(114:21, 2LP, 2CD, Deluxe-Set, BMG, 2020)
Bewegt man sich in Irland immer an der Westküste entlang, erreicht man irgendwann das County Donegal, die nördlichste Grafschaft Irlands. Bewegt man sich weiter entlang der bekannten Donegal Bay hin zum Glenveagh National Park, wird man irgendwann den kleinen Ort Meenaleck durchqueren. Hier sollte man unbedingt der Gaststätte “Leos Tavern” einen Besuch abstatten, denn hier wurde quasi ein Stück Musikgeschichte geschrieben. Leo Brennan eröffnete diese Gaststätte im Jahr 1968 und genau hier gründeten einige Jahre später (1970) seine Kinder Ciarán, Pól und Moya zusammen mit ihren Onkeln Noel und Pádraig Duggan eine der bekanntesten und einflussreichsten Bands Irlands. Zuerst unter dem Namen Clann as Dobhar, was soviel bedeutet wie Clan aus Donegal. Später vereinfachte man den Namen zu Clannad.
Noch ein paar Jahre später, Mitte der 80er, sitzt ein unschuldiger Junge völlig fasziniert vor dem Fernsehgerät und schaut im Vorabendprogramm eine Serie über Robin Hood (Robin of Sherwood im Original). In dieser sehr mystischen und atmosphärisch dichten Umsetzung des Robin Hood-Stoffs taucht ein Waldgott mit Namen Herne auf. Ein Mann mit einem Hirschkopf. Für einen frischen Jugendlichen schon immens beeindruckend, aber die meiste Wirkung erzielte eigentlich die Musik, die ertönte, sobald der Waldgott erschien. Ein seltsames Kribbeln von Kopf bis Fuß machte sich breit, eine Sogwirkung und ein unbändiges Verlangen, diese Musik zu besitzen, folgten. Irgendwann fand dieser Junge im hiesigen Elektronikfachmarkt, damals noch mit einer gut sortierten Musik-Abteilung, tatsächlich eine Platte mit dem Konterfei des titelgebenden Helden Robin Hood aus eben dieser Serie. Diese Platte (“Legend”) und die Band brannten sich für immer ins Gedächtnis des Jungen und irgendwann offenbarte sich auch der Zusammenhang zu Leos Tavern, gefolgt von einigen Reisen nach Irland.
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Nun, nach 50 Jahren Bandgeschichte und 16 Studioalben, bereiten Clannad sich behutsam auf den Ruhestand vor. Natürlich nicht, ohne sich von den Fans zu verabschieden. Zum einen wurde eine größere Farewell-Tour angekündigt, die auch in unseren Breitengraden Halt machen wird und zu der ein Besuch dringend empfohlen wird, sollte man irgendetwas mit der Band anfangen können. Die recht seltenen Live-Auftritte sind ein absoluter Ohrenschmaus. Zum anderen wurde mit “In A Lifetime Anthology” eine umfangreiche Best-Of-Kollektion veröffentlicht, um die es hier auch letztendlich gehen soll.
Erhältlich sind verschiedene Formate: Ein großes Deluxe Set mit 5 CDs, 3 LPs und einer 7″ Single, ein LP-Set mit 2 LPs und ein CD-Set im Mediabook-Format mit 2 CDs. Die Songlisten können bei den verschiedenen Sets übrigens abweichen. So ist die Tracklist der dem Betreuer vorliegenden 2 CD-Edition anders als die des großen Deluxe-Sets.
Auf den zwei Silberlingen sind Songs von jedem der 16 Studioalben vertreten. Die Reihenfolge der Titel ist chronologisch angeordnet und beginnt mit ‘Thios Chois Na Trá Domh’ vom selbst betitelten Debüt-Album aus dem Jahr 1973. Zu dieser Zeit spielte die Band lupenreinen Irish Folk, überwiegend in irischer Sprache vorgetragen und stilecht instrumentiert mit Flöte, Gitarre, Mandoline und Harfe.
