Black Sabbath – Vol. 4 Super Deluxe Edition (Vinyl)

(3h 10m 25s, CD, LP, BMG/Universal, 1972/2021)
Hmm, das “Paranoid”-Deluxe-Box-Set scheint sich ziemlich gut verkauft zu haben. Nicht nur, dass das “streng limitierte” Teil letzten Herbst eine Neuauflage spendiert bekam, nein, auch eine Box-Set-Fassung von “Vol. 4” gibt’s jetzt für begeisterungsfähige Black-Sabbath-Fans zu kaufen. Dass die “Vol.4” nun in der Vinyl-Fassung 30€ und in der CD-Fassung 25€ teurer ist als ihr identisch aufgemachter Vorgänger beweist, dass Sharon Osbourne zwar relativ lange gebraucht hat, das Prinzip “Boxset” zu verstehen, es aber fraglos zur Gänze verinnerlicht hat.

Lassen wir aber den Sarkasmus mal außen vor – muss schließlich jeder Fan selbst wissen, wieviel ihm solche Deluxe-Editionen wert sind. Und natürlich hat sich ein Klassiker wie “Vol.4” die Huldigungs-Ausgabe vollkommen verdient. Die bietet fünf LPs, wobei die erste ein piekfeines neues Remaster des eigentlichen Albums bietet. Schön, dass hier nicht versucht wurde, eine künstliche Dynamik einzubauen: Black Sabbath leben zumindest in ihrer Frühphase auch von dem komprimierten, tiefmittenlastigen und klaustrophobischen Druck, den die Band entfachte. Moderne audiophile Gemüter werden auch hier nicht bedient, es gibt aber ein zerrfreies, durchsichtiges Remaster mit ziemlich hoher Baller-Garantie, wie’s sich für die Musik gehört. Wohl deshalb wurde auch auf einen Surround-Mix verzichtet: versteckte Feinheiten gibt’s hier eh’ nicht. Das bedeutet freilich nicht, dass es gar keine Feinheiten gibt: Black Sabbath waren weit bessere Musiker, als man ihnen zugestehen will. Speziell Bill Ward schaffte es damals immer, bei aller Heaviness einen wunderbaren Swing einzubringen, den die neuzeitigen Massen an Epigonen zu keiner Zeit erreichen. Nur waren die Details und Wendungen des Sabbath-Sounds nie versteckt, sondern schon immer für alle verfügbar, die sie hören wollten.

Zum Album selbst muss man wohl nicht viel sagen – ob Ozzy-Dogmatiker, Dio-Jünger oder ökumenischer Alles-Fan, über “Paranoid”, “Master Of Reality” und “Vol. 4” hat eigentlich niemand etwas Schlechtes zu sagen. Wenn es auch außer ‘Snowblind’ und ‘Changes’ keiner der “Vol.4”-Tracks in die Riege der Über-Hits geschafft hat, behaupte ich jetzt einfach mal, dass die Scheibe die perfekte Mischung aus dem kantigen Frühwerk und der sich anschließenden experimentelleren Phase bietet. Die Arrangements wurden noch ein wenig komplexer als auf “Master Of Reality”, in fast jedem Song klangen plötzlich auch Akustikgitarren, Mellotron oder Streicher mit, und Ozzy himself verzichtet endlich darauf, nur die Riffs mitzusingen und bietet so eingängige wie eigenständige Gesangslinien. Ja, ich behaupte jetzt mal: so gut wie hier hat er aufgrund mangelnder Erfahrung zuvor und aufgrund chemischer Belastung auch danach nicht mehr gesungen – zumindest bei Sabbath nicht.

