(48:47, CD, Sireena/Broken Silence, 1979/2021)
Lange nicht so viel Spaß an einem Reissue aus deutschen Landen gehabt. Die dem Autor bislang völlig unbekannten, bereits 1972 gegründeten Tibet klingen auf ihrem (leider einzigen) gleichnamigen Opus (1979 auf Bellaphon erschienen), als hätte Renate Knaup-Krötenschwanz mal mit Triumvirat, Camel, Eloy und Nektar gejammt, zu deren jeweils besten Zeiten. Das Lustige bei diesen vor dem Lesen der tatsächlichen Besetzung erfolgten Assoziationen: Die “Renate” auf diesen herrlichen Aufnahmen heißt Klaus Werthmann und ist eben nicht nur namentlich ein Kerl. Der allerdings über eine auch in mittleren bis hohen Lagen kehlig-druckvolle Stimme mit viel Timbre und bisweilen reichlich Vibrato verfügt.
Besonders beim kämpferischen Aufmacher ‘Fight Back’ assoziiert meinereiner heftig einen Mix von Eloy-Intro mit Rhythmik und Gesang à la Amon Düül II. ‘City By The Sea’ erinnert an Satin Whale, das schöne Instrumental ‘White Ships And Icebergs’ schon unverschämt an Camel (Melodieführung, Instrumentierung) meets Triumvirat (Arrangement), der ‘Seaside Evening’ an Morgan (i.e. Morgan Fisher, Mott). ‘Take What’s Yours’ wieder sehr an Triumvirat plus Frau Krötenschwanz und die ‘Eagles’ kreisen über ganz leichter ‘Je t’aime’-Thermik… Jede Menge schöner “Klingt wie”s also!
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Das Ganze ist damals offensichtlich auch schon sehr gut angekommen: “In der Folgezeit wurden Auftritte in ganz Deutschland absolviert, zusammen mit den damals angesagten Gruppen wie Eloy, Jane, Grobschnitt, Kraan usw. Bei einem Konzert im Vorprogramm der Scorpions bekam Tibet damals sogar bessere Kritiken als die Hauptgruppe”, weiß das sehr lesenswerte Booklet. “Es folgten drei kleine Touren durch England mit Auftritten auf dem legendären Windsor Free Festival und ein Jahr später auf dem Watchfield Festival, wo Tibet vor über 10.000 Zuschauern spielte und als einzige Gruppe des Abends zwei Zugaben geben durfte. Neben Gruppen wie Traffic, Hawkwind, Ginger Baker u.a. bekam Tibet auf einer Bewertungsskala 10 von 10 erreichbaren Punkten. (…) Inzwischen hatte sich die Gruppe mit einem weiteren Keyboarder (Detleff “Deff” Ballin – später bei Geier Sturzflug) und Sänger Klaus Werthmann verstärkt. (…) 1980 löste sich Tibet auf und wandte sich dann, in veränderter Besetzung, unter dem Namen 4U dem New Wave zu. Das Experiment wurde aber auch nach einem Jahr beendet.”
Die liebevoll ausgestattete Neuauflage ist mit zwei in anderer Besetzung aufgenommenen (und leider auch weniger starken) Bonus-Tracks versehen und wurde von Marlon Klein im Exilstudio Berlin remastered – falls der Sound des oben verlinkten Songs auf YouTube ein Hinweis auf die Qualität der Orignalaufnahmen sein sollte, dann hat er dabei Hervorragendes geleistet.
Bewertung: 12/15 Punkten
Surftipps zu Tibet:
Sireena
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Abbildungen: Tibet/Sireena