(63:05 (77:49), CD, Vinyl, Dowload, Season Of Mist/ Soulfood, 2020)
Sólstafir können es doch noch: Nämlich so richtig vom Gletscher ziehen. Das letzte Werk der Isländer „Berdreyminn“ war vom Prog-Gehalt zwar überaus hochwertig, doch vom Willen, als Sieger aus der Schlacht zu gehen, war kaum noch etwas zu spüren. Doch es scheint nun wirklich, als würde sich Aðalbjörn Tryggvason hier auf dem neuen und siebenten Album allen Frust aus der Seele hämmern. Und wer darf schon ein Album gleich mit einem Zehnminüter beginnen, wenn nicht Sólstafir?!
So ist ‚Akkeri‘ dann auch das längste Stück in einem an Longtimern reichen Album. Bereits hier gibt es ein Wechselbad der grenzwertigen Gefühle. Tryggvason leidet hörbar in den sanften – ja, die gibt es hier auch hin und wieder – als auch in den krawalligen, ja, fast schon postmetallischen Parts. Bei jenen wird dann richtig vom Leder gezogen und das Tempo reichlich angezogen. ‚Drýsill‘ drosselt das Tempo anfangs dann ein wenig, legt aber in Sachen Drama Queen dann doch noch eine Pirouette zu, ehe das Ganze in einen unaufhaltsamen Galopp verfällt, wobei es bei der sich daraus entwickelnden Stampede kein Entrinnen zu geben scheint. Also treiben lassen, was sich wunderbar tun lässt, auf „Endless Twilight Of The Codependent Love“.
Macht nachfolgendes ‚Rökkur‘ bezüglich Coolness und Lässigkeit dann noch absolut einen her, muss man beim überaus sentimentalen ‚Her Fall From Grace‘ das erste Mal um Tryggvasons Seelenzustand besorgt sein (inklusive eines von Herzen kommenden ‚na na na, na na naaa …‘). Doch als wolle man alle vorherigen Gefühlsausbrüche voll und ganz relativieren und unter den Teppich kehren, kommt es mit ‚Dionysus‘ knüppeldicke. Hier kitzeln Sólstafir ihre Black-Metal-ige Vergangenheit aus den mit Rost überzogenen Reliquien eigener Heiligsprechung hervor, wobei sich der Frontmann wie der wütendste Berserker gebärdet.
Das Auf und Ab der Temperamente bleibt uns erhalten, da sich die Band mit ‚Til Molldar‘ schon einmal einen Platz auf der nächsten „Kuschelrock“-Einheit gesichert hat und des Barden Isländisch nie anheimelnder geklungen hat als eben hier. ‚Alda Syndanna‘, ‚Or‘ und letztendlich das gewaltige ‚Úlfur‘, „Endless Twilight Of The Codependent Love“ gleicht einem Saunagang mit extremen Wechselbädern.
Dass die Band mit ‚Hrollkalda Þoka Einmanaleikans‘ sowie ‚Hann For Sjalfur‘ auch noch gleich zwei Bonustracks in der Special Edition zu bieten hat, die qualitativ vom Rest des Albums gar nicht einmal so weit entfernt ist, beweist einmal mehr die These, dass Genie und Wahnsinn oft verdammt nah beieinander liegen.
Bewertung: 12/15 Punkten (CA 12, KR 12, MBü 13)
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