Zwei weitere LPs bieten, für den “harten” Fan, jede Menge Out- und Alternativtakes mit Studio-Dialog gemischt. Apropos “gemischt” – für den Mix dieser Extras hat man tatsächlich Steven Wilson höchstpersönlich verpflichtet. Klingen tun sie dementsprechend professioneller als man das von fast fünfzig Jahre alten, unvollendeten Bändern erwarten sollte, aber ob man sich beispielsweise wirklich 32 Minuten lang unterschiedlich komplette Outtakes von ‘Wheels Of Confusion’ und dessen Coda ‘The Straightener’ anhören möchte, ist erneut eine reine Gewissensfrage. Immerhin, größtmögliches Lob für die Entscheidung, besagte Outtakes in bestmöglichem Sound anzubieten. Ob Wilson der richtige Mann dafür war, darüber kann man sich streiten – für diese Ohren klingen seine Mixe schon ein wenig zu sauber. Pure Geschmacksfrage in diesem Fall.

Bleibt noch die letzte Portion des Sets, die in einem gemeinsamen Gatefold steckenden LPs 4 und 5. “Live In The UK 1973” nennt sich das Ganze, und ja, im Prinzip ist das ganz einfach “Live At Last”, nun als Doppel-LP. Ja, genau, das böse, böse, von allen gehasste “Live At Last” mit miesem Sound, seltsamer Songauswahl und von der Plattenfirma ohne Zutun der Band veröffentlicht. Aber auch hier hat man sich die Mühe gemacht, das Material nochmal komplett von den originalen Multi-Track-Reels neu abzumischen. Diesen Job hat man noch dazu Richard Digby-Smith anvertraut, der als Hausengineer bei Island in den frühen Siebzigern unter anderem für Free und Mott The Hoople zuständig war und somit ganz genau weiß, wie Aufnahmen aus dieser Ära klingen müssen. Auch hier also keine Anbiederung am moderne Geschmäcker – so hätte das Album geklungen, wenn es 1973 einen vernünftigen Mix spendiert bekommen hätte. Und plötzlich macht “Live At Last” wirklich Spaß! Die im Original alles überdröhnenden Bass- und Gitarrenspuren sind im Sound deutlich zurückgenommen und machen Platz für einen plötzlich sauber und deutlich vernehmbaren Gesang. Die seltsamen Edits sind auch verschwunden – wer also ‘Wicked World’ mit 19 Minuten Spieldauer schon unerträglich fand, darf sich nun auf satte 26 Minuten Jam-Rock “freuen” – Folter für den Einen, für Andere (den Schreiber eingeschlossen) eine glatte Wundertüte an Ideen und Zitaten. Und schon mit miesem Sound enthielt das Album natürlich die wohl definitive Fassung von ‘Children Of The Grave’, die 2021 nochmal mehr schiebt. Klar, man kann immer noch meckern, dass ‘Black Sabbath’ und ‘Iron Man’ fehlen – die gibt’s aber mittlerweile auf anderen Livescheiben in drölfzichfacher Ausführung, und ‘Cornucopia’ oder ‘Tomorrow’s Dream’ eben nicht. Eine gnadenlos gelungene Aufarbeitung des Aschenputtel im Sabbath-Frühwerk.

Alleine die Aussicht auf eine richtig gut und authentisch klingende Fassung von “Live At Last”, die der Energie und Magie der Band in dieser Ära tatsächlich gerecht wird, ist also schon eine Versuchung, hierfür tief in die Tasche zu greifen. Auch das gebundene, 46-seitige Buch mit vielen Farb- und Schwarzweissfotos, Zeitungsausschnitten und Linernotes weiß zu gefallen, und ein Poster vom ursprünglich geplanten Artwork (dem Arbeitstitel “Snowblind” stellte das Label ein Veto) rundet das Paket ab. Ob das nun wirklich 90 (CD) bzw. 120 (LP) Euronen wert ist, liegt, wie gesagt, im Ermessen des Einzelnen. Spaß macht aber definitiv das komplette Set. Bleibt die Frage: wann darf uns Meister Iommi endlich die seit Jahren geteaserte überarbeitete Fassung von “Forbidden” präsentieren?
Ohne Bewertung (Re-Release)

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