(60:58, CD, Vinyl, Digital, Puscifer Entertainment/BMG/ Warner, 2020)
Corona und die damit verbundene gecancelte Tour von Tool spielte dem Maynard James Keenan-Nebenprojekt gewissermaßen elegant in die Karten, konnte sich der Sänger hier doch voll und ganz auf Puscifer konzentrieren. Sowieso ist nicht bekannt, wo seine Prioritäten genau liegen, ob nun bei Tool oder bei Puscifer (A Perfect Circle kann man an dieser Stelle getrost ignorieren). Erst einmal zeigt sich Keenan zu Tool-Konzerten konsequent im Puscifer T-Shirt und weiterhin liegt der Output-Pegel seiner quasi Interimsband bedeutend höher. Zwar ist „Existential Reckoning“ erst das vierte offizielle Puscifer-Album, zahllose EPs und Remix-Veröffentlichungem lassen die Discographie der Band aber fast schon ins Unermessliche anwachsen.
Fünf Jahre nach „Money Shot“ hat das Projekt (Projekt, weil mit wechselnden Musikern agierend) nun eine neue Platte in der Pipeline, zu der die Vorab-Auskopplung ‚Apocalyptical‘ schon einmal einen Vorgeschmack lieferte. „Concrete conclusions be damned, They won’t believe you until it’s far too late, Be damned, dumb, dumb, be dumb …“ – hierbei geht es dann inhaltlich wohl richtig zur Sache, derweil die konkreten Schlussfolgerungen nicht weiter erläutert werden. Zu elektronischen Beats schneidet sich die Gitarre von Mat Mitchell ins apokalyptische Geschehen, derweil Maynard zu gesampelten Backgroundvocals seiner Kollegin Carina Round den Weltuntergangspriester gibt.
Bisherige Puscifer Releases waren einem Tohuwabohu an Stilen, Formen und Farben gekennzeichnet – und man konnte davon ausgehen, dass sie stets wahre Patchwork-Kunstwerke aus Noise, Industrial, Downbeat, Electronica und Art Rock abgeben würden. „Existential Reckoning“ klingt daher für Puscifer-Maßstäbe vergleichsweise homogen und strukturiert, weil jeder der insgesamt zwölf neuen Tracks im Soundbild und den Atmos im ‚Apocalyptical‘-Kontext steht.
Zwar ist hier keine ‚The Remedy‘-Rockstampede enthalten. Was bezüglich des Songmaterials aber auch nicht unbedingt vonnöten ist, weil das ohnehin einmal mehr von reichlich Drama und Pathos gekennzeichnet ist. Das Grundgerüst besteht meistens aus elektronischen Beats, auf welchen sich Maynard dieses Mal überaus aufgeräumt und trotz der dringlichen aktuell brisanten Themen fast schon friedfertig zeigt.
‚Bread and Circus‘ gibt den schon reichlich bedächtigen Prolog. Die Gitarren agieren hier nur akzentuiert, was der Grundstimmung in Dunkeldüster nur entgegenkommt. So klingen Tracks wie ‚UPGrade‘ und ‚Bullet Train To Iowa‘ trotz Keenan mehr nach NIN als nach Tool – wobei hier eigentlich der Sänger selbst den einzigen Link in diese Richtung abgibt. ‚Personal Prometheus‘ walzt das elektronisch orientierte Konzept gleich auf siebeneinhalb Minuten Gänsehaut aus. Nein, die Hölle tut sich hier dieses Mal nicht auf, da sich die Pussy Luzifer ob des kühlen Gegenwinds, der ihm aus Richtung Puscifer entgegenschlägt, einen Schnupfen einhandeln könnte.
Bewertung: 12/15 Punkten (CA 12, KR 12)
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Abbildung: Puscifer