Das dänische Label Tambourhinoceros ist schon seit geraumer Zeit ein geschätzter Premium-Partner für BetreutesProggen. Aufgrund unserer (allerdings vergleichsweise lässig gehandhabten) Spezialisierung auf “progressive” Musik kam zwar bislang noch kein wirklich hoher Prozentsatz ihrer zahlreichen Veröffentlichungen bei uns zum Zuge (Wobei etwas so Schräg-Proggiges wie Birthgiving Toad uns auch einfach nur durch die Lappen gegangen ist, unser Fehler). Doch die, bei denen das geschah, fanden wir stets sehr besonders und oft sogar herausragend gut. Grund genug für einen Schwatz mit Kristoffer Rom (rechts im Bild) und Tue Kjerstein…
All english interviews on BetreutesProggen.de
»Bei unserem Namen habe ich mir gerne dieses Zwitterwesen bildlich vorgestellt – halb Tier, halb Instrument«
Wir gratulieren – Ihr werdet dieses Jahr zehn!
Wie hat das alles angefangen? Und warum? Wofür steht der putzige Name des Labels?
Vielen Dank! Das Label entstand aus der Band Oh No Ono, als deren Gitarrist Aske Zidore und ich (Kristoffer) eine Plattform für Freunde schaffen wollten, die noch keine musikalische Heimat gefunden hatten. Wir hatten das Gefühl, dass die Kombination aus unserem Musikgeschmack, holistischem Ansatz und unserem Ehrgeiz auch gegenüber bereits etablierten regionalen Labels noch etwas zu bieten hatte.
Und stimmt, der Name ist schräg. Der Sänger/Bassist von Treefight For Sunlight hat ihn vorgeschlagen. Denn bevor wir die Veröffentlichung ihres Debüts vorbereiteten, hatte weder die Band noch das Label einen Namen. Bei dem Namen habe ich mir gerne dieses Zwitterwesen bildlich vorgestellt – halb Tier, halb Instrument – und mag außerdem den Umstand, dass es dabei um ein so kleines Musikinstrument und um so ein Riesenvieh geht. Fast wie bei Künstlern und der Musikindustrie, Hahaha!
-
- Gründungsjahr: 2010
- Sitz des Unternehmens: Copenhagen
- Homepage
- Mitarbeiterzahl (hauptberuflich/ehrenamtlich): 3 / 2
- Geschäftsführung: Kristoffer Rom, Tue Kjerstein
- Jahres-Umsatz: k.A.
Es gibt so sehr unterschiedliche Künstler auf Tambourhinoceros – wie würdet Ihr selbst das Profil des Labels beschreiben? Gibt es einen gemeinsamen Nenner? Eure Homepage nennt bezeichnender weise keinen. Sondern beschreibt lieber nur die Künstler und verschwendet kein Wort an das Label selbst und die Menschen, die es (aus)machen.
Wir wollen ein Vehikel für abenteuerlustige und ehrgeizige Künstler sein und sind stolz darauf, dass wir dabei Genre-Agnostiker sind. Davon abgesehen scheint es doch ein paar Gemeinsamkeiten zu geben. Die Künstler auf Tambourhinoceros sind alle sehr experimentierfreudig. Auch wenn manche zunächst relativ unkompliziert erscheinen, gibt es doch fast immer Komplexes oder Verspieltes auf Seiten der Produktion, der Musik oder der Texte, durch die das Gesamtpaket einzigartig wird.
Gibt es Musik, die Euer Label “definiert”, im Sinne von: “Das konnte ja nur auf Tambourhinoceros herauskommen!” oder “Das wäre besser auf Tambourhinoceros erschienen”?
Ich glaube nicht.
Was ist denn die Verbindung zwischen z.B. dem romantischen Noise von The Entrepreneurs, dem Nick Drake ism von The New Spring, dem selbstvergessenen Singsang von August Rosenbaum und dem schieren (von uns mit 15/15 Punkten geachteten) Wahnsinn der Pardans?
Schöne Auswahl! Nun, sowohl August wie auch die Pardans haben offensichtlich zumindest einige ihrer Wurzeln im Jazz. Das noise-ige der Pardans verbindet sie mit The Entrepreneurs, die aber auch eine sanftere Seite haben. Nimm zum Beispiel ihren Song ‘Morning Son’ – der liegt nicht so fern von der folkigen Singer-/Songwriter-Musik von The New Spring.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Standard. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Wer sind Eure Bestseller? Efterklang sind ja möglicherweise zumindest die bekanntesten Künstler auf Tambourhinoceros?
