit voller Kraft in die große Ornah-Mental-Werkschau gestürzt, das Doppel-Album „Remix & Outtake“ erschien dann 2016. Danach gab es definitiv eine Neuausrichtung, aber die betraf vor allem Ornah Mental. Neue Besetzung, neue Arbeitsmethoden usw. Aber schon 2017 entstand zum Beispiel der Titeltrack, bei dem sofort klar war, das ist der Opener für die nächste Schl@g! Na ja, dann kam Covid, und so hab ich mich erst im Frühjahr ’21 dazu aufraffen können, alles in einen Kontext zu setzten, zu mischen und – ein Album draus zu machen.
Das Titelstück beginnt ja mal so eben mit O-Tönen des slowenischen Philosophen Slavoj Zizek – inwieweit ist das neue Album gesellschaftskritisch – politisch gar?
DS: Ach herrje, die nächste komplizierte Frage! Ich würde sagen, ja, allerdings ohne konkrete Botschaft. Bzw. da ist dann doch die Musik selber wieder der Träger, die Lösung in sich selbst: (klopft einen Rhythmus auf den Schenkeln) out, demons, out!
War „Werk“ eher minimal und artrockig, glaubte man bei „Loch“ in den zehn Tracks zehn verschiedene Bands zu hören. „III“ geriet jetzt doch vergleichsweise heavy, teils beinahe doomig. Für was steht SCHL@G?
DS: Schwer zu sagen. Schl@g! steht für Befreiungsschlag, für unbegrenzte Freiräume, auch scheinbar Widersprüchliches. Diese Eigenschaften sind aber nicht an einen bestimmten Stil oder Sound gekoppelt. Es geht einfach um eine Haltung zu dem Material, das wir bearbeiten. Im Grunde ist alle Popmusik aus dem Vermischen von Stilen entstanden – das war schon bei den Beatles so. Heute erscheint das schwierig, weil schon so vieles probiert & kombiniert wurde. Aber gerade deshalb muss man sich dem Zwang zum Schubladisieren entziehen! Wir gehen jedenfalls so naiv als möglich an jeden neuen Titel ran und – das ist mir in dem Zusammenhang sehr wichtig – ich bin unheimlich zufrieden mit diesem Album, nicht ständig „Aahh, das hätte ich anders machen können“ etc. Ist ein tolles Gefühl!
Wie ist „Freedom And Peace Of Mind“ in diesem Konzept zu verstehen? Da sich dieser Track dann doch ein wenig vom Gesamtkonzept des Albums abhebt.
DS: Das stimmt. Es ist ein Moment des Durchatmens auf einer spannenden, aber anstrengenden Reise. Ein wehmütiges Erinnern an unbekümmerte Momente. Aber es wäre kein Schl@g! – Song, wenn es nicht auch mit einem Augenzwinkern diese Woodstock-Athmo beschwören und konkret zitieren würde.
Dreh- und Angelpunkte sind hier die Statements der Philosophen Žižek im Titeltrack sowie Alan Watts in „America Is Dying…“. Wächst hier zusammen, was zusammen gehört? Nämlich Visionen, die fünfzig Jahre auseinanderliegen?
DS: Ich denke, es wäre etwas verwegen, Žižek und Watts inhaltlich zusammenlegen zu wollen. Der marxistische Philosoph Žižek hat natürlich die mystische Komponente nicht auf dem Schirm, aber die Härte seiner Kritik an der Schein-Logik des Spätkapitalismus ist jedenfalls ähnlich. Mir ging es um das Experiment, starke – vielleicht auch schwer zu konsumierende – Gedanken mit starken Rhythmen zusammenzubringen. Einerseits um die Ãœberlegungen zum Tanzen zu bringen, aber auch, um dem Hörer einen neuen Zugang zu diesen Gedanken zu ermöglichen. Es ist ein Experiment.
Leider wird durch die aktuelle Querdenkerei das mystische Wissen unheimlich in Verruf gebracht, auf einmal sind alle verdächtig.
Woher kommt dieses Mal die den Tracks innewohnende Wut, all dieser recht offensichtliche Zorn?
DS: Nun, wenn wir bei Alan Watts bleiben und uns klarmachen, dass seine Wut auf Amerika aus den 60/70ern stammt, dann hat man eine Ahnung, wie frustrierend es sein muss, so recht zu behalten. Auch wir haben, z.B. bei Ornah Mental konkret mit ´The Maya Incident‘ aber auch schon seit den 90ern mit Amygdala und Das Zeichen viele Warnungen und Prophezeiungen vertont, zugänglich gemacht und weiter verarbeitet. Weil wir es schon seit vielen Jahren wissen – z.B. die Klimakatastrophe: Ich habe keine wissenschaftliche Bestätigung gebraucht, um zu wissen, wie sehr die Natur unter dem menschlichen Wachstumszwang leidet! Ähnliches steht uns nun auf vielen Ebenen bevor- es wird eine rasante Transformation auf unendlich vielen Ebenen geben… leider wird durch die aktuelle Querdenkerei das mystische Wissen unheimlich in Verruf gebracht, auf einmal sind alle verdächtig. Auch dagegen lehnt sich Schl@g! III auf!
Sollte nicht in diesem Jahr eigentlich ein neues Album von deinem Hauptprojekt Ornah Mental erscheinen? SCHL@G! hatte, ehrlich gesagt, keiner so recht auf dem Schirm und kam entsprechend überraschend.
DS: Gut informierte Kreise hätten es ahnen können (lacht)! Nein, Du hast Recht, ich bin selber überrascht am Ende dieses Jahres. Ich hatte bei Deiner Eingangsfrage Ornah Mental ausgespart. Ja, wir haben seit etwa einem Jahr ein aktuelles Doppelalbum da liegen, das in den Jahren 2017 bis 2019 eingespielt wurde, da wir hier viel mit unserem neuen Keyboarder, Bernhard Wöstheinrich experimentiert und improvisiert haben. Da es aber eine Vinylausgabe geben soll und das im Moment ein Jahr Wartezeit bedeutet, haben wir Schl@g! vorgezogen. Gut so!
Wie kommt man auf solcherart irrwitzige Soundideen? Nehmt ihr etwa Drogen?
CA: Sowohl als auch!
Sind hier eventuelle Live-Aktivitäten geplant? Da einige Songs doch geradezu dafür prädestiniert wären?
CA: Ja, das wäre ekstatisch! Aber in dieser Phase der Pandemie eine Live-Band zu gründen, wäre so ziemlich das Dümmste, was man machen könnte.
DS: Falls es kurzfristig gut aussieht, werden wir Ornah Mental aktivieren, da gibt es bereits ein breites Live-Repertoire, und, wie eben angedroht, ein neues Album, also… nein, Schl@g! wird weiterhin ein Studio-Projekt bleiben.
Welcher Rhythmus soll in der nächsten Zeit für weitere SCHL@eGE beibehalten werden? Der Ein- oder Siebenjahresrhythmus?
DS: Sowohl als auch – nein, weder noch, ein Jahr ist wahrscheinlich zu kurz, aber sieben sind definitiv zu lang!
Surftipps zu Schl@g/Dirk Schlömer:
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Rezension “III” (2021)
Abbildungen: Schl@g / AmygdalaLand