Morning Bell – Slide Back Into Misery

Abbildung: Morning Bell EPK / Artwork: Morten Grønnegaard

(20:41, Digital, Obsolete Machine Records/Eigenveröffentlichung, 2020)
Der Glöckner wacht über die Menschen. Vor einiger Zeit musste er sie schon einmal warnen. Und wie es aussieht, wird er bald wieder die Glocke schlagen müssen. Der Glöckner sieht, wie die Menschen sich individuell sowie als Masse entwickeln. In dieser Entwicklung sieht er die Gefahr, dass eine düstere und gefährliche Zukunft bevorsteht. Viele Menschen haben ihre Augen geöffnet, doch auch sie lassen sich mitziehen und gleiten zurück in die Misere, aus der sie sich einst erhoben haben.

Dies ist der Hintergrund, auf welchem Ole Grarup aus Kopenhagen die Geschichte seiner Band Morning Bell aufbaut. Im letzten Jahr warnten Morning Bell mit ihrer ersten Single “Come Rain Down / Drown” bereits vor einer Katastrophe biblischen Ausmaßes. Am 15. Mai ging die dystopische Reise mit der ersten EP in die zweite Runde.

Nahezu komplett im Alleingang hat Ole Grarup die fünf Stücke geschrieben, arrangiert und an Gesang, Gitarre, Bass und Keyboards eingespielt. Lediglich für das Schlagzeug holte er sich Unterstützung von Ejnar Videbæk.

Zu hören gibt es facettenreichen und schnellen Prog Rock. Eine düstere Stimmung zieht wie die Vorboten eines heftigen Gewitters durch die Songs. Und trotz alledem hat der vielseitige und klare Klang auf “Slide back into Misery” ein sehr poppiges Ambiente. Dafür sorgen neben den mehrstimmigen Gesängen vor allem die vielen, aufeinander abgestimmten Ebenen, auf denen die Lieder aufgebaut sind. Über der massiven Schießbude von Ejnar Videbæk baut Ole Grarup mit seinen Instrumenten ganze Welten. 70er und 80er Rock tanzt anmutige Pirouetten mit knackigem Heavy Metal und intelligentem Prog Rock.

Abbildung: Morning Bell EPK / Photo: Thue T. Petersen

Vielseitigkeit, bekömmlich und anspruchsvoll wie die EP ist, fehlt es an nahezu nichts. Lediglich “Griffigkeit” ist nicht so viel vorhanden. Beim Zuhören bereitet “Slide back into Misery” sehr viel Genuss. Allerdings bleibt auch nach mehrmaligen Durchgang nur wenig im Langzeitgedächtnis hängen. Morning Bell haben ein wirklich gutes, doch in letzter Instanz etwas zu flüchtiges Release produziert.

Es bleibt also zu hoffen, dass der legendäre Glöckner nach dem letzten Stück ‘Das war die Welt’ noch einmal auftaucht. Wenn zukünftige Releases mit etwas mehr angenehmer Reibung im Innenohr hängen bleiben, können Morning Bell sicherlich schnell in den Olymp des Prog aufsteigen.
Bewertung: 10/15 Punkten (RG 10, KR 11)

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