Smalltape – The Hungry Heart
(41:32, 24:04, digital, Doppel-CD, Vinyl, ltd. Ed. 2CD+DVD, Eigenproduktion, 2021)
Es gibt Bands, zu denen hat man als Rezensent – aus den unterschiedlichsten Gründen – einen besonderen Bezug, und genau dies trifft auf diesen Fall zu. Schon früh wurde der Werdegang dieser Band – oder sollte man besser sagen „dieses Soloprojekts“ – verfolgt. Gerade mit der Veröffentlichung ihres Albums „The Ocean“ bekam der Name endlich den längst verdienten Stellenwert, der unter anderem auch in einem bejubelten Auftritt auf dem Night of the Prog Festival auf der Loreley mündete. Selten eine Band erlebt, die als Auftakt eines vielstündigen Konzerttages derart überzeugen konnte.
Und so war man also schon gespannt darauf, wie es mit Smalltape weitergehen würde, doch Mastermind Philipp Nespital hatte offenbar erst einmal etwas anderes im Sinn, nämlich die Gründung von Mt. Amber – einem nicht minder interessanten Projekt, das mit dem Debütalbum „Another Moon“ ebenfalls vom Start weg begeisterte.
Während Mt.Amber als eine Band antritt, läuft Smalltape eher als Soloprojekt von Philipp Nespital, was auch dadurch bestätigt wird, dass er hier nicht nur als Multiinstrumentalist unterwegs ist, sondern auch von einer Vielzahl von Gastmusikern unterstützt wird. Dass er seine Talente nicht nur als Komponist, Sänger, Keyboarder und Gitarrist einbringt, sondern auch am Schlagzeug, ist spätestens seit Mt. Amber keine Überraschung mehr. Begleitet wird er erneut von Mt. Amber Kollegin Alexandra Praet sowie Gitarrist Flavio de Giusti, und auch Saxophonist Omri Abramov ist bereits von Live-Auftritten mit smalltape her bekannt. Das vollständige Line-up liest sich wie folgt:
Philipp Nespital – vocals / guitars / drums / percussion / keyboards /piano / electronics
mit
Alexandra Praet – bass / backing vocals
Flavio de Giusti – solo guitar / acoustic guitar
Omri Abramov – tenor saxophone / EWI
Raphael Meinhart – vibraphone
Mark Kagan – violins
Dorian Wetzel – viola
Anton Peisakov – cello
Felix Jacobs – bass
Kelly O’Donohue – trumpet / trombone / backing vocals
Marten Schröder – French horn
Michael Zehe – backing vocals
Scott Thomas – voice
Valgeir Daði Einarsson – bass.
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Zunächst stellt sich die Frage, warum überhaupt zwei CDs, wenn alles locker auf eine gepasst hätte? Das wird Philipp uns demnächst in einem Interview hoffentlich erklären. Einstweilen darf vermutet werden, dass es daran liegen mag, dass der Longtrack sich musikalisch etwas vom Muster der ersten CD absetzt und er daher bewusst separiert wurde.
CD1 beginnt gleich mit dem Titelsong, einer atmosphärischen Nummer, die von Tastensounds und wunderbaren Gesängen dominiert wird und in seiner Machart ein wenig an den Clannad-Klassiker ‚Harry’s Theme‘ erinnert. Der Song mündet schließlich in einem bombastischen Synthi-Schwall. Doch bereits im nachfolgenden ‚The Golden Siren‘ überrascht er mit einem krassen Stilwechsel. Schon in Sachen Gesang schaut man erst mal im Booklet nach, welcher Gast das sein mag – aber nein, auch dies ist Philipp! Und ein typischer Prog-Song ist dies schon mal gar nicht, doch trotzdem entwickelt er eine ganz eigene Faszination. ‚Hunger‘ ist mit knapp 7 ½ Minuten Spielzeit der längste Track auf der ersten CD und ist ein weiterer Beleg für den Abwechslungsreichtum, der auf diesem Album geboten wird. Es geht Soundtrack-artig los mit pompösen Keyboards, gefolgt von einem Klavier, das sich in tiefsten Bereichen bewegt. Nicht nur hier schimmert immer wieder mal eine Prise “Steven Wilson“-Geist durch. Auf ein kurzes abgedrehtes Synthesizersolo folgt jazziges Piano und feines Streicherarrangement, und auch Gitarrist Flavio de Giusti lässt sich nicht zweimal bitten und steuert ein cooles, nicht minder abgedrehtes E-Gitarrensolo bei. Ein toller Song, bei dem neben aller instrumentalen Güte auch die Gesangslinien überzeugen. Zum Schluss kommt gar noch ein Schuss Härte hinzu, ohne dass man das gleich Prog-Metal nennen muss.
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Sicherlich nicht ungeschickt, an solch eine Nummer eine kleine Verschnaufpause in Form eines ruhigen melodischen Titels anzuschließen, der nur aus Gesang und akustischer Gitarre besteht. Es folgt ein Gitarren-betonter Alternative Rock Song, der wiederum eine neue Facette ins Spiel bringt. Nach dieser etwas leichteren Nummer folgt der nächste komplexe Song, das siebenminütige ‚Burning House‘, eine recht perkussive Angelegenheit, auf der sich der Chef am Schlagzeug austoben darf und gegen Mitte des Songs heißt es „Vorhang auf für Omri“, der sich die Seele aus dem Leib saxophoniert. Mächtig!
‚Colours‘ ist ein farbenfroher Song, der mit viel Text aufwartet – kein Wunder, hier wird beinahe schon Rap geboten, kombiniert mit düsterem Alternative Prog, wobei der Refrain wiederum sehr leicht ins Ohr geht.
Die zweite CD startet sehr bedächtig mit wunderbarem Klavierspiel, nach knapp drei Minuten ist dieser schöne Instrumentaltitel schon vorbei. Mit ‚Dissolution‘ schließt ein 21-Minuten Longtrack das Album ab. Auch hier spielt das Klavier eine wichtige Rolle, es kommen viele jazzige Momente hinzu, nicht nur durch das Piano, sondern auch durch Bläser und Vibraphon betont. Ein sehr intensiver, abwechslungsreicher, hervorragend arrangierter Song, der belegt, dass sich smalltape auch auf jazzigem Terrain sehr stilsicher bewegen können. Das Zusammenspiel von Vibraphon und Klavier im Mittelteil ist ein gutes Beispiel dafür. Auf dem gesamten Album wird auch wieder ein typisches Markenzeichen von smalltape erkennbar, nämlich die variable Stimme von Philipp Nespital sowie sein geschicktes Händchen bei der Ausarbeitung von teils eingängigen, aber niemals trivialen Gesangsmelodien.
Und so ist schließlich „The Hungry Heart“ ein ausgesprochen gelungenes Album geworden. Es ist gerade mal Juli, also ist es Mumpitz, bereits jetzt vom Album des Jahres zu sprechen, doch in die persönlichen Top Ten 2021 wird es dieses Album ganz sicher schaffen, das steht außer Zweifel!
Da dem Rezensenten selbst die non-proggigen Songs sehr gut gefallen, ist die hohe Bewertung keine Überraschung. Das Album ist als Doppel-CD, Doppel-Vinyl oder in einer limitierten Ausgabe als 2CD+DVD erhältlich. Eine ansprechende Aufmachung rundet das Ganze perfekt ab. Diese Crowdfunding-Aktion hat sich wirklich gelohnt!
Bewertung: 14/15 Punkten (WE 12, AG 13, JM 14)
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Abbildungen: Smalltape