Avandra – Skylighting
(43:21, Digital, Vinyl, CD, Layered Reality Productions, 2020)
Während die Covid-19-Pandemie für die einen seit Monaten Grund genug ist, Trübsal zu blasen und sich in ihrem Kämmerchen zu verstecken, ist die Plage für so manch einen Musiker Inspiration und Quell von Kreativität. So geschehen auch bei dem puertorikanischen Quartett namens Avandra. Anstatt dumm rumzusitzen und Däumchen zu drehen, begann Bandkopf Christian Ayala Cruz mit dem Schreiben von ‘Celestial Wreaths’, einem Lied, welches dem Status Quo gewidmet ist, in welchem sich die Welt befand, als die Pandemie über sie hereinbrach. Das Lied, welches als One-Off gedacht war, löste bei den Musikern von Avandra einen Kreativitätsschub aus, sodass man binnen zwei Monaten ganze sieben neue Stücke am Start hatte. Trotz Social Distancing und Quarantäne hatten die Musiker es irgendwie geschafft, ein neues Album fertigzustellen.
Das US-Amerikanische Überseegebiet Puerto Rico ist zwar nicht unbedingt als Hochburg des Progressive Metal bekannt, doch auch hierzulande haben Avandra mit ihren beiden ersten Longplayern “Tymora” (2017) and “Descender” (2019) genügend Aufmerksamkeit auf sich ziehen können, sodass sie für das – leider ausgefallene – Progpower Europe Festival 2020 im niederländischen Baarlo verpflichtet worden waren (glücklicherweise haben Avandra aber schon für den 2021er Nachholtermin des Festivals zusagen können).
Wurden Avandra auf ihrem letzten Album “Descender” vor allem mit den großen Dream Theater verglichen (ein Gastbeitrag von Kevin Moore tat hierzu sein Übriges), kann der Klangkosmos des neuen Albums “Skylighting”, vor allem durch die Beteiligung des gefeierten Keyboard- und Synthesizer-Spielers Vikram Shankar, um ambiente und dem Post-Rock entliehene Klänge erweitert werden. Vor allem durch das Zusammenspiel mit der ruhigen, unaufgeregten und melancholischen Stimme von Christian Ayala Cruz wird eine balsamartige Schicht über das virtuos-progressive Restinstrumentarium gelegt, so dass man manchmal vergessen könnte, dass es sich hier um ein Metal-Album handelt.
Natürlich sind Avandra auch mit “Skylighting” noch einhundertprozentig dem Progressive Metal zuzuordnen; schon der anfangs erwähnte Opener ‘Celestial Wrath’ lässt mit seinem einleitenden Gitarrenriff und dem später folgenden Solo keinen Zweifel daran, doch klingen die Lateinamerikaner durch die hypnotischen Synthie-Teppiche und den harmonischen Gesang immer wieder wie in eine andere Welt entrückt.
Es ist eine Stimmung, welche sich über die gesamte Spieldauer des Albums erstreckt und sogar noch verstärkt wird, wenn die Gitarren, wie bei dem anschließenden ‘Noetic Probes’, ähnlich luftig klingen wie die Synthies. Dass man bei deren waberndem Klang nicht endgültig abhebt, ist dabei nur der Halt verleihenden Arbeit von Schlagzeuger Adrián Arroyo Schuck und Bassist Gabriel Rodríguez Martinez zu verdanken.
Mit traumhaft-trauriger Melodie schließt das nun folgende ‘Life is Not a Circle, But a Sphere’ an, welches sich gut zwei Minuten Zeit zum Spannungsaufbau lässt, bevor es förmlich explodiert und als powergeladener Modern-Prog-Metal-Song mit leichtem Djent-Einschlag zu Ende geht.
‘Eternal Return’ ist mit einer Spielzeit von knapp zehn Minuten der Longtrack des Albums und beginnt mit einem schönen Intro der beiden Gitarristen Christian Ayala Cruz und Luis Javier Rivera Guilbot, dessen Rhythmus und Melodie den Song über weite Strecken begleiten. Zu den Gitarren gesellen sich nach und nach die weiteren Instrumente und auch Christian Ayala Cruz‘ charakteristischer Gesang. Die Band lässt sich Zeit für den Songaufbau, so dass sich die einzelnen Facetten des Liedes langsam entfalten können, bevor eine spacige Synthesizer-Einlage auf ein wundervolles Gitarren-Solo in John Petrucci-Manier hinleitet und das Lied langsam und rein instrumental austrudelt.
Das anschließende ‘ProcGen’ ist das Highlight auf “Skylighting”, denn es vermischt die Klangfarben zweier anderer herausragender Alben zu einem vollkommen überwältigenden Stück Musik. Während der Sound der Gitarren Assoziationen mit Jollys “Family” weckt, entführen die Synthesizer-Klänger und das Gitarren-Solo in der zweiten Hälfte des Stückes zurück ins Jahre 1994, als Tiamat mit “Wildhoney” in psychedelische Welten vordrangen.
Der Kontrast zum nun folgenden ‘Afferent Realms’ könnte kaum größer sein, da Avandra hier vom ersten Ton an in klassisches Progressive Metal-Territorium der 90er Jahre vordringen. Vor allem die Gitarrenarbeit sollte technikaffinen Musikfreunden das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen, da die Saitenhexer hier von Bass und Schlagzeug zu temporeichen Höchstleistungen angetrieben werden.
‘New Origins’, als letztes Lied der Scheibe, bringt die Ruhe nach dem Sturme. Sinfonisch-orchestrale Synthesizer treffen hier auf eine leicht verfremdete Erzählerstimme bevor das Stück in seiner zweiten Hälfte vollends in Trance-artige Ambientgefilde abtriftet. Erinnerungen an ‘Children’ von Robert Miles werden wach, und als dann endlich die Gitarren einsetzten, noch vielmehr an die Interpretation eben dieses Liedes durch die australischen Post Rocker von sleepmakeswaves.
Am Ende der Scheibe angekommen kann ich mit Freuden auf das zurückblicken, was ich in gut 43 Minuten gehört habe, nämlich klassischen Progressive Rock in modernem Ambient-Gewand, der trotz aller technischen Raffinesse und Heavyness zum Träumen und zum Schwelgen einlädt.
Bewertung: 13/15 Punkten
Tracklist:
1. Celestial Wreaths (5:07)
2. Noetic Probes (5:24)
3. Life is Not a Circle, But a Sphere (5:28)
4. Eternal Return (9:58)
5. ProcGen (5:59)
6. Afferent Realms (7:06)
7. New Origins (4:18)
Besetzung:
Christian Ayala Cruz (Gesang, Gitarren, Synthesizer)
Luis Javier Rivera Guilbot (Gitarren)
Adrián Arroyo Schuck (Schlagzeug)
Gabriel Rodríguez Martinez (Bass)
Gäste:
Vikram Shankar (Synthesizer)
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Abbildungen: Alle Abbildungen wurden uns freundlicherweise von Hold Tight zur Verfügung gestellt.