Vermutlich sind sie das wirklich. Aber wir haben so etwas wie eine Oper mit ihnen gemacht, die durchaus an enge kommerzielle Grenzen gestoßen ist…
Palace Winter verkaufen aktuell wohl am besten – ganz ausgezeichnet in Großbritannien, aber in Dänemark auch ganz ok. Und dann gibt es halt immer mal hier und da einzelne Stücke, die gut laufen. Jüngst beispielsweise ist Molinas Single ‘Hey Kids’ bei einigen Menschen weltweit besonders gut angekommen.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Wie findet die Auswahl der Künstler statt – würfelt ihr aus, wer von der langen Bittstellerliste genommen wird? Sind dies Einzel- oder Team-Entscheidungen?`
Wir sind fürchterlich wählerisch und brauchen ewig für solche Entscheidungen – zum Grausen der Künstler (und ihrer Manager), mit denen wir sprechen. Wir nehmen kaum jemand aufgrund eines “unverlangt eingesandt”-Demos unter Vertrag – obwohl auch das schon vorgekommen ist. Wir verbringen stattdessen relativ viel Zeit damit, proaktiv neue Künstler für uns zu entdecken und anzutesten. Und wir bekommen eine Menge Empfehlungen von unseren Partnern und Freunden in der Industrie – sowie natürlich den Künstlern, mit denen wir bereits arbeiten. Wenn wir tatsächlich Gespräche aufnehmen, dann versuchen wir sicherzustellen, dass alle Beteiligten eine gemeinsame Vision für die Zukunft entwickeln und dass es ein Team gibt, das das Band Management, Auftritte etc. wirklich regeln kann etc. Manchmal resultieren solche Abstimmungen darin, dass wir die Band unter Vertrag nehmen. Und manchmal halt nicht.
Inwieweit ist Marktforschung Bestandteil dieser Entscheidungen – oder geht es wirklich ausschließlich um das künstlerische Potenzial?
Tatsächlich bestehen wir auf beiden Aspekten. Die Musik steht am Anfang, aber sie kann nicht das einzige Kriterium sein. Wir möchten sowohl finanziell wie auch “in Manntagen” in unsere Künstler investieren. Aber damit dieses Geschäftsmodell funktionieren kann, brauchen wir Musiker, die bereit sind, ihrerseits intensiv in sowohl die kreative wie die kommerzielle Seite zu investieren.
Spielt Ihr selbst Instrumente?
Tue: Die meisten bei Tambourhinoceros spielen halb-professionell in Bands.
Kristoffer: Jein, ich komme zeitlich einfach nicht mehr dazu. Aber ich habe wie oben erwähnt zehn Jahre lang bei Oh No Ono gedrummt. Außerdem habe ich früher mal ein paar Aufnahme-Sessions und sogar eine Tour mit Aqua gespielt.
Was hörst Du Dir gerade sonst an, Kristoffer?
Hm, Skullcrusher, Kelly Lee Owens, Melkbelly, Yves Tumour (Sean Bowie), Porridge Radio und Agnes Obel.
Business Case und Vermarktung
Wie haben sich die Geschäfte in den letzten Jahren entwickelt und verschoben?
Vor allem haben wir vor rund einem Jahr eine eigene Publishing Division auf den Weg gebracht, so dass wir jetzt nicht nur mit den Endprodukten, sondern auch mit den Aufnahmen arbeiten können – wir sehen da einige Synergien.
Davon abgesehen geht es bei uns immer darum, besser in dem zu werden, was wir tun. Und darum, mit gleichgesinnten Musikern zu arbeiten.
Die CD verschwindet (angeblich), Vinyl kommt zurück, Downloads und Streaming zerstören jahrzehntelang funktionierende Geschäftsmodelle – was kann danach noch kommen? (außer, dass gerade ausgerechnet die Tonband-Cassette ebenfalls ein kleines Revival erlebt)?
Die Fundamente des der Musikindustrie zugrunde liegenden Geschäftsmodells haben sich meiner Meinung nach in den letzten Jahren gar nicht so sehr geändert. Aber der Markt ist so komplett übersättigt, dass sich schon jedes Detail stark auswirkt. Labels können nicht länger nur als Kurator und Distributor auftreten – sie müssen ständig jedes kleinste Detail zu verbessern suchen, wenn sie trotzdem überleben wollen.
Welche Strategien habt ihr dafür, Menschen trotz des Mega-Trends Streaming zum Kauf Eurer physischen Produkte zu bewegen? Und wie wichtig ist das Artwork dabei?
Wir haben ein Netzwerk physischer Distributoren, betreiben unseren eigenen Webshop und sind auf Bandcamp. Aber wie für jeden trifft es auch auf uns zu, dass wir nur so viele Medien verkaufen können, wie Bedarf dafür da ist. Also stecken wir alle unsere Energie genau dahinein – Nachfrage zu schüren. Das gelingt wenn überhaupt durch tolle Produkte, durch Promotion, Marketing, Touren der Künstler usw.
Artwork war immer einer der Grundpfeiler bei Tambourhinoceros. Wir haben einen eigenen Art Director, der schätzungsweise die Hälfte unserer Veröffentlichungen selbst designed hat. Und auch wenn Künstler mit einem weiteren Partner arbeiten, wollen wir immer Teil dieses Prozesses sein. Ob es um Audio, Video, Photographie oder Artworks geht – das sind für uns alles Aspekte des gleichen künstlerischen Universums.