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‘Eleanor Plunkett’ vom Album “Clannad 2” ist immer noch oft bei Auftritten der Band zu hören. Ebenso der Titelsong des dritten Longplayers “Dúlamán” und das Stück ‘Two Sisters’, mit dem man damals schon deutlicher Eindruck hinterließ. “Dúlamán” wurde erstmals unter der Führung von Nicky Ryan produziert, der einige Zeit später zu einem renommierten und sehr erfolgreichen Produzenten avancieren sollte. Spätestens auf “Crann Ull” kreuzte sich nämlich sein Weg mit dem von Enya Patricia Brennan, der jüngeren Schwester von Moya, die später als Enya Welterfolge erzielen würde. Auf dem mit einem auffälligen Grün gestalteten “Crann Ull” und dem traditionellen Folk-Song ‘Ar a Ghabháil ‘n a ‘Chuain Damh’ soll unbestätigter Weise Enya übrigens das E-Piano beigesteuert haben.
Nach dem sechsten Album “Fuam” war die Reise mit Clannad für Enya (und Nicky Ryan) dann auch schon wieder zu Ende und sie widmete sich ihrer beeindruckenden Solo-Karriere. Der großartige Song ‘Mhorag’s Na Horo Gheallaidh’ weist ein wenig in die Richtung, in die sich die Band auf den nächsten folgenden Alben hin bewegen würde. Die Art und Weise der mehrstimmigen Gesänge, die gewisse Dramatik und die magische Atmosphäre kommen so langsam zum Vorschein.
“Magical Ring” war also die logische Konsequenz. Bei ‘Theme From Harry’s Game’, der wohl erfolgreichsten Single der Band, und ‘Newgrange’ findet man eben diese Gesangsharmonien und diese Atmosphäre wieder. Zusätzlich arbeitet die Band ab “Magical Ring” deutlich mehr mit Keyboards und Synthesizern und verstärkt damit noch mal ihre mystische Wirkung.
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Die Musik von Clannad war zu diesem Zeitpunkt prädestiniert für einen Soundtrack zu einer Serie, in der es um mystische Legenden geht. Über “Legend” hat sich der schreibende Betreuer weiter oben bereits ausgelassen. Bleibt nur noch zu erwähnen, dass der Titeltrack ‘Robin (The Hooded Man)’ von der Band auch gern live gespielt und dabei – nicht nur bei schreibenden Betreuern – immer wieder für Tränen der Begeisterung sorgt.
Für ihre Arbeiten zu den Soundtracks ernteten Clannad sehr viel positive Kritik und Aufmerksamkeit. Möglicherweise waren die frühen 80er-Jahre sogar die erfolgreichste Zeit ihrer Karriere. Es folgte ja schließlich noch “Macalla” mit dem bekannten Duett von Moya und Bono, welches dieser Kompilation letztendlich auch den Namen gegeben hat. ‘In a Lifetime’ war ebenfalls ein großer Hit, ebenso wie das dazugehörige Video, welches übrigens in Gweedore im County Donegal gedreht wurde. Auch das wunderschöne ‘Almost Seems (Too Late to Turn)’ war überaus erfolgreich und wurde für die Charity-Kampagne “Children in Need” verwendet.
Etwas überrascht war man 2 Jahre später vom Album “Sirius”, welches doch ein wenig zu tief im 80er-Sound steckte. Allerdings hat auch dieses Album einige Highlights zu bieten, zum Beispiel das perkussive ‘White Fool’ mit Unterstützung von Steve Perry, seines Zeichens Sänger von Journey. ‘Something to Belive In’ ist eine typische 80er-DX7-Piano-Ballade, bei der Bruce Hornsby eigentlich recht angenehm mit Moya im Duett singt. “Sirius” stellte insgesamt dann aber doch schon eine Herausforderung für eingefleischte Clannad-Fans dar.
