Magenta – Masters Of Illusion

Magenta - Masters Of Illusion (Tigermoth, 1.7.20)(64:14, CD, LP, Digital, Tigermoth Records/Just For Kicks, 2020)
Der erste – rein optische – Eindruck des neuen Magenta-Albums “Masters Of Illusion” täuscht kräftig. Denn obwohl das düster gehaltene Artwork einen eher metallischen Stil zu suggerieren scheint, geht’s bei den Walisern nach dem tendenziell straighteren und rockigeren Vorgängeralbum 2020 wieder zurück zu den Wurzeln: Neo Prog mit starker Spätsiebziger-Schlagseite, verspielt, melodisch und mit absoluter Wohlfühl-Garantie.

Dass das Cover so finster wirkt, hat denn eher mit dem textlichen Konzept der Scheibe zu tun. “Masters Of Illusion”, das Album, nimmt sich nämlich diverser Episoden aus den Leben einer Handvoll legendärer Horror-Film-Stars an, namentlich Bela Lugosi (‘Bela’), Christopher Lee (‘A Gift From God’), Lon Chaney Jr (‘Reach For The Moon’), Peter Cushing (‘The Rose’) und Ingrid Pitt (‘Snow’). Der Titeltrack, ein standesgemäßes 17-Minuten-Monster, fasst schließlich gekonnt die vorher etablierten Themen wie Erfolgsdruck, Anerkennung, Zwischenmenschliches und Selbstzweifel zusammen und hebt sie auf eine neue Ebene, die genauso viel über den Künstler hinter dem Album verrät wie über die theatisierten “Meister der Illusion”. Großes Lob also auch an Texter Steve Reed – das ist Konzeptarbeit aus dem Bilderbuch.

Aber auch musikalisch leisten Robert Reed (k), Christina Booth (vox), Chris Fry (gtr), Dan Nelson (bs) und Jiffy Griffiths (dr) gewohnt exzellente Arbeit. Ja, richtig gelesen: Magenta bestehen 2020 nicht mehr nur aus dem Core-Trio Reed/Booth/Fry, es gibt eine feste, offiziell zum Band-Line-Up gehörende Rhythmusgruppe. Über die Leistung der drei “Altvorderen” muss man niemandem mehr etwas vorschwärmen – aber Nelson (auch bei Godsticks aktiv) und Griffiths schaffen es dennoch, die heimlichen Stars des Albums zu werden. Zum ersten Mal in der Bandgeschichte klingt ein Magenta-Studioalbum nämlich so richtig schön “live”, locker und groovig. Dem hat sich auch Rob Reeds Produktion angepasst. Der Sound des Albums kommt wunderbar luftig, organisch warm und lässt somit der wie immer fantastischen Christina Booth jede Menge Freiraum, ihre gesangliche Magie zu entfalten. Mit Alles-und-überall-Pfeifer Troy Donockley (Nightwish); Peter Jones (Camel, Tiger Moth Tales) und John Mitchell (Lonely Robot, Arena) schauen auch drei Gäste vorbei, die dem Material mit – in dieser Reihenfolge – Uilleann Pipes, Saxophon und Harmiegesang noch ein wenig Extra-Glitzer verleihen.

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Aber: alle Textkonzepte und musikalische sowie produktionstechnische Schmankerl nutzen schließlich nichts, wenn das Songwriting nicht stimmt. Und, nur zur Beruhigung klar ausgesprochen: das ist, wie bei Magenta gewohnt, einmal mehr exzellent ausgefallen. Ebenfalls wie gewohnt verkneift sich die Band sämtliche Füller und künstliche Frickelorgien. Die Basis sämtlicher Kompositionen ist klassisches Pop-Songwriting, und die verspielten Breitwand-Arrangements sind das “Extra”, das die Sache zu etwas Besonderem macht. Am Beeindruckendsten gelingt das Magenta tatsächlich beim kürzesten Song des Albums: ‘Snow’ schafft es, sowohl als, nun ja, Popsong zu funktioneren als auch ganz im Prog-Genre-Sinn alle paar Takte die musikalische Laufrichtung zu ändern – ohne dabei konstruiert oder konfus zu wirken.

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Dazu gibt’s, wie bei Magenta und generell allen Reed-Projekten mittlerweile Standard, eine Bonus-DVD mit einem Interview, Musikvideos und dem Album im Surround-Mix, wie üblich, ohne Aufpreis. Zusätzlich erscheint übrigens gleichzeitig noch ein “companion album” namens “The Lost Reel”, das man als Fan auch gleich mit eintüten sollte. Neben diversen interessanten Alternativ-Fassungen von Albumtracks gibt’s ein paar überarbeitete Songs aus dem Backkatalog und vor allem das großartige ‘Not In Our Name’, das 2019 als kostenloser Download veröffentlicht wurde, endlich auf einem physikalischen Medium. Mit knapp 74 Minuten Spielzeit bietet auch “The Lost Reel” gewohnt “value for money”.

Magenta behaupten mit “Masters Of Illusion” ganz klar ihre Position im zeitgenössischen Triumvirat des britischen Traditions-Prog (neben Big Big Train und The Tangent) und liefern ein Album ab, das sowohl Neulingen sämtliche Qualitäten der Band gebündelt nahebringt als auch eine klare künstlerische Weiterentwicklung darstellt.
Bewertung: 13/15 Punkten (WE 11, SG 13, KR 12, KS 11)

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