(44:55, Digital, CD, Vinyl, Eigenveröffentlichung, 2020)
Oceansize waren eine der Speerspitzen des modernen Progressive Rock des noch jungen 21. Jahrhunderts. Ähnlich wie The Cooper Temple Clause und Amplifier vermischten die Mancunians so unterschiedliche Stile wie klassischen Progressive Rock, Independent, Psychedelic und Post Rock zu einer einzigartigen Melange. Immerhin vier Longplayer veröffentlichten die Engländer zwischen 2003 und 2010, unter ihnen mindestens zwei Alben, die heute zu Klassikern des Modern Prog zählen: das 2005er “Everyone Into Position” sowie dessen zwei Jahre später veröffentlichte Nachfolger “Frames”. Während der Tour zum vierten Album “Self Preserved While the Bodies Float Up” brach die Gruppe dann auseinander.
Sänger und Gitarrist Mike Vennart startete nach dem Ende der Band eine Karriere als Tour-Gitarrist für Biffy Clyro, für die er heute noch tätig ist. Bedenkt man die Zuschauermassen, vor denen
Biffy Clyro mittlerweile auftreten, so müsste die Post-Oceansize-Ära für Mike Vennart eigentlich als Karrieresprung bezeichnet werden. Wäre da nicht seine Solo-Karriere. Es ist zwar nicht so, als hätten “The Demon Joke” (2015) und “To Cure A Blizzard Upon A Plastic Sea” in der Musikwelt keinen Eindruck hinterlassen, doch an den Erfolg und die Aufmerksamkeit, die Vennart mit Oceansize erlangt hatte, konnte der Musiker mit seinen Solo-Scheiben bisher nicht heranreichen. Doch der Grund hierfür ist sicherlich nicht die künstlerische Qualität von Mike Vennarts Output.
Dass sowohl “To Cure A Blizzard Upon A Plastic Sea” als auch das aktuelle “In The Dead, Dead Wood” bisher viel zu wenig Beachtung fanden, ist wohl eher der Tatsache geschuldet, dass beide Alben in Eigenregie veröffentlicht worden sind. Im Falle des neuen Albums liegt dies allerdings wohl auch an der Einstellung des Künstlers selbst:
Es ist zu persönlich und es ist einfach nicht Teil meiner Veranlagung, aus meinem Elend Kapital schlagen zu wollen. Wen würde das schon interessieren?
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It’s too personal and it’s just not part of my make up to wanna capitalise on my misery. Like, who cares?
Dass dieses Album überhaupt veröffentlicht wurde, mag an vielen Fans sogar vorbei gegangen sein.
Weder Vennarts Solo-Scheiben, noch die Veröffentlichungen von Oceansize sind für so etwas wuie positive Grundstimmung bekannt, doch vergleicht man “In The Dead, Dead Wood” insbesondere mit seinem direkten Vorgänger “To Cure A Blizzard Upon A Plastic Sea”, so muss man bereits beim Opener ‘Silhouette’ feststellen, dass es auf der aktuellen Platte um Strecken düsterer zugeht. Denn im Gegensatz zu ‘Binary’, dem ersten Track auf “To Cure A Blizzard Upon A Plastic Sea”, verbreitet hier nicht nur der Bass eine beklemmende Stimmung. Schuld hierfür ist ein fast schon brachialer Breitwand-Sound, wie man ihn viel eher von … And You Will Know Us By The Trail Of Dead kennt.
Mike Vennart sagt über diese Entwicklung:
Es war von Anfang an klar, dass die Platte dunkler und weniger elegant werden würde. (…) Dies ist ein weniger poppiges Unterfangen als meine früheren musikalischen Ausflüge, da ich mich zurzeit weniger wie Dave Lee Roth sondern vielmehr wie Nick fucking Drake fühle.
–
The record was always gonna be darker and less dressy. (…) This is less of a poppy endeavour than previous outings cos I’m feeling less Dave Lee Roth, and more Nick fucking Drake just now.
Beim anschließenden Groove-Monster ‘Super Sleuth’ ist trotzdem ein gewisser Pop-Appeal nicht von der Hand zu weisen, der in Ansätzen an Vennarts Brötchengeber Biffy Clyro erinnert, wären diese nicht so auf Radiotauglichkeit hochglanzpoliert. So kommt ‘Super Sleuth’ rotzfrech durch die Boxen und ist trotz seines sperrigen Sounds ein wahrer Brecher und wie für den Alternative-Tanzboden geschaffen.
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Beim darauffolgenden ‘Elemental’ wird zum ersten Mal das Gaspedal zurückgefahren. Das Lied ist eine Halbballade, die vom Kontrast aus schönen Piano-Motiven (Charlie Barnes) und verzerrten Grunge-artigen Refrains lebt. Gesanglich kann Mike Vennart hier wahrlich überzeugen, denn er klingt wie eine Mischung Bruce Dickinson und Chris Cornell.
Das ruhige wie grandiose ‘Lancelot’ hingegen bewegt sich mit seinen elektronischen Piano-Sounds und Vennarts variablem Organ sowohl stimmlich als auch musikalisch auf Mike Patton-Terrain und hätte bestens auf Faith No Mores “King For a Day, Fool For A Lifetime” passen können.
Weiter im Text geht es mit dem geisterhaft-atmosphärischen Titelstück ‘In The Dead, Dead Wood’, welches als instrumentaler Post Rock-Track zwar weder stört noch wirklich begeistert, doch seine Rolle als Appetizer für das nun folgende ‘Weight Of Gold’ wunderbar erfüllt.
Denn dieser Song ist sowohl länger als auch langsamer als die Stücke aus der ersten Albumhälfte. Er rückt Atmosphäre an jene Stelle, welche zuvor durch Eingängigkeit und Durchschlagskraft eingenommen wurde. Das Stück überrollt den Hörer mit seiner Wall of Sound wie eine schwere Dampfwalze, langsam aber effektvoll.
Das anschließende ‘Mourning On The Range’ hingegen wirkt wie eine experimentelle Variante von Soundgarden und kann vor allem durch das dezente Schlagzeugspiel von Joe Lazarus begeistern, welches großen Anteil an der Road Movie-Stimmung des Stückes hat.
Den Abschluss des Albums bildet mit ‘Forc In The Road’ ein über zwölf-minütiges Song-Ungetüm, bei welchem Vennart seine Liebe für Ambient, Drone und Minimalismus auslebt.
Es ist ein würdiger Ausklang für ein Album, welches die verschiedenen Schattierungen der Farbe Grau in all ihren Facetten zeigt.
Bewertung: 11/15 Punkte (FF 11, KR 11)
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Tracklist:
1. ‘Silhouette’ (4:29)
2. ‘Super Sleuth’ (4:44)
3. ‘Elemental’ (4:06)
4. ‘Lancelot’ (4:37)
5. ‘In The Dead, Dead Wood’ (3:06)
6. ‘Weight In Gold’ (5:10)
7. ‘Mourning On The Range’ (6:48)
8. ‘Forc In The Road’ (12:37)
Besetzung:
Mike Vennart (Gesang, Gitarren, Bass, Keyboards)
Joe Lazarus (Schlagzeug)
Ben Griffiths (Bass – 1, 2, 6)
Richard A Ingram (Keyboard – 2, 4, 7, 8)
Charlie Barnes (Klavier)
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Rezension: “The Demon Joke”
Abbildungen: Alle Abbildungen wurden uns freundlicherweise von Mike Vennart zur Verfügung gestellt.