(1:00:43, Digital, CD, Eigenveröffentlichung, 2020)
Nach Pencarrows ‘Growth In The Absence Of Light’ ist ‘Of Valleys And Mountains’ von Pull Down The Sun für mich persönlich bereits die zweite hochkarätige Neuentdeckung aus dem Bereich des Prog, welche aus Neuseeland stammt und 2020 in Eigenregie veröffentlicht worden ist. Pull Down The Sun selbst benutzen die Māori-Bezeichnung Aotearoa, wann immer sie von ihrem Heimatland sprechen und zollen damit ihren polynesischen Wurzeln Tribut.
Dieses Māori-Erbe der Bandmitglieder war, neben der malerischen Natur des Landes, auch die Hauptinspirationsquelle für deren Debüt ‘Of Valleys and Mountains’, denn das farbenreiche Konzeptalbum basiert auf lokalen Mythen und Legenden, welche über Generationen weg weitergereicht worden sind. Die Erzählung dreht sich um die Māori-Mythen der Patupaiarehe und der Turehu, einem Volk von hellhäutigen und rothaarigen Ureinwohnern, das vor 1000 Jahren von polynesischen Einwanderern nach deren Ankunft in Neuseeland absorbiert worden ist. Gemeinhin werden diese indigenen Völker als übernatürliche, feenartige, meist furchteinflößende Geistwesen beschrieben, die in geheimen befestigten Dörfern meist in Bergwäldern leben. Leider sind diese Mythen und Legenden der Māori äußerst komplex, dass es den Rahmen dieser Rezension sprengen würde, näher auf die Bedeutung der maorischen Songtitel, beziehungsweise auf die Texte der einzelnen Lieder einzugehen,
Der Bezug zur Natur und Kultur Neuseelands wurde auch besonders stimmungsvoll im Cover-Artwork von Chris Panatier (Letters From The Colony) zum Ausdruck gebracht, welches somit schon vor Auflegen der Platte auf die Musik der drei Künstler aus Whanganui einstimmt.
Denn “Of Valleys And Mountains” ist von Anfang an ein atmosphärisch sehr dicht gewebtes Album, welches in die Sagenwelt Aotearoas entführt. Dies macht schon der instrumentale Opener ‘Aka’ deutlich, welcher den Hörer durch seine mystischen Klänge auf eine Reise in die Natur Neuseelands mitnimmt und übergangslos in das folgende ‘Whare Ra’ leitet. Es ist ein Stück welches mit sanften Klängen beginnt und sich binnen zwei Wellen zu einem dumpfen Post Metal-Tsunami auftürmt und dessen bedrohlicher Kamm vom düsteren Gesang Koert Wegmanns gebildet wird.
Das nun folgende Titelstück bildet das erste wirkliche Highlight des Albums und erinnert sowohl gesanglich als auch atmosphärisch stark an die deutschen Kollegen vom The Ocean-Kollektiv, wobei auch starke Einflüsse von Gojira nicht zu leugnen sind.
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Ein weiteres Vorbild der Neuseeländer wird beim Stück ‘Turehu’ deutlich, dessen Riffs und Gesangsstil auf die Alternative-Art-Metal-Legende Deftones verweisen. Was mit ordentlichem Stoner-Flair der Nullerjahre beginnt, verwandelt sich im langen Ausklang des Stückes in eine Gänsehaut heraufbeschwörende Stimmung, geprägt von lautmalerischen Chören.
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Und so fahren die Neuseeländer damit fort, Einflüsse namhafter Bands und Vorbilder in ihre Musik zu integrieren, ohne dabei jemals Gefahr zu laufen, als Epigone bezeichnet werden zu können. Stattdessen vermögen sie es, ihre ganz eigene musikalische Welt zu schaffen, bei dem jedes Lied in eine ganz eigene Kerbe schlägt, ohne dabei den Flow des Gesamtwerkes zu stören.
‘Light In Water’ fungiert als relaxtes Interlude zwischen ‘Turehu’ und dem nachfolgenden Stück und ermöglicht dem Hörer eine gewisse meditative Pause zum Energie tanken, bevor das leicht sludgy angehauchte Groove-Monster ‘Weta’ mit einer fetten Hookline in den Mosh-Pit ruft.
Das rein instrumentale ‘Kehua’ wiederum ist melodischer Post Metal in Reinform und verbindet schwelgerische Klangkollagen mit spieltechnischer Perfektion.
Der Kontrast zum nun folgenden ‘Utu’ könnte kaum Größer sein, denn schon die einleitenden markerschütternden Growls zeigen, dass es sich hier um einen wahren Meshuggah-lastigen Progressive Metal-Nackenbrecher handelt. Doch obgleich es das härteste und düsterste Lied auf “Of Valleys And Mountains” ist, ist es nicht nur einfach heavy und böse, sondern besitzt zudem einen atmosphärisch dichten Instrumentalteil mit verfrickeltem Solo und ultra-fette Rhythmusarbeit.
Nach soviel Brachialität ist natürlich noch einmal Zeit für eine Verschnaufpause, die einem Pull Down The Sun in Form von ‘Oro’ gönnen, welches mit dezenten Piano-Tönen die Geräusche eines leichten Regenschauers begleitet. Der Song fungiert als ausgedehntes Intro für das lückenlos anschließende ‘Ngaro’, welches aufgrund seines Gesangsstiles und der süßen Melodien wohl der zugänglichste Song des Albums ist und durchaus Potential für Airplay bei der ein oder anderen Alternative Rock-Radiostation hätte. Growls und Screams, aber auch Extreme-Metal-Ausbrüche sucht der Hörer hier nämlich vergeblich.
‘Salt Of the Earth’ macht fast genauso eingängig dort weiter, wo sein Vorgänger aufgehört hatte und ähnelt einer Clean-Vocals-Version von Isis.
Wer zu diesem Zeitpunkt schon perplex ist aufgrund des immensen Abwechslungsreichtums der Neuseeländer, der hat die Rechnung ohne das abschließende über zehnminütige ‘Inoi’ gemacht, bei bei welchem die Band noch einmal einen Querschnitt ihrer musikalischen Vielseitigkeit präsentiert und zum Abschluss alle Register ihres Könnens zieht.
Restlos begeistert von Pull Down The Sun’s “Of Valleys And Mountains” sehe ich mich fast dazu genötigt, meine 2020er Jahres-Top 10 noch einmal zu korrigieren, lasse es dann aber doch und vergebe stattdessen eine an die Bestnote kratzende 14-Punkte-Wertung.
Bewertung: 14/15 Punkte
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Tracklist:
1. ‘Aka’ (1:31)
2. ‘Whare Ra’ (5:13)
3. ‘Of Valleys and Mountains’ (4:29)
4. ‘Tūrehu’ (5:10)
5. ‘Light In Water’ (2:48)
6. ‘Weta’ (5:05)
7. ‘Kēhua’ (5:23)
8. ‘Utu’ (4:51)
9. ‘Oro’ (1:41)
10. ‘Ngaro’ (5:41)
11. ‘Salt of the Earth’ (8:21)
12. ‘Inoi’ (10:29)
Besetzung:
Stefan Bourke (Schlagzeug)
Jason Healey (Gitarre)
Koert Wegmann (Gitarre, Keyboards, Gesang)
Gastmusiker:
Sebastian Svalland
Rob Reynolds
Luke Finlay aka Saxl Rose
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Abbildungen: Alle Abbildungen wurden uns freundlicherweise von Pull Down The Sun zur Verfügung gestellt.