Gibt es ein wie auch immer geartetes Abonnement-Modell zum Bezug (aller) Eurer Produkte oder sonstige Kundenbindungsprogramme? Falls ja, wie ist die Akzeptanz?
Gibt es bislang nicht bei uns. Sollte es aber vielleicht geben…
Welchen Stellenwert haben heute noch Print-Medien – und wie ist die Resonanz auf a) Reviews, b) Interviews, c) Anzeigen (falls Ihr welche schaltet)?
Promotion in sowohl Print- wie Online-Medien übersetzt sich selten direkt in Absatz- oder Streaming-Zahlen. Aber in wichtigen Medien breit vertreten zu sein, kann dem Booker helfen, die richtigen Shows oder Festival Slots zu buchen. Oder uns dabei helfen, wichtiges Airplay zu bekommen. Es spielt halt alles zusammen. Dabei scheint die Art des Inhalts gar nicht so entscheidend zu sein. Ein gut gemachter Beitrag kann uns helfen, egal ob es sich um ein Radio Feature, eine Rezension oder Interview handelt.
Wie “trackt” ihr diese Resonanz, falls überhaupt?
Wir schalten von Zeit zu Zeit Anzeigen in Print-Medien, die wir mögen. Aber wir machen mehr in digitalen Medien, weil da halt gegebenfalls die Conversion wirklich nur einen Mausklick entfernt liegt.
Trotzdem kann man natürlich über die Integration von QR Codes o.Ä. eine gewisse Erfolgskontrolle bewirken.
Mit wie vielen Print-Medien arbeitet ihr insgesamt zusammen?
Ein paar Hundert, schätze ich.
Wie verhält es sich bei den Online-Medien mit der Resonanz auf a) Reviews, b) Interviews, c) Anzeigen?
Mit wie vielen Online-Medien im In- u. ggf. Ausland arbeitet ihr regelmäßig zusammen, sprich: bemustert sie und beschickt sie mit Pressemitteilungen oder Newslettern?
Die Online-Szene ist so riesig – wir haben mit annähernd 1.000 Medien direkten Kontakt – und entdecken doch jede Woche noch neue Seiten oder Mags.
Welchen Stellenwert haben Social Media bei der Vermarktung und beim Kontakthalten mit den Produktkäufern?
Sie sind superwichtig für uns – gleichauf mit Musik-Medien.
Welche Kanäle bespielt ihr, welche sind am wichtigsten bzw. erfolgreichsten?
Wir sind auf den meisten Plattformen vertreten (Instagram, Facebook, Twitter, YouTube). Die haben alle ihre Stärken und Schwächen, finde ich.
Schafft Ihr das noch selbst oder lasst Ihr Euch helfen?
Das teilen wir uns mit unseren Künstlern und deren Managern auf.
Wie sind Eure Erfahrungen mit Agenturen?
Manche sind toll und werten Kampagnen erheblich auf, wobei wir ihren Erfolg nicht nur anhand von Absatzzahlen messen – uns ist auch die generelle Kommunikation und Reputation wichtig. Garantien gibt es ohnehin fast nie und manchmal kann auch eine phantastische Promo-Agentur aufgrund von durch sie nicht beeinflussbare Faktoren nichts reißen. Wir kennen das aus eigener Erfahrung, weil wir mit nordicwaves.net eine PR-Agentur im eigenen Unternehmen haben.
Und natürlich gibt es immer ein paar schwarze Schafe, so auch in dieser Branche – die muss man vermeiden lernen…
Conversions / Splits
Welchen Anteil an Verkaufserlösen erhält laut Euren Verträgen (oder denen von Spotify, Bandcamp, YouTube, Apple, Google, Amazon & Co.)
a) der Künstler
b) das Label
c) der Vertrieb bzw. die Plattform
bei Verkäufen von
– CD
– Vinyl
– Download
– Streaming?
Wir haben sehr simple 50:50-Verträge, unabhängig davon, welches Format verkauft wird.
Falls Ihr bei Downloads “Name Your Price”/”Pay What You Want” anbietet: Was wird im Durchschnitt gezahlt?
Das haben wir noch nicht oft genug gemacht, um über Tendenzen sprechen zu können.
Vielen Dank für Eure Mitwirkung und Auskünfte!
Surftipps zu Tambourhinoceros:
Homepage
Bandcamp
Facebook
Twitter
YouTube
Instagram
Spotify
LinkedIn
Wikipedia (engl.)
Und da man ja irgendwo beginnen muss, sollen die Labels das Intro machen. Die Ausgangsüberlegung war dabei wie folgt: unsere Lieblings-Buchverlage haben ein solch individuelles, kantiges Profil, dass man ihre Erzeugnisse sozusagen “blind” – ohne den jeweiligen Autor überhaupt zu kennenn – kaufen und lesen kann, ohne enttäuscht zu werden. Gibt es so etwas bei Musik-Labels nicht auch? Wir finden schon.
Alle Abbildungen: Tambourhinoceros, mit freundlicher Genehmigung