Möglicherweise hat die Band selbst gemerkt, dass ihr das Achtziger-Kleid womöglich nicht ganz so gut steht und kehrte mit “Atlantic Realm” und “The Angel and the Soldier Boy” wieder zurück zu den Soundtracks. Im ersten Fall zu einer Dokumentation über den Atlantischen Ozean und im zweiten Fall zu einem Animationsfilm.
“Anam”, was übersetzt soviel wie Seele bedeutet, lieferte dann schließlich Anfang der 90er wieder das, was die Band auszeichnet. Mehrstimmige, fast beschwörende Gesangsharmonien, ein wenig Keyboardflächen und leichte Percussions, wie auf ‘Rí Na Cruinne’ und wunderschönen, traditionellen Irish Folk, wie auf ‘The Poison Glen’.
Mit ‘I Will Find You’ vom Album “Banba” lieferten Clannad erneut einen Beitrag zu einem Soundtrack (Der letzte Mohikaner, 1992), der viel Aufmerksamkeit erhielt. Das insgesamt sehr ruhige und sphärische Album erhielt sogar eine Grammy-Nominierung, allerdings in der Kategorie “Best New Age Album”. Nun gut, Jethro Tull waren auch mal als Metal-Band nominiert. ‘Na Laethe Bhí’ steht für den Gesamteindruck des Albums. Die Band konzentriert sich auf ihre etablierten Stärken. Ebenso auf dem drei Jahre später erscheinenden “Lore”. ‘Croí Cróga’ kennzeichnet den mystischen Bereich und mit der wunderschönen Ballade ‘A Bridge (That Carries Us Over)’ traut man sich auch wieder, etwas eingängiger zu werden.
Das wieder recht folkig daherkommende Album “Landmarks” gewann dann 1999 tatsächlich doch noch einen Grammy für das beste New Age-Album. Schon etwas seltsam, wenn man bedenkt, dass gerade hier wieder mehr zum Folk tendiert wird, wie der Song ‘A Mhuirnin O’ durchblicken lässt. Beim Song ‘The Bridge of Tears’ fällt leicht im Hintergrund eine Uillean Pipe auf und letztendlich bemerkt man, dass dieses, eigentlich für Irish Folk sehr typische Instrument, von Clannad nie wirklich großartig eingesetzt wurde.
Nach einer großartigen und sehr erfolgreichen Tour im Jahr 2012 und daraus folgenden, ebenfalls herausragend guten Live-Dokumenten, wie das Live-Album aus der Christ Church Cathedral (einige der in diesem Beitrag verlinkten Videos stammen von diesem Live-Konzert), folgte tatsächlich nach langen 16 Jahren noch ein letztes Studioalbum. “Nádúr”, auf dem alle fünf Gründungsmitglieder wieder beisammen sind, bietet einen hervorragenden, stimmigen Mix aus allen etablierten Trademarks von Clannad. Zauberhaft Mystisches mit ‘Vellum’ und Poprockiges mit ‘Brave Enough’.
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Für Fans, die eh schon alles von der Band im Regal stehen haben und bislang jeden Song auf dieser Kompilation kennen, könnten bzw. werden die zwei neuen Songs interessant sein, denn sie sorgen für einen kleinen sentimentalen Kloß im Hals. Das wunderbare, folkige ‘A Celtic Dream’ und das mystische, atmosphärische ‘Who Knows (Where The Time Goes)’ lassen diese wunderbar zusammengestellte Kompilation schließlich ausklingen.
“In A Lifetime Anthology” bietet einen hervorragenden Überblick über die Karriere und die Musik einer einflussreichen und gleichzeitig legendären Band, die nun in den verdienten Ruhestand gehen darf. Danke Clan aus Donegal, man wird euch vermissen! Ganz besonders der kleine Junge aus den Achtzigern.
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