(1:01:36; Vinyl (DoLP), CD, Digital; XXIM Records/Sony, 2022)
Gibt es eigentlich so etwas wie den Klang Islands?
Schwer zu sagen, doch zumindest “Rift”, dem aktuellen Werk von Hugar, kann man förmlich anhören, dass es von der Insel aus Eis und Feuer in mitten des Atlantischen Ozeans stammt. Es ist Musik, die stark von der rauen wie wunderschönen Natur der Insel geprägt ist und mit ihren sphärischen wie melancholischen Melodien eine ganz besondere Atmosphäre entstehen lässt. Vielleicht liegt es daran, dass Bergur Þórisson und Pétur Jónsson, die beiden Köpfe hinter Hugar, in der Vergangenheit bereits mit isländischen Größen wie Björk, Sigur Rós, Ólafur Arnalds und Jóhann Jóhannson gearbeitet haben. Allesamt Musiker, die die Wahrnehmung des Sounds isländischer Musik in der Öffentlichkeit bis heute definiert haben.
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“Rift” heißt so viel wie Riss, Graben, Spaltung, Zerwürfnis. Sowohl auf zwischenmenschlicher Ebene als auch tektonisch betrachtet. Ganz in diesem Sinne scheint “Rift” noch enger mit der Insel und ihren Naturgewalten verbunden zu sein, als Aufnahmen anderer isländischer Künstler. Wer einmal Þingvellir auf Island besucht hat, wird wissen, welche Kraft ein Ort ausstrahlen kann. Denn obwohl man es der Schönheit der Landschaft nicht auf Anhieb ansieht, kann man dort förmlich die Kräfte von Mutter Natur spüren, die über Jahr-Millionen hinweg Island haben entstehen lassen. Denn es ist genau hier, wo die amerikanische und die eurasische Platte auseinander triften.
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Mit “Rift” vertonen Hugar diese dramatischsten und bedeutenden Veränderungen, die jedoch so langsam ablaufen, dass ein Mensch sie nicht sehen kann, selbst wenn sie direkt vor seinen Augen stattfinden. Komprimiert auf gut 60 Minuten, geben Bergur Þórisson und Pétur Jónsson dem Hörer die Möglichkeit, diese Naturgewalten nachzuempfinden. Und doch fällt es einem bei diesen 16 Stücken zwischen Ambient, Electronica, Post Rock und Neoklassik schwer, diesen Prozess nachzuvollziehen. Denn auch “Rift” ist in seiner Natur so gewaltig, dass es wie in Zeitlupe an einem vorüberzieht. Die einzelnen Stücke scheinen sich anfangs kaum zu unterscheiden. Melodien benötigen lange Zeit, um sich zu entfalten und die Platte viele Minuten, um sich unbemerkt zu wandeln und aufzutürmen. Es ist Musik der leisen Tönen, aber auch von epischer Größe. Es ist die Vertonung der Ausdehnung der Zeit. Um dieser zu folgen, braucht es Geduld. Wer diese nicht hat, dem wird sich dieses Werk wohl kaum erschließen.
Bewertung: 10/15 Punkte
Tracklist:
1. ‘lost’ (4:38)
2. ‘fall’ (1:58)
3. ‘volt’ (6:01)
4. ‘IV’ (2:01)
5. ‘far’ (5:49)
6. ‘rest’ (2:54)
7. ‘mist’ (6:34)
8. ‘ai’ (3:02)
9. ‘solaris’ (4:00)
10. ‘keilir’ (3:22)
11. ‘XYZ’ (3:23)
12. ‘form’ (4:11)
13. ‘luna’ (2:33)
14. ‘ok’ (2:57)
15. ‘ævi’ (5:25)
16. ‘bless’ (2:48)
Besetzung:
Bergur Þórisson
Pétur Jónsson
Diskografie (Studioalben):
“Hugar” (2014)
“Varða” (2019)
“The Vasulka Effect – Music for the Motion Picture” (2020)
“Þjóðlög / Folk Songs (2021)”
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