Katatonia: Die Wurzeln bleiben, aber gelegentlich wird umgetopft

»Man kommt für die harten Riffs und bleibt für das melancholische Blipetiblop«

Für die Herrschaften von Katatonia sieht’s aktuell reichlich gut aus – das letzte Album “City Burials” hat sich weltweit in den Pop-Hitlisten positionieren können, darunter auch ein überraschender Platz 6 in deutschen Album-Verkaufscharts. Dabei war für eine ganze Weile zumindest nach außen der Fortbestand der Band durchaus unklar, weshalb es Fans der Band umso mehr freuen dürfte, dass die Band sich mit einem derartigen Paukenschlag zurückmelden konnte. Drummer Daniel Moilanen hat sich Zeit genommen, um für Betreutes Proggen ein wenig Licht in die Entstehung des Albums zu bringen – und auch in die Zukunft zu blicken.

Fangen wir doch einfach mal mit dem großen Thema an – zum allerersten Mal in der Geschichte von Katatonia gab’s eine längere Pause zwischen den Alben, und die Band kündigte seinerzeit an, in der Pause “neu zu bewerten, welche Zukunft für die Band existiere”. Gab’s Momente, in denen es für Dich so aussah, als ob die Band am Ende sein könnte?

Da die Pause nicht von irgendwelchen Animositäten oder unterschiedlichen Sichtweisen ausgelöst wurde, schien sie fast schon innerhalb eines Atemzuges wieder vorbei zu sein, zumindest aus unserer Sicht! Wie Du weißt, machen Jonas und Anders “diese Sache” jetzt schon ‘ne ganze Weile, und mit einer Band, die die letzten zehn Jahre hauptsächlich unterwegs auf Tour war… das ist schon eine mühsame Reise! Und, in Trennungszeiten sprießt die Liebe ja auch wieder!

Hattest Du jemals Sorgen um Deine eigene Position in der Band als einer der “Neuen”?

Ich habe mir überhaupt keine Sorgen darüber gemacht – wenn ich nach der Pause nicht mehr involviert gewesen wäre, hätte es einen guten Grund dafür gegeben. Genau dasselbe gilt für die Fortführung der Band. Wenn es wirklich zum Ende der Band geführt hätte, wäre auch das wohl die beste Entscheidung für alle gewesen, schließlich bricht man sowas mit Sicherheit nicht über’s Knie.

2019 gab’s ja ein paar Shows, mit denen Ihr das “Night Is The New Day”-Album zelebriert habt. Rückblickend könnte man ja davon ausgehen, dass diese Tour auch ein wenig ein Testlauf für die potenzielle Zukunft war…

In einigen Punkten hat sich das vielleicht schon so angefühlt, als wir über die Shows sprachen. Als wir dann mit den Proben für dieses Jubiläum begannen, hatten wir über ein Jahr nicht mehr zusammen gespielt, aber es hat sich recht schnell wieder sehr heimisch angefühlt. Ein ganzes Album zu spielen, das noch dazu von vielen Menschen so geliebt wird, ist natürlich auch ein wenig einfacher als ein Set aus der beinahe kompletten Karriere der Band zusammenzustellen. Für eine Weile nur “Night Is The New Day” zu feiern war wirklich entspannend, sowohl vom Arbeitsaufwand als auch abseits der Bühne. Letzteres war uns klar am Wichtigsten, denn die Zeit, die wir als Katatonia verbringen, ist auch die einzige Zeit, die wir alle vier zusammen verbringen.

Jonas hat ja diesmal die Musik komplett im Alleingang komponiert. War das Material schon fertig, bevor Ihr wieder zusammen kamt und wie habt Ihr im Endeffekt dann doch noch Einfluss auf die Songs genommen?

In etwa die Hälfte von “City Burials” stand schon, als Jonas mich auf ein neues Katatonia-Album ansprach. So in etwa während des letzten Monats meiner Vorbereitungs-Phase kam dann Stück für Stück auch der Rest zusammen. ‘Lachesis’ wurde in der Woche geschrieben, in der ich die Drums im Studio aufnahm. Ich trage eigentlich nur durch mein Spiel zu den Songs bei. Die Sache ist die – so, wie die Jungs Musik schreiben und vorbereiten, wissen sie ganz genau, was sie wollen, und so sind die Songs fast schon fertig, wenn wir sie zu hören bekommen. Dieses “fast” dann in Sachen Drum-Arrangements zu optimieren, ist dann mein Job, und durch’s reine Spielen füge ich dann den letzten Teil hinzu.

Ein wenig über “City Burials”. Die Prog- und Art-Rock-Elemente sind freilich nicht komplett verschwunden, aber einige der Songs zeigen einen durchaus unerwarteten Achtziger-Einfluss, den wir bei Katatonia bislang so noch nicht zu hören bekamen! ‘Behind The Blood’ hat beispielsweise ein Riff, das an die Scorpions anno 1982 erinnert, und ‘The Winter Of Our Passing’ ähnelt teilweise alten Sisters Of Mercy oder The Mission. Sind das Wurzeln der Band, die Ihr bewusst aufzeigen wolltet oder eher zufällige Entwicklungen?

