Kingdom – Lost In The City (Re-Release)

(59:42, CD, Digital, MiG, 2021/1988)
“Früher-war-alles-besser”-Stories sind zwar so ziemlich das Nervigste, was man sich so denken kann, aber es gibt kaum einen Zweifel: für melodischen (“kommerziellen”) Hardrock gab es kaum eine bessere Ära als die Jahre 1987 bis 1990. Um nur ein paar Titel zu nennen: “Wings Of Heaven” (Magnum), “Out Of The Silence” (Dare), “Hysteria” (Def Leppard), “Too Hot To Sleep” (Survivor), “Wild Frontier” (Gary Moore), “New Jersey” (Bon Jovi), “Man In Motion” (Night Ranger), “Shadows” (Private Life), “Perfect Timing” (MSG) oder auch das sträflich unterbewertete “Raging Silence” (Uriah Heep) – die Mixtur zwischen poppigen Keyboards, hochmelodischen Songs und knackigen Gitarren klang selten so perfekt wie auf diesen Klassikern.

Auch in Deutschland gab es freilich zu dieser Zeit großartige Hardrockbands – die allerdings fast alle noch ein wenig mehr zum Glam-Metal schielten, so wie Axxis (“die Pur des Hardrock”), Bonfire oder Pink Cream 69. Eine der wenigen Bands, die sich eher im Umfeld der oben genannten Grenzgänger breitmachten, waren Kingdom, eine Combo um die Epitaph-Veteranen Bernd Kolbe (v., bs.) und Cliff Jackson (gtr), deren Debütalbum “Lost In The City” jahrelang als gesuchte Rarität galt und dank MiG (Music in Germany) jetzt endlich wieder problemlos erhältlich ist – noch dazu aufgehübscht mit Bonustracks und Linernotes, aber ärgerlicherweise ohne Texte, die bei der Original-LP noch enthalten waren.

Stilistisch liegt die Scheibe sehr nah am Dare-Debüt und Magnums Spätachtzigerwerken, vielleicht noch in der Kante der zeitgenössischen Tony-Carey-Alben – an Epitaph erinnert wirklich nur noch Kolbes unverkennbarer Gesang. Okay, ganz so perfekt wie die oben erwähnten Alben ist “Lost In The City” nicht ausgefallen, neben Killern wie dem folkig angehauchten Titelsong, ‘Time Will Tell’ oder dem Ohrwurm ‘We Got Love’ gibt’s auch ein paar eher durchschnittliche Nummern wie die doch etwas zu poppige Ballade ‘Sign From Your Heart’, die auch damals schon auf der falschen Seite der Kitschgrenze zu verorten war oder den etwas flachen Riffrocker ‘Rollin”, der im Fahrwasser von Krokus (ohne deren Güte zu erreichen) ebenso aus dem Restmaterial herausstach. Zu 80% geht das Material aber auch heute noch gut ins Ohr und stimmt traurig, dass die Band sich hiernach in Domain umbenannte und deutlich härtere, aber auch ebenso deutlich schwächere Heavy-Rockscheiben veröffentlichte, bald auch ohne Mitwirkung der Epitaph-Recken und zurecht danach nur noch wenig beachtet.

Mit Liveversionen von ‘Rollin” (das hier roher, siebzigermäßiger und offen gesagt cooler klingt als die Originalfassung) und ‘The Run’ von Cliffs 50-Jahre-Jubi-Konzert, mit der Epitaph-Mannschaft dargeboten, und dem “King-Size-Mix” des Titelsongs von der gleichnamigen Maxi-Single gibt’s auch noch drei willkommene Bonustracks. Eine schwerst gelungene Reise zurück in, ich schrieb es ja bereits, die Hochphase des melodischen Hardrock mit einem Album, das definitiv mehr Aufmerksamkeit verdient gehabt hätte.
Ohne Bewertung (Re-Release)

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