(38:50, CD (Digital folgt 11.11.21), Audioglobe, 2021)
Klassische Situation: Vor einer längeren Autofahrt wird das BAT(reuungs)Mobil ohne groß darüber nachzudenken mit einem Schwall vom guten ROZ 95 sowie von noch zu rezensierenden CDs betankt. Wobei bei Letzteren typischerweise weder der Blei- noch irgendein sonstiger Gehalt bislang feststeht. Auf der in Rede stehenden Tour gab es dann auch noch so richtig schmutziges Wetter mit
Sichtweiten wie mitten im Monsun. Also definitiv kein Umfeld, in dem Cover oder gar Booklets und Besetzungslisten studiert werden könnten bzw. dürften. Unzeremoniös und so schnell wie es denn eben geht, landete also ca. bei Kilometer 200, während ringsum alle Leidensgenossen – stark vermutlich Flüche murmelnd – ihre Nebelschlussleuchten einschalteten, eine neue CD im Player…
Innerer Monolog bzw. eigentlich eher Innerer Dialog:
“Man pfeift. Nun ja…
“WIE töffelig kann man eigentlich sein? Jetzt hast Du versehentlich eine Ennio-Morricone-CD mitgenommen, statt des ungehörten Krams!
JEDES MAL sag’ ich Dir, schau Dir die Klamotten vorher wenigstens kurz mal an! Aber auf mich hört ja wieder keiner”“Wart’ mal, das ist ja gar nicht »Once upon a time in the West«!”
Hm.
Eigentlich ganz schön…
(Auf der anderen Seite – vgl. Zappa, »Roxy & Elsewhere«): ‘I could do THAT'”Drei Takte später.
“Ach Du Sch…e, nein, könntest Du NICHT! Niemals.
Was zum H..er IST das denn nun?!?
Es ist “Arte Molto Fragile – Meneggiare Concurra”, wie sich nach der Ankunft erwies: zerbrechliche Kunst, vorsichtig zu behandeln. Und es ist das bereits dritte Album der erfolgreichen italienischen Photographin Elena Somaré, die sich im Nebenberuf als Kunstpfeiferin betätigt.
Für Prog-Fans interessant wird “Respiro” (dtsch: Atem) unter anderem durch die Tatsache, dass das etliche Cover-Versionen enthaltende Album in Kooperation mit dem schwedischen, in Italien lebenden Gitarristen Mats Hedberg (u.a. BFH, Vargton Project) entstand und genau deswegen auch mit einer teils recht proggigem Auswahl an Ausgangsmaterial und Gästeliste prunken kann, vgl. auch Line-up und Kurz-Interview mit Mats weiter unten.
Dann mal munter hinein ins Geschehen:
Der Aufmacher ‘Riverman’ ist zwar vom tragisch großen, unvergessenen Nick Drake, gewinnt aber in dieser appetitlichen Aufbereitung tatsächlich auch Spaghetti-Western-Qualitäten. Wer hätte das erwartet? Neben Elenas hier teils überraschend fröhlich wirkendem Tremolieren und dem von Mats Morgan(!) verliehenen positiv nach vorn marschierenden Groove fällt auch die E-Bow-Begleitung von Mats enorm positiv auf.
‘By This River’ von Brian Eno wird u.a. durch die paraguayanische Harfe von Lincoln Almada, auch Arrangeur dieses Stückes, zu etwas völlig, aber reizvoll anderem verzaubert.
Bleibt mir weg mit Lerche und Nachtigall, zumindest dem Rezensenten geht nichts über einen in der Abenddämmerung solierenden Amselbullen. Die Paul-McCartney-Komposition ‘Blackbird’ hingegen ist zwar einerseits ein gigantischer Wurf in seiner schlichten Schönheit. Aber auch – wofür der Komponist nichts kann – schon im Original monströs “überhört” und auch schändlich oft und nicht immer beglückend gecovert. Wenn man die uns hier beschäftigende Fassung gehört hat, fragt man sich, warum es überhaupt je nicht gepfoffene Versionen gegeben hat. These – dem hier von Paule verewigten schwarzschönen Federvieh gefällt vermutlich diese hier am besten, wenn überhaupt eine, die nicht von ihnen selbst stammt.
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Von der King-Crimson-Nummer ‘Moonchild’ kennt der Autor viele, viele KC- und noch einige überwiegend als recht gelungen erlebte (teils auch auf diesen Seiten gewürdigte) Coverversionen. Hier ist eine weitere gute, nicht zuletzt wegen einem der stärksten Gitarrenparts des Albums:
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Enya gehört da schon weit weniger zum Beuteschema, tatsächlich sagte dem Autor ‘Watermark’ erstmal gar nichts. Und er findet auch nach dem Nachholen nicht, dass da bislang allzu viel verpasst wurde. Die gepfiffene Fassung wirkt jedenfalls weit weniger weinerlich bzw. kitschig – so well done.
‘People Are Strange’ von The Doors erscheint zunächst als überraschende, entpuppt sich aber auch schnell als exzellente Wahl. Verschmitzt, vergnügt und elegant marschiert die Nummer ins Ziel, befeuert von den Klangfarben der Paraguay-Harfe und Mats‘ Banjolele.
Alles schön und gut, aber dann kommt ‘Sorry Seems To Be The Hardest Word’, Alter. Echt jetzt?
Ja, großartig, wenn eine derart eigenständige Interpretation eines Gassenhauers geboten wird. Tatsächlich dauert es geraume Zeit, bis das Original überhaupt erkannt wird.