Ihre Wurzeln hat die Band meiner Meinung nach ja nie verlassen – aber eben gelegentlich umgetopft! Diese beiden Songs sind vermutlich auch die deutlichsten Hinweise darauf, auf welche Musik wir so stehen, auch wenn ich bei ‘The Winter Of Our Passing’ eher einen typisch schwedischen Vibe verspüre, wie Mauro Scocco oder Lustans Lakejer. Aufmerksame Ohren werden aber noch viel mehr direkte Einflüsse aus der Vergangenheit der Band heraushören, manche mehr, manche weniger absichtlich!

»Wir haben eben auch das Glück, dass wir unsere Fans nicht gleich vergraulen, wenn wir etwas “Unmetallisches” veröffentlichen«

Wo wir gerade bei ungewöhnlichen Elementen sind: mit ‘Lacquer’ habt Ihr erstmals eine Vorab-Single ausgewählt, die die elektronischen Elemente des Katatonia-Sounds betont. War das eine absichtliche Auswahl aufgrund der Atmosphäre oder gab’s nen anderen Grund, diese stilistische Wendung als ersten Teaser für das Album zu verwenden?

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Die Absicht hinter der Veröffentlichung von ‘Lacquer’ als erster Single war, dass der Song einfach verflucht gut ist! Mir ist natürlich klar, dass ich den Song mit anderen Ohren höre als die “Endnutzer”, aber abgesehen davon, dass er keine “alles zerschmetternden Riffs” hat, ist er einfach ein guter Ausblick auf das, was “City Burials” zu bieten hat. Doch ich muss zugeben: wir haben eben auch das Glück, dass wir unsere Fans nicht gleich vergraulen, wenn wir etwas “Unmetallisches” veröffentlichen. Man weiß mittlerweile eben schon, was man von Katatonia erwarten kann: man kommt für die harten Riffs und bleibt für das melancholische Blipetiblop!

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Da ja aktuell aufgrund der Corona-Pandemie keine Konzerte stattfinden können, habt Ihr Euch über alternative Wege zur Promotion des Albums Gedanken gemacht? Es gab ja auch – wie obern zu sehen – bereits einen Livestream aus dem Studio…

»Der Gedanke, 2020 ohne irgendwelche Shows oder Offline-Kontakte zu unseren Fans – oder auch anderen Bands! – durchstehen zu müssen, ist schon seltsam«

Das ist in der Tat ein großes Problem, schon seit im März die erste Show abgesagt wurde. Und so, wie’s ausschaut, werden nicht nur die Sommerdates 2020 hinfällig. Der Gedanke, 2020 ohne irgendwelche Shows oder Offline-Kontakte zu unseren Fans – oder auch anderen Bands! – durchstehen zu müssen, ist schon seltsam. Ich meine, wir kommen doch gerade erst aus dem Winterschlaf! Ich denke mir, viele Bands können besser damit umgehen, den “Vibe” online aufrecht zu halten, für uns fühlt sich das aber eigenartig und vor allem neu an! Ich selbst bin so mies darin, meine Online-Kanäle zu pflegen, und mit Katatonia sind wir das auch einfach nicht gewohnt, aber, das müssen wir jetzt wohl lernen! Die Sache auszusitzen ist aber natürlich auch keine Option für uns, da ja niemand weiß, wie lange sich die Sache hinziehen wird.

Wie gehst Du persönlich mit der Isolation und “social distancing” um?

Das macht mir eigentlich gar nicht viel aus. Ich bin eh’ kein allzu geselliger Mensch und ziehe es generell vor, zuhause zu sein, zu lesen, Musik zu hören und Games zu spielen! Jap, ich bin exakt so langweilig, wie sich das eben anhörte! Natürlich sollte ich viel mehr üben, so wie all die Drummer, denen ich auf Instagram folge, aber ich rede mir ein, ich lerne schon genug, wenn ich denen beim Üben zuschaue… Direkt beeinflusst das Ganze nur meine After-Work-Aktivitäten, ein gemeinsames Bier geht halt nur noch über Messenger! Das ist aber auch okay, so kann ich wenigstens meine eigene Musik aussuchen. Und ich hab’ sowieso den besten Geschmack überhaupt.

Danke für das Interview!

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Rezension “City Burials” (14.04.20)
Interview mit Anders Nyström zu “The Fall Of Hearts” (2015)
Rezension “Sanctitude” (2015)
Rezension “Dethroned & Uncrowned” (2013)
Rezension “Dead End Kings” (2012)
Rezension “Viva Emptiness” (2003)
Wikipedia

Alle Fotos: Ester Segarra, freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Peaceville Records