(80:06, Download AAC 256kbps, Century Media Records, 2021)
Zehn Jahre nach der allerersten Albumveröffentlichung erschien nun das Nachfolgealbum “måsstaden under vatten” (Schwedisch für “Stadt der Möwen unter Wasser”) der Schweden Vildhjarta. Wobei sich bereits der Name auf den Album-Titel des Debüts von 2011 zurück bezieht, das “måsstaden” hiess.
Vildhjarta haben damals wie heute eine Komplexität in die Musik gebracht, die in ihrem Genre nicht ganz häufig zu finden ist. Schon rein textlich brachte das 2011er Album eine ganz neue Kategorie an Tiefe, die in dieser (englischsprachigen) Album-Rezension ausgiebig und anschaulich beschrieben wurde.
Wenn Melodien erwachsen werden
Musikalisch hat der Zweitling nichts von der ungewöhnlichen Härte und Komplexität des Debüts eingebüsst. Vielmehr nimmt man eine Reifung der Melodien wahr. Gibt es so etwas? Können Melodien “reifen”? Vermutlich schon. Hier beginnen Songs mit einem schon fast an Alternative erinnerndem Intro wie zum Beispiel “bränmärkt”. Doch auch das Intro des Albums, “lavender haze”, versprüht den Eindruck einer Band, die musikalisch gereift und nicht mehr so gehetzt wirkt, wie vielleicht noch zu “Mâsstaden” Zeiten. Der gesamte Sound hat eine Wandlung zu (noch) mehr Druck erfahren. Gleichzeitig wird aber das verfügbare Klangspektrum auch breiter und differenzierter ausgenutzt, als auf allen Vorgängern.
Grundsätzlich ist die Musik schwer zu fassen. Bei den Songs sind nur schemenhaft klassische Strukturen wie Vers oder Refrain zu erkennen. Die gebotene Komplexität erinnert vielmehr an vertrackte Kompositionen der modernen Klassik der Neuzeit: Progressive Djent der Höchstform.
Zum Beispiel spielt der Schlagzeuger selten einen Headbang-kompatiblen 4/4, was aber keinesfalls heißt, dass es nicht grooved. Absolut das Gegenteil ist der Fall: Diese komplex aneinander gefügten Teilstücke der Kompositionen haben jeder für sich einen herrlich modernen Groove, doch das anspruchsvolle Gesamtgefüge stellt den Zuhörer vor die Aufgabe, sich der Komposition erst einmal zu nähern und zu öffnen. Und das passiert sehr wahrscheinlich nicht beim allerersten Hördurchgang.
Einen Vorgeschmack auf das Album gab es schon im April 2021 mit der Veröffentlichung von “när de du älskar kommer tillbaka från de döda” (“Wenn die, die du liebst, von den Toten zurückkommen”). Der Zusammenhang zwischen dem vom Songtitel evozierten Konzept der Auferstehung und dem im Video gezeigten männlichen Pole Dancer sowie seiner erotischen Ästhetik erschließt sich dem Autor nicht. Es ist aber trotzdem schön anzusehen und zeigt womöglich auch den Humor der Band(?).
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“måsstaden under vatten” ist ein anspruchsvolles Album, das dem Hörer Einiges abverlangt, aber auch gleichzeitig Vieles bietet.
Markant bei und typisch für Vildhjarta sind düstere, fast schon futuristisch klingende Soundcollagen, die von Gitarrenriffs begleitet werden, die ihrerseits nicht auf kurze prägnante Wiederholungen basieren, sondern eher gleiten, pulsieren und zum Träumen einladen. Die Musik ist hypnotisierend. “kaos2”, ebenfalls eine Vorveröffentlichung des Albums, ist genau dafür ein sehr treffendes Beispiel: Schon nach Minute 1:41 beginnt ein über zwei-minütiges instrumentales Outro, das in die überwältigende Welt von Vildhjarta einzutreten einlädt.
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Das Album reiht sich nahtlos in eine Reihe von Veröffentlichungen ein, von denen jede für sich nur so vor Individualität strotzt, wie z.B “Välde” von Humanity’s Last Breath oder aber auch „Feast Upon Their Flesh“ von RAPTVRE. Man könnte meinen, dass hier ein Trend entsteht hin zur geistigen und musikalischen Tiefe in einem Genre, dem lange etwas Primitives anhaftete (oder zumindest angedichtet wurde).
Bewertung: 15/15 Punkten
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Abbildung: Vildhjarta