Mit Bernhard Woestheinrich (sampler & soundscapes)!
Das pfiffige ‘Un Anno D’amore’ ist das einzige Stück mit Text-Gesang (und etwas Scat) auf diesem Album, der von der Jazz-Sängerin Ada Montellanico souverän beigesteuert wird.
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Der besonders lyrische und melodische ‘Troll’ wurde von Mats komponiert bzw. beschworen.
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‘House of the Rising Sun’ (eigentlich fehlt hier der bestimmte Artikel THE) hat man auch bis zum Steinerweichen gehört. Für meinereinen wäre daher diese Neuinterpreation noch am ehesten verzichtbar, sie entpuppt sich aber immer noch als gut hör- und wiederentdeckbar.
Die CD wird beschlossen von ‘Bathysphere’, einer Gemeinschaftskompositon von Somaré/Hedberg, die den Autor putzigerweise wieder zum einen an Western-Soundtracks und zum anderen just an den Gesang von David Eugene Edwards erinnert. Was aber ein Einzelschicksal sein mag.
Line-up:
Mats Hedberg – Arrangements, akustische und elektrische Gitarre, Banjo Ukulele
Morgan Ågren – Schlagzeug
Pat Mastelotto – Fußstampfen (!)
Bernhard Wöstheinrich – Sampler & Soundscapes
Lincoln Almada – Paraguay-Harfe
Gianluca Massetti – Keyboards
Fabrizio Sciannameo – Kontrabass, E-Bass
Ada Montellanico – Gesang (‘Un anno d’amore’)
Hoffentlich kein Einzelphänomen bleibt die Freude des Rezensenten an dieser originellen und sehr speziellen Veröffentlichung.
Bewertung: 12/15 Punkten
Nachgehakt bei Mats Hedberg:
How did you two get into contact?
Me and Elena met thanks to some mutual friends. I played a solo performance in her foto studio in rome (she is an excellent pro photographer too!) for an album release of a friend of Elena and an italian prog group – Balletto di Bronzo – and she liked what i did. So we started doing some small concerts in duo then in trio and quartet. Then we started choosing songs from the 60s together with Lincoln Almada (harpist and mentor), then i started doing the arrangements during covid. I used a lot of guitars and EBow to get an unusual sound on the album.
We wanted to have a completely different sound from Elenas two previous albums “Incanto” (napoletan songs) and “Aliento” (southamerican songs). So it was my job to differentiate the sound and that was quite a challenge – almost no percussions or drums and bass only on one track!!
There is also some electronics on four songs – made by Bernhard Wöstheinrich from Berlin (me and Bernhard did a concert together with Volker Lankow at Tom Hemps Berlin in 2017, as I had one night off from a tour in germany with american singer songwriter Elisabeth Cutler). The concert was completely improvised without rehearsals! We decided to do some things togetherafter this concert (in fact we recorded the whole concert at Tom Hemps and it turned out to be a live album), then we did one album as a duo, me and bernhard (both to be out in 2022).
By the way: Pete Townshend is also a big fan of Bernhard, he bought his complete album production on bandcamp, i.e. 74 albums!).
Fabrizio Sciannameo played bass on ‘People Are Strange’, we did a lot of concerts in the past in trio with BFH.
Is it really just a “Footstomp” we get from Pat Mastelotto on the album? When exactly on ‘Blackbird’?
Yes, Pat is doing the foot stomp (on left side in the mix with headphones) on blackbird from 0:57 – 1:49, from guitar solo then from 2:25-2:52. I never worked before with Pat and I wanted him to do something on the album very much! I’m a big fan of Mr mister and of course of King Crimson!
He’s really amazing! You have to be very careful with percussions, drums and piano in this context. For Elena‘s whistling it has to be someone very sensible to do the job! and not to invade to much on her frequencies!
The Booklet explicitly states “whistling through ENGL guitar amplifier” for ‘Riverman’.
Which microphone does Elena use? Any effects?
She used two different mikes, one is BigMic from Bologna and some Neumanns too.
Live Elena uses a Neumann KMS 104. For the album, we ran the whistle signal through the ENGL Savage 120 amp to get a distorted whistle sound on ‘Riverman’ in the end (answering the lead whistle). I would like to thank brainworx for the UA savage 120 Plug-in that sounds incredible and perfectly like the original ENGL amp. I’m an endorser, so I have two savage 120 amps!!
… and thanks to Greg Heet at EBow, Steve Tommasi at Essetipicks, Mario e Luca at Vignoni Handmade Pickups, ENGL Amps, Ernie Ball Strings, Manne Guitars, Ramirez Guitars, True Temperament Guitars, Radial DI, ACUS, the Rockslide, Roberto Barillari, Fabio Ferri, Germano Dantone – our publisher in Milano (EBow guitar & Elenas book “The art of whistling”).
As you did most of the arrangements and accompanying of Elena‘s impressive art – what is the “range” of her whistling in octaves? Did you have to do a lot of transposing?
Elena has a range of two octaves and there was only some transposing or at least thinking of Lincoln for the keys (tonalities) because the paraguyian harp is Diatonic which means it has the notes of the C Major scale C D E F G A B so we had to choose tonalities or keys with 1 or no flats or sharps like A minor or C or Dm or F Or G or E minor.
Want to know even more? Then head 2 info ät matshedberg dot net!
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Pintererest
Rezension “True Temperament” (2016)
Rezension “The Gate” 2003)
Abbildungen: Gaia Lazzaro, Elena Somaré