(19:41+21:30+20:05+17:50, 2LP, Adansonia, 2020)
Beware, it’s a trap(p)! Doch zu spät: in einem lemminghaften Reflex haben sich alle Fans der Kungens Männer auf das neue Opus gestürzt. Und es auf Bandcamp bereits komplett ausverkauft, jedenfalls was die analoge Hardware angeht. Im Shop ihres deutschen Labels Adansonia scheint tagesaktuell die Variante “yellow (A/B), orange (C/D)” noch in wenigen Exemplaren verfügbar zu sein. Die uns zur Rezension vorliegende blutorange Pracht (“orange split vinyl”) ist auch dort längst ausverkauft.
Worum geht es hier also? Hype? Panikkäufe der Verzweifelten, die in den Geschäften kein Toilettenpapier mehr vorfanden? Keineswegs: die schon seit 2012 existierende schwedische Formation hat sich seither einen exzellenten Ruf in einem aufregenden Misch-Genre zwischen den Polen Pychedelic Space Kraut Jazz Rock erspielt. Sie werden für ihre Virtuosität gepriesen, die auf großartigen Alben nacherlebbar ist. Doch vor allem gelten sie als Meister der Improvisation. Und bezüglich ihrer Live-Auftritte berichten Zeitzeugen von Szenen, die an Stephen King’s Improvisations-Clown “Pennywise” aus IT erinnern: “Wir schweben hier alle”.
Selbst bezeichnet das Sextett “Trappmusik” als ihr “chill out album. It has peaks, but the overall vibe is calm, introspective and vibing off the phantastic recording room that has hosted so many giants”. Gemeint ist übrigens das Silence studio, Koppom. Und Giganten wie Bo Hansson, doch zu dem legendären “Lord of the Rings”-Vertoner gleich noch mehr.
Zunächst zum Aufmacher ‘Fånge i universum’, der sich in der Tat aus einem tastenden Schlagzeugrhythmus und einer antwortenden E-Gitarre ganz wie ein Jam entwickelt. Mit Gustavs Einsteigen zu voller Pracht entwickelt, denn sein Saxophon hat selten sehnsüchtiger, teils auch unheilvoller gerufen als hier.
‘Senvägen’ wird vom Bass losgetreten und lebt von dem hier ultramelodisch und in Passport’scher Klarheit gespielten Saxophon. So etwas wie die “Radio-Single” eines Albums, das nie auch nur in die Nähe von Playlists großer Sender kommen dürfte.
Doch es gibt ja auch die kleineren Formate, die DJs, die sich gut mit wirkmächtigen Kräutern für eine lange Sendenacht gestärkt haben. Und die legen dann vielleicht das elektrisierende ‘Tricksen för transen’ auf (wenn man doch nur Schwedisch könnte! Es steht jedenfalls bei Spotify kein “explicit” hinter dem Track 😉 ).
Der persönliche Favorit des Rezensenten aber ist – mit weitem Abstand – ‘Främmande i tillvaron’. Der Sound der Orgel zwischen kathedral und retro löst unmittelbare Assoziationen aus. Und zwar an … Nein, doch nicht Iron Butterfly, sondern an Bo Hansson! Und das kommt nicht von ungefähr: “‘Främmande i tillvaron’ is a nod and celebration of one of the masters of Swedish music, Bo Hansson, who was the spark that made Silence happen in the seventies together with Anders Lind who actually rigged the equipment for our session.”
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Noch schöner als diese sich ruhig aufbauenden und dann wieder abflauenden 13 Minuten wird es nicht mehr. Und doch geschieht noch Einiges. ‘Vibbdirektivet’ wird von den Gitarristen der Band dominiert und erinnert manchmal an jene anderen Giganten – Ralph Towner und John Abercrombie.
Nach dem Zwischenspiel ‘Lastkajen’ macht schließlich das Titelstück, ein 18-minütiger Disput zwischen Saxophon und den anderen Instrumenten, den Sack zu. Für Freunde solcher abenteuerlich-unvorhersagbarer Musiken ist es ein Sack voller Gold.
Bewertung: 13/15 Punkten (KR 13, KS 12)
PS: Noch ein paar Worte zur wie immer bei diesem Label (hier der Labelboss Andreas Bäcker im Kurzinterview) herausragenden Ausstattung – das Albumcover und die Einleger werden durch das konsequent durchgezogene Artwork und die handgeschriebene “Typographie” zum reinsten Augenschmaus, gefütterte tiefschwarze Hüllen sorgen dafür, dass man an dem obstig-bunten Vinyl lange Freude hat.
Line-up:
Peter Erikson – Synthesizer, Drum Machine
Hans Hjelm – Guitar
Mikael Tuominen – Guitar, Bass VI, Organ, Percussion, Voice
Mattias Indy Pettersson – Drums, Percussion
Gustav Nygren – Guitar, Saxophone, Guitar XII, Percussion
Magnus Öhrn – Bass, Grafik
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Abbildungen: Kungens Män, Adansonia Records, Autor