R.E.M. – New Adventures In Hi-Fi (Deluxe Edition)
(2:00:38, CD-Boxset, Vinyl, Digital, Concord, 1996/2021)
Mike Portnoy bezeichnete einst Radioheads “OK Computer” als das beste Prog-Album der 1990er. Darüber kann man fraglos diskutieren, der Einfluss dieses Albums auf unser Lieblings-Genre ist aber nicht wegzudiskutieren: weder Porcupine Tree noch Anathema noch die heutigen Marillion wären ohne die Vermischung von Prog-und Alternative-Elementen denkbar. Dabei war “OK Computer” natürlich keinesfalls das einzige Album, dass diesem Stilmix frönte: anspruchsvollere Britpop-Acts wie Mansun arbeiteten mit ganz ähnlichen Mitteln – und auch R.E.M. ließen dem Grunge-Versuch “Monster” eine Reihe experimenteller Artrock-Alben mit starkem Siebziger-Bezug folgen.
Das erste davon, “New Adventures In Hi-Fi”, wird nun als erweiterte Luxus-Edition veröffentlicht. Nun, natürlich enthält das Album auch in der Sonderausgabe keinen Symphonic Prog oder RPI-Einflüsse. Wie bei den meisten Alternative-Acts kommt der progressive Einfluss auch hier eher von den Prä-“Meddle”-Alben von Pink Floyd, The Moody Blues, The Velvet Underground, Brian Eno und ordentlich Sechziger-Psychedelia. So wechseln sich hauptsächlich atmosphärische Artrock-Großtaten wie der Opener ‘How The West Was Won And Where It Got Us’ oder das mit Patti Smith aufgenommene ‘E-Bow The Letter’ ab mit zupackenden, immer noch mit einem Bein im Grunge-Sound des Vorgänger-Albums stehenden Rockern wie ‘The Wake Up Bomb’, ‘Departure’ oder ‘So Fast, So Numb’. Dazwischen tummeln sich schrullige Seltsamkeiten wie das instrumentale ‘Zither’, Popsongs wie ‘Electrolite’ oder das siebeneinhalbminütige ‘Leave’, das den experimentellen Anspruch des Albums mit einer der großartigsten Gesangsmelodien verheiratet, die Michael Stipe jemals eingefallen ist.
Die Deluxe-Edition des Albums enttäuscht auf den ersten Blick sogar: keine Live-Konzerte, keine unveröffentlichten Outtakes, lediglich eine Sammlung von B-Seiten und, in der Super-Deluxe-Variante eine Blu-ray mit dem 2006er 5.1-Mix, einer Sammlung von Videoclips und Promofilmen, natürlich mit dem zu erwartenden Fotobuch. Da es zu “New Adventures In Hi-Fi” allerdings auch keine Tour gab und das Album nicht im Studio, sondern während diverser Soundchecks auf der “Monster”-Tour eingespielt wurde, dürfte es auch einfach außerhalb dieser B-Seiten nicht viel Material geben. Das spiegelt sich denn erfreulicherweise im Preis wieder: die große Box gibt’s nämlich schon für um die 40€ zu kaufen, die kleine Fassung ohne Blu-ray um die 20€. Heißt unterm Strich, die erste Enttäuschung wandelt sich aufgrund des fairen Preis-/Leistungsverhältnissses schnell in ein freudiges Nicken.
Nochmal ganz deutlich: nach ELP, Genesis oder Yes klingt hier – natürlich! – nichts. Wer aber Bands wie Anathema, Riverside, Tool, Steven Wilson, Radiohead und Co. goutiert, bekommt hier eines der wichtigsten und einflussreichsten Alben der besagten Artrock-Ausrichtung serviert. Übrigens: Radiohead nannten natürlich regelmäßig genau dieses Album als großen Einfluss auf ihr zukünftiges Schaffen – R.E.M. hingegen ließen sich von Radiohead, die auf der “Monster”-Tour den Supportact spielten, auch zum experimentierfreudigen Ton von “New Adventures In Hi-Fi” inspirieren. It’s only knock-and-know-all, but I like it…
Ohne Bewertung (Re-Release)
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