Roger Taylor – Outsider

(47:09, CD, LP, Digital, EMI/Universal, 2021)
Schön zu sehen, dass für Roger Taylor mit den Queen-Nostalgietourneen noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Wo sich sein Bandkollege Brian May hauptsächlich als Social-Media-Junkie austobt und John Deacon schon seit fast 25 Jahren den Ruhestand (mutmaßlich) genießt, hat der schon immer höchst aktive Roger auch mit zarten 72 immer noch Einiges zu sagen. Mit “Outsider” veröffentlicht er nun sein sechstes Solo-Album (Bandprojekte nicht mitgerechnet) mit ebenso wenig Tamtam und Aufgeplustere wie bei den Vorgängern.

Stilistisch bleibt sich Taylor treu: auch “Outsider” folgt dem mit “Happiness?” etablierten Stilmix aus intimen und atmosphärischen Balladen, unkommerziell arrangierten Pop- und Rocksongs sowie höchst persönlichen und politischen Texten – ein wenig wie ein aufgeräumter und selbstironischer Roger Waters (auch wenn’s schwer vorzustellen ist). Dass die raue Stimme immer noch genauso charismatisch klingt wie 1973 auf ‘Modern Times Rock’n’Roll’ freut dabei umso mehr – Roger wäre fraglos auch als Leadsänger bekannt geworden, hätte er anno 1971 diesen Weg eingeschlagen. Wie auf dem Vorgänger “Fun On Earth” besucht Mr. Meddows-Taylor auch auf “Outsider” bisweilen frühere Kompositionen: ‘Absolutely Anything’ hatte er beispielsweise vor ein paar Jahren als Titelsong für Monty-Python-Mitglied Terry Jones’ letzten Film geschrieben. Damals nur ein anderthalbminütiges Fragment, zollt Roger in dieser vollendeten Fassung dem verstorbenen Comedy-Genie (das neben den Python-Klassikern unter Anderem auch für das Drehbuch von Jim Hensons “Labyrinth” verantwortlich zeichnete) ausgiebig Tribut. Auch ‘Foreign Sand’ (im Original auf “Happiness?”) wird noch einmal überarbeitet, statt Yoshikis bombastischem Orchesterdonner gibt’s aber diesmal ein zartes Akustikgitarren-Arrangement, das die textliche Aussage besonders betont. ‘Gangsters Are Running This World’ gibt’s ebenfalls gleich zweimal, wobei es sich eigentlich abgesehen von den Refrainzeilen um zwei verschiedene Songs handelt. Der erste Teil kommt als getragener Popsong, der scheinbar resigniert, die rockigere ‘Purple Version’ kommt auch textlich ziemlich angefressen und emuliert mit Samples und Synth-Stings die Musik diverser sensationslüsterner “Nachrichtensendungen”.

Und ja, die Texte von “Outsider” sind eine ziemliche Freude – zumindest, wenn man dem allgemeinen Ruck ins Konservative ähnlich zweifelnd bis ablehnend gegenüber steht wie Taylor. Und so bekommen vor allem UK-Premier Johnson und die britische Tory-Partei eine Breitseite nach der Anderen ab. Auch für den Rest der Neokonservativen gibt es ordentlich sarkastische bis eindringliche Worte. Fein, dass Roger dabei nie den erhobenen Zeigefinger bemüht, sondern immer mit einer Prise Humor und altersbedingter Abgeklärtheit zur Sache geht. So schafft er es auch, sein Cover des eigentlich entschieden unpolitischen Kinderliedes ‘The Clapping Song’ wie wie eine Spitze gegen einen gewissen orangefarbigen Ex-US-Präsidenten klingen zu lassen. Dass Roger das Album auch exzellent selbst produziert und fast alle Instrumente wieder selbst eingespielt hat, dürfte seine Fans nicht sonderlich verwundern. Als Promi-Gast taucht dennoch bei ‘We’re Just Trying To Get By’ KT Tunstall auf, auch seine langjährigen “partners in crime” Joshua J. Macrae und Jason Falloon dürfen ein paar Gitarren beisteuern – aber “Outsider” ist dennoch klar die Roger-Taylor-Show.

Wer den Queen-Bombast sucht, wird hier – wie bei allen Taylor-Alleingängen – nicht fündig, aber auch 2021 liefert Roger immer noch scheinbar mühelos und unaufgeregt eine kurzweilige Dreiviertelstunde mit vornehmlich atmosphärischer und qualitativ hochwertiger Singer-/Songwriter-Mucke. Am Besten funktioniert das Album, wenn man es am Stück genießt – im Kontext machen selbst scheinbar sprödere Stücke nämlich absolut Sinn. Feine Sache, das.
Bewertung: 12/15 Punkte

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