(1:18:40, Vinyl/CD/Digital, Sumerian Records, 2021)
Seit dem Aufstreben der Craftbeer-Szene hat es für so manchen Liebhaber des Gerstensaftes die ein oder andere Geschmacksexplosion gegeben. So trifft man nun immer wieder auf Biere, die mit einer derartigen Aromenvielfalt begeistern, dass sie einen im ersten Moment überwältigen. Doch schon nach wenigen Schlücken wird klar, dass dieses intensive sensorische Erlebnis auf Dauer zu viel des Guten ist, zu Lasten der Süffigkeit geht. Ein ganzes Glas oder gar mehr davon fließt nicht so einfach die Kehle herunter. Und so greift man früher oder später dann doch wieder zu seiner Flasche Pils.
Es ist ein Szenario, das genauso auf das aktuelle Werk von Between The Buried And Me übertragen werden kann. Denn so übermächtig die musikalische Vielfalt des Albums beim ersten Hören auch sein mag, so erdrückend dürfte es wohl auch auf einen großen Teil der potentiellen Hörerschaft wirken. Denn BTBAM kehren mit “Colors II” – wie der Name es schon vermuten lässt – zur Kompromisslosigkeit der 2007er Scheibe “Colors” zurück. Nicht, dass die US-Amerikaner jemals eine Band gewesen wären, die musikalische Abstriche gemacht hätte, doch spätestens mit dem 2015er Konzept-Album “Coma Ecliptic” hatte das Quintett aus Raleigh, North Carolina, eine Ausgewogenheit aus Death Metal, Progressive Metal und klassischem Progressive Rock gefunden, welche die Formation auch einer etwas breiteren Zuhörerschaft zugänglich machte.
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Drei Jahre später erschienen mit “Automata I” und “Automata II” im Abstand von einem halben Jahr zwei Teile eines Doppel-Albums, bei welchem Tommy Rogers (Gesang, Keyboards), Paul Waggoner (Gitarren, Gesang), Dustie Waring (Gitarren), Blake Richardson (Schlagzeug) und Dan Briggs (Bass, Keyboards) ihren Wahnsinn wieder etwas ungezügelter auslebten. Anfangs musste man sich fragen, warum die beiden Hälften dieses Opus Magnum zeitversetzt herausgebracht worden waren, doch spätestens mit dem im August 2021 erschienenen Nachfolgewerk “Colors II” wird klar, dass diese Veröffentlichungspolitik die richtige gewesen ist.
Vergleicht man nämlich “Colors II” mit seinem Vorgänger, so ist die aktuelle Scheibe mit ihrer knapp 80-minütigen Spielzeit nicht nur zehn Minuten länger als beide “Automata”-Teile zusammengenommen, sondern musikalisch auch um Weiten komplexer. Überlang, überwältigend und unberechenbar. Es ist eine Kombination, die vielleicht reizvoll klingen mag, jedoch überfordernd wirken kann.
Nicht falsch verstehen: “Colors II” macht Spaß! Alleine schon das Schaulaufen der Gastschlagzeuger Mike Portnoy (u.a. Neal Morse Band, Ex-Dream Theater), Navene Koperweis (Animals As Leaders) und Ken Schalk (Candiria) auf ‘Fix The Error’ lässt einen richtig hibbelig werden. Vor allem beeindruckt das Album aber aufgrund der vielen musikalischen Drehungen und Wendungen, die auf eine solch reibungslose Art und Weise vollzogen werden, dass man nicht einmal in Ansätzen nachvollziehen kann, wie man jetzt auf einmal von einer Death Metal-Sequenz in musikalische Welten im Stile von “The Secret Of Monke Island” gelangt ist (‘Never Seen / Future Shock’). Von den aus Blues, Post Rock, EDM, Synthie Pop und vielen anderen Genres entliehenen Passagen auf der Platte ganz zu schweigen.
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Doch so spannend diese Stilwechsel auch sein mögen, sie stellen auch das Problem des Albums dar, da kein einziges der zwölf Stücke stilistische Homogenität aufweist. So kommt es, dass harmonisch wirkende Passagen niemals ohne extremmetallischen Gegenpol auskommen. Denn auf “Colors II” zeigen Between The Buried And Me eine Härte wie schon lange nicht mehr. Auf der einen Seite erfreulich und spannend, andererseits aber auch anstrengend. Information Overload. Uns so wünscht man sich manchmal, dass die unterschiedlichen Abschnitte der einzelnen Songs einzeln anspielbar wären, da die zwölf Stücke zudem größtenteils durch Überlänge gekennzeichnet sind. Eine Unterteilung, die auch unter künstlerischen Aspekten nicht weiter schmerzhaft gewesen wäre, da sämtliche Lieder übergangslos ineinanderfließen. Wo welches Stück aufhört, kann nämlich nur mit Hilfe der Liedtexte ausgemacht werden. Oder, wenn eine der Vinyl-Seiten mitten im Song aufzuhören scheint.
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Aber irgendwie will man einzelne Passagen auf “Colors II” dann doch wieder nicht überspringen, da die einzelnen Teile so miteinander verwoben sind, dass sie als musikalische Einheit gesehen und gehört werden müssen. Womit wir dann wieder beim Kernproblem des Albums wären: zu viel, zu lang und gleichzeitig zu gut. Ein wahres musikalisches Dilemma.
Bewertung: 11/15 Punkte (FF 11, KR 12)
Tracklist:
1. ‘Monochrome’ (3:14)
2. ‘The Double Helix Of Extinction’ (6:16)
3. ‘Revolution In Limbo’ (9:12)
4. ‘Fix The Error’ (5:00)
5. ‘Never Seen / Future Shock’ (11:41)
6. ‘Stare Into The Abyss’ (3:53)
7. ‘Prehistory’ (3:07)
8. ‘Bad Habits ‘ (8:43)
9. ‘The Future Is Behind Us’ (5:22)
10. ‘Turbulent’ (5:56)
11. ‘Sfumato’ (1:09)
12. ‘Human Is Hell (Another One With Love)’ (15:07)
Besetzung:
Tommy Rogers (Gesang, Keyboards)
Paul Waggoner (Lead- und Rhythmusgitarre, Gesang, Begleitgesang)
Dustie Waring (Rhythmus- und Leadgitarre)
Blake Richardson (Schlagzeug)
Dan Briggs (Bass, Keyboards)
Gastmusiker:
Mike Portnoy (Schlagzeug Solo – Track 4)
Navene Koperweis (Schlagzeug Solo – Track 4)
Ken Schalk (Schlagzeug Solo – Track 4)
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Rezension: “Automata II” (2018)
Rezension: “Automata I” (2018)
Kozertbericht: Be Prog! My Friend 2016, 02.07.16, Barcelona (ES), Poble Espanyol
Rezension: “Coma Ecliptic” (2015)
Abbildungen: Alle Abbildungen wurden uns freundlicherweise von Kinda zur Verfügung gestellt.