(50:00, CD, LP, Digital, earMusic/Edel, 2021)
Das gemeine Coveralbum gilt generell als die letzte Zuflucht des kreativ ausgebrannten Künstlers. Von Bowies “Pin-Ups” über Dylans “American Songbook”-Trilogie bis zu Totos “Through The Looking Glass” und Helloweens “Metal Jukebox”: meist ist die Fanbase sich einig, dass das Coveralbum im Bodensatz des Backkataloges zuhause ist.
Im Fall Deep Purple klang die Idee erst einmal ganz vielversprechend. In ihrer Frühzeit hatte die Band schließlich eine ganze Reihe an ganz großen und originell arrangierten Coversongs zu bieten. ‘Paint It, Black’, ‘Hey Joe’, ‘Help!’, ‘Kentucky Woman’ und natürlich ‘Hush’ halfen der Mark-I-Version, ihren eigenen Sound zu finden, als die Eigenkompositionen diese Rolle noch nicht erfüllen konnten. Auch in den letzten Jahren gab’s immer mal wieder launig gejammte Covers wie ‘It’ll Be Me’ oder ‘Roadhouse Blues’ als Bonustracks zu begutachten. Und, nur um mal herzlich zu trollen, wer könnte Deep Purples Bearbeitungen von It’s A Beautiful Days ‘Bombay Calling’ und Warpigs ‘Rock Star’ vergessen?
Nun, Butter bei die Fische: “Turning To Crime” lässt derartige Höhepunkte leider entschieden vermissen. Hatte die Vorabsingle ‘7 And 7 Is’ (im Original von Love) noch überraschend hohen Spaßfaktor, klingt das Album im Gesamten erschreckend undringlich. Natürlich war klar, dass Deep Purple sich an ihren Jugendfaves aus den 1950ern und 1960ern orientieren würden. Eine derart vorhersehbare Auswahl war dann aber doch nicht zu erwarten. Schon wieder ‘White Room’, ‘Shapes Of Things’, ‘Oh Well’, ‘Let The Good Times Roll’, ‘Gimme Some Lovin’ und ‘Watching The River Flow’? Nun, ein gelungenes Cover sollte den Stücken generell zumindest einen eigenen Stempel aufdrücken, ja, im Idealfall der Komposition ganz neue Facetten abgewinnen. Mit Ausnahme der Soloparts allerdings liefert “Turning To Crime” aber völlig geradlinige Kopien ab, wie sie auch jede beliebige Classic-Rock-Coverband auf dem lokalen Stadtfest spielen würde. Und genau an diesem Punkt darf man von einer Band wie Deep Purple eben einfach mehr erwarten. “Mehr” gibt’s aber maximal, wenn ein Prä-Rock-Standard wie ‘The Battle Of New Orleans’ verwurstet wird – das liegt aber auch nur an der geringeren Vertrautheit mit den Originalen.
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Vielleicht wäre die Situation anders, wenn das Album nicht unter Lockdown-Bedingungen eingespielt worden wäre. Die Musiker standen für “Turning To Crime” nicht ein einziges Mal gemeinsam im Studio – somit kommt auch nie ein wirkliches Spaß- und Livefeeling auf. Und eben dieses launige Flair hat beispielsweise das ebenfalls von Bob Ezrin betreute, in Sachen Material ähnlich vorhersehbare, aber vielfach unterhaltsamere Hollywood-Vampires-Debütalbum oder Ian Gillans Sessions mit seinen Javelins zu durchaus ordentlichem Unterhaltungswert geführt. So kommt aber irgendwie kein Song richtig in die Gänge, nirgends rockt’s so richtig los – ja, selbst die Solopassagen bleiben erschreckend blass. Speziell Steve Morse agiert uncharakteristisch lustlos, dudelt einmal die Skalen ‘rauf und wieder ‘runter und setzt dabei keinerlei Akzente. Und für die – salopp ausgedrückt – lahmarschigen Versionen von Bob Segers ‘Lucifer’ (ein Song, der eigentlich mit jeder Faser seiner Existenz nach einem Deep-Purple-Cover schreit!) und Mitch Ryders ‘Jenny Take A Ride’-Medley sollten Deep Purple zukünftig in Detroit Einreiseverbot wegen Schändung von Stadtheiligtümern erteilt bekommen.
Die eingefleischten Deep-Purple-Fans werden das Album natürlich trotzdem lieben – und ja, more power to them, keine Frage – “hör’ doch, das Riff von ‘Dazed’n’Confused’! Und, dat Solo, voll der Jatz!”. Der durchschnittliche Rock’n’Roller, der noch Anderes als ausschließlich Deep Purple hört, hat aber mit wenigen Ausnahmen jeden Song schon in – mindestens! – drei, vier kraftvolleren und originelleren Versionen im Regal stehen, weshalb “Turning To Crime” leider in der Rangliste der Deep-Purple-Werke ganz weit unten landet.
Bewertung: 7/15 Punkte (WE 6, SG 7, KR 4)
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