(41:06, Download, CD, LP (2022), Eigenveröffentlichung, 2021)
Die Experimente mit Gesang von “Among Servants” (2018) sind verklungen. Und doch haben Colonel Petrov’s Good Judgement uns auch im Seuchenherbst 2021 noch einiges zu sagen und zu einigem auch Liedchen zu singen.
Den musikalischen Hintergrund dafür liefert immer noch (in den Worten von Gitarrist/Komponist/Produzent Sebastian Müller) ein folgendermaßen gespannter Bogen:
“vom Jazz über Prog Metal, Noise, No Wave bis hin zu polymetrischen Figuren, wie man sie in der klassischen Musik Südindiens findet”.
Klingt ja anstrengend. Muss man dessenthalben fremdeln, muss man gar Sorge tragen, davon hypomanisch zu werden? Ach iwo! Auch wenn sich beim ausschließlichen Symphonic- oder Neo-Prog-Hörer bei versehentlicher Einnahme von “Hypomaniac” vermutlich sämtliche Steven-Wilson-5:1-Remixes in der Sammlung spontan in Free-Jazz-Edits von Vater Abraham und die Schlümpfe verwandeln dürften. Und kein Arzt oder Apother schafft da mehr Rat.
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Doch davor müssen wir ja keine Angst haben, oder? Das Titelstück eröffnet den Reigen und erinnert in seinem zunächst noch einigermaßen kompakt erscheinenden, aber heftigem Riffing noch am ehesten an das, was “Moral Machine” dermaleinst (und bis heute) zu einer Lieblingsplatte des Rezensenten gemacht hatte. Doch der erste Eindruck täuscht, tonal löst sich der Boden schon ab den ersten Einwürfen von Leos Saxophon quasi unter dem Zuhörer auf. Und was sich hier rhythmisch allein schon in den ersten paar Minuten Schwindelerregendes tut, das mögen bitte Schlagwerker auszählen. Geil bleibt es allemal.
‘Black Swan’ beginnt mit geheimnisvollen Geräuschen und Leos hier unheilschwanger wie ein Nebelhorn klagendem Sax. Der mit knapp sieben Minuten längste Track des Albums bleibt auch zumindest vom Tempo her ruhig, in jeder anderen Hinsicht aber wird es von Sekunde zu Sekunde kribbliger und aufregender, speziell bei der Feedback-getriebenen Boden-Zu-Boden-Raketen-Attacke von Sebastians Gitarren-Solo.
‘Mating Season’, Paarungszeit also. In der CPGJ-Lesart bedeutet das u.a. einen ungemein anmachenden “Walking Bass” von Reza, den man mit Fug und Recht auch “Drunk Staggering Bass” nennen könnte. Erfreut bekommen wir über Einwürfe von Sax und Gitarre sowie das von Rafael vorgelegte accelerando mit, wie sich die Dinge fortpflanzungstechnisch durchaus positiv zu entwickeln scheinen – wie schön. Auch wenn das Ganze bestürzend abrupt und ohne jedes Nachspiel endet.
Na ja, vielleicht ist ja das folgende, ruhig und vergleichsweise beinahe sanft und melodisch bleibende ‘Pendulum’ genau dieses Nachspiel? Übrigens auch ein Anspieltipp für bislang Schüchtern-Halbentschlossene.
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Dann hätten wir da noch den besonders spannend betitelten und gitarristisch herausragenden ‘Violent Meditator’ (zu dessen konzeptionell/meditativen Hintergründen ich den Komponisten demnächst unbedingt nochmal befragen muss).
Oder die vielleicht heftigste Kopfverwüstungsmucke hier, ‘Oscillopsia’, dirigiert von einem hartem hinter dem Steg von Sebastians Gitarre erzeugten “Klink!”. Die bezeichnenderweise aber auch gleichzeitig die “süßeste” und merkbarste Melodielinie zumindest von Leos Beiträgen auf diesem Album birgt.
Ihr seht schon, das muss man sich unbedingt selber – und wirklich mehrfach – geben. Und vielleicht sogar ein wenig erarbeiten, um sich bei Interesse eine Meinung dazu zu bilden. Wir können Euch in diesem Fall – wie stets bei dieser Band – nur ermutigen!
Bewertung: 12/15 Punkten
PS der Band: “Vinyl will be available in 2022!”
Line-up:
Sebastian Müller: Guitar, Kompositionen, Produktion
Leonhard Huhn: Saxophone, Electronics
Reza Askari: Bass
Rafael Calmam: Drums, Co-Produktion
Surftipps zu CPGJ:
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Wikipedia (Sebastian Müller)
Festivalbericht 2021
Rezension “Among Servants” (2018)
Festivalbericht 2017
Konzertbericht 2016, Stadtgarten
Festivalbericht 2017
Rezension “Moral Machine” Teapot of the Week (2016)
Cover-Abbildung: CPGJ / Moral Machine
Live-Foto (2016): Tobias Berk