(72:35, CD, LP, Digital, InsideOut Music / Sony Music, 2020)
Dass eine Band als Albumtitel den Namen eines deutschen Stummfilmklassikers von Robert Wiene aus den 20er Jahren wählt, scheint auf den ersten Blick ungewöhnlich. Doch passt hier thematisch Einiges zusammen, denn in dem expressionistischen Meilenstein der Filmgeschichte geht es um den wahnsinnigen Dr. Caligari, der in sechs Akten eine norddeutsche Kleinstadt in Angst und Schrecken versetzt. Tagsüber präsentiert er auf einem Jahrmarkt seinen Patienten Cesare als ein menschliches Kuriosum, der an einer merkwürdigen Krankheit leidet, während er die gleiche Person als Schlafwandler nachts grausame Morde begehen lässt.
Die aus Madrid stammende Instrumentalband Toundra vertonte nun auf ihre Weise die Geschehnisse des in diesem Jahr sein 100. Jubiläum feiernden Films. Das Quartett bietet damit einen alternativen Soundtrack und nennt die Titel seiner Hommage folgerichtig ‘Titelsequenz’, sowie ‘Akt I-VI’. Den gleichen künstlerischen Ansatz kennt man in den letzten Jahren von der italienischen Formation RanestRane, die ebenfalls Filmklassiker mit eigener Musik neu vertonten.
https://www.facebook.com/toundra/videos/838054026614925/
Die Spanier (Alberto Tocados – Bass, Synthesizer, Álex Pérez – Schlagzeug, David Paños – Gitarre, Esteban Girón – Gitarre) präsentierten sich in der Vergangenheit stilistisch vor allem im rifforientierten Post Rock und Prog Metal verwurzelt, wobei man bei der Filmvertonung folgerichtig mehr auf die atmosphärischen, ausschweifenden Klangnoten setzt. Angelehnt an die sechs Akte des Originals bekommt die Musik vor allem jede Menge Raum zum Atmen, wird hier weniger auf solistische Eskapaden, denn auf hypnotische, düstere Sounds gesetzt. Selbst die rhythmische Komponente ist auf ein Mindestmaß zurechtgestutzt, ordnet sich alles dem filmischen Ansatz und der dynamischen Begleitung der Bilder unter.
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Trotzdem ist ohne die filmische Unterstützung auch eine gewisse Langatmigkeit nicht von der Hand zu weisen. Logischerweise passiert inhaltlich weitaus weniger, entfaltet sich die Dramatik nur langsam, dafür aber umso intensiver. Dennoch ist die Musik auch ohne visuelle Untermalung über weite Strecken spannend anzuhören, ist alles im Vergleich zu den Vorgängerwerken von Toundra jedoch ausschweifender, viel weiträumiger gestaltet, da bis auf die kurze ‘Titelsequenz’ alle Titel im Bereich von 10-14 Minuten angesiedelt sind.
Erhältlich ist dieses Werk neben der CD-Ausgabe und als digitaler Download ebenfalls als 180g 2LP Vinyl + CD-Beileger im Gatefold. Begleitend zum Album sind die Spanier zudem in Frühjahr auf Tour .
Bewertung: 10/15 Punkten (KR 12, KS 10)
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InsideOut Music
Abbildungen: Toundra / InsideOut Music