Deutsche Leprous-Fans dürfen sich im Herbst/Winter 2019/2020 glücklich schätzen. Nachdem die Band aus der norwegischen Telemark schon im November für sieben Konzerte in der Bundesrepublik halt machte, kehren sie im Januar für ein weiteres Konzert zurück auf deutschen Boden. Die Vorbands Port Noir und The Ocean müssen dieses Mal allerdings zu Hause bleiben. Das ist allerdings nicht weiter schlimm, denn mit Maraton und Klone haben die Skandinavier für ihren Gig im Dortmunder Junkyard nicht weniger vielversprechende Bands im Schlepptau.
Das Junkyard ist eine relativ neue Live-Location im Norden der Dortmunder Innenstadt. Eröffnet auf der Fläche eines alten Schrottplatzes, versprüht das Außengelände des Veranstaltungsortes mit seinen Graffiti und Feuertonnen eine Atmosphäre, die an jene des Kölner Odoniens erinnert.
Verglichen, mit den Hallen der Herbsttour, handelt es sich beim Junkyard um einen relativ überschaubaren Laden und dementsprechend ist es heute auch viel enger gefüllt als noch im November in der Kölner Kantine (vgl. Konzertbericht vom 05.11.19). Positiv auffallend ist heute vor allem der sehr geringe Altersdurchschnitt des Publikums. Mit gefühlten Ende 20 ist dieser um Weiten niedriger, als noch auf der Herbsttour und bei Prog Metal Konzerten im Allgemeinen.
Anheizer an diesem Abend ist die ebenfalls aus Norwegen stammende Gruppe Maraton, die mit ihrer Mischung aus eingängigen Pop-Melodien und aufgedrehten Prog-Spielereien sehr stark an ihre Landsleute von 22 erinnert. Aufgrund von technischen Schwierigkeiten verzögert sich Maratons Auftritt und damit der komplette Zeitplan des Abends um eine halbe Stunde. Das Publikum nimmt es gelassen, schließlich ist heute Tour-Auftakt.
Als die Herren Fredrik Bergersen (Gesang), Jon Vegard Næss (Gitarre), Magnus Johansen (Keyboards), Vegard Liverød (Bass), and Frank Nordeng Røe (Schlagzeug) ins Rampenlicht treten, können Sie das junge Publikum mit ihren Muse– und a-ha-lastigen Melodien schnell auf ihre Seite ziehen.
Manch ein Zuschauer ist sich allerdings nicht sicher, ob der Sound, den die Band an diesem Abend getroffen hat, absichtlich so gewählt war, oder ob er mit den anfangs beschrieben technischen Problemen im Zusammenhang stand. Wie auch immer, der Auftritt war ein starker Einstand.
Die französische Band Klone dürfte den meisten Lesern von Betreutes Proggen nicht unbekannt sein, da wir in der Vergangenheit schon mehrfach über die Gruppe aus Poitiers berichtet haben. Bereits im Jahre 1995 gegründet, ist von der ursprünglichen Formation heute nur noch Gitarrist Guillaume Bernard übriggeblieben. Ursprünglich im Progressive Death Metal beheimatet, haben Klone über die Jahre hinweg ihre eigene kleine Nische im Grenzgebiet zwischen Artrock, Alternative, Progressive Metal und Post Rock gefunden.
Am heutigen Abend kann das Sextett, welches durch Yann Ligner (Gesang), Matthieu Metzger (Keyboards & Samples), Aldrick Guadagnino (Gitarre), Jean-Étienne Maillard (Bass) und Martin Weill (Schlagzeug) vervollständigt wird, auf voller Breite überzeugen. Bereits beim Opener ‘Yonder’ wird deutlich, dass Yann Ligners Stimme im Mittelpunkt des Geschehens steht. In bester Post Rock Manier trifft sein Organ dabei immer wieder auf Mid-Tempo Gitarrenwände, denen man teilweise deutlich die musikalische Vergangenheit der Band anhören kann.
Der Schwerpunkt des Sets liegt heute Abend auf den beiden jüngsten Platten, “Here Comes The Sun” (2015) und “Le Grand Voyage” (2019) und diese schlagen beim Publikum überwältigend ein. Die Stimmung in der Halle ist ausgelassen, während die komplette Saitenfraktion wie wild über die Bühne fegt. Es ist moderner atmosphärischer Prog Rock in fast perfekter Darbietung. Wüsste man nicht, dass jetzt noch eine Band folgt, man könnte denken, man hätte den Headliner gesehen.
Als nach einer kurzen Umbaupause dann Leprous die Bühne betreten, ist der ihnen entgegenschallende Jubel im Publikum groß. Schnell wird klar, dass viele der anwesenden Fans wegen und nicht trotz des umstrittenen letztjährigen Albums “Pitfalls” gekommen sind. Vor allem neue Lieder, wie die eröffnenden ‘Below’ und ‘I Loose Hope’ werden von nicht wenigen Fans mitgesungen, viele davon weiblich.
Es ist ein solider Gig der sechs Musiker aus dem hohen Norden, der allerdings wenig Platz für Überraschungen lässt. Wie schon in Köln stellen auch heute die elektronisch-avantgardistischen Songs von “Pitfalls” das Grundgerüst der Setlist. ‘The Valley’, ‘At The Botton’ und ‘Bonneville’ fliegen raus und werden von ‘Foe’ vom 2013er “Coal” sowie dem genialen ‘The Flood’ vom 2015er “The Congregation” ersetzt. Zusätzlich schafft es mit ‘MB. Indifferentia’ ein Song vom in letzter Zeit viel zu vernachlässigten “Bilateral” ins Programm. Die Setlist ist in sich stimmig und kohärent und absolut auf Atmosphäre ausgelegt. Auffallend bleibt, dass der eher zurückhaltende Frontmann Einar Solberg nach all den Jahren im Rampenlicht noch immer nicht so richtig weiß, wie er mit seinem Publikum zu kommunizieren hat. Viel sicherer fühlt er sich da, wenn er seine Stimmbänder vibrieren lässt, was mir mir ein um das anderes Mal kleine Schauer über den Rücken laufen lässt.
Nicht nur er, sondern auch seine Mitmusiker Tor Oddmund Suhrke (Gitarre), Robin Ognedal (Gitarre) Simen Børven (Bass), Baard Kolstad (Schlagzeug) und Raphael Weinroth-Brownes (Cello), tragen dazu bei, dass den Zuhörern heute Value for Money geboten wird.
Der Applaus nach dem Hauptset gibt den Musikern das gebührende Feedback. Diese danken es den Fans mit einem überwältigendem ‘The Sky Is Red’ als Zugabe.
Auch wenn das Dargebotene ein wenig an den Geschmäckern des ein oder anderen Alt-Fans vorbeigeht, so hört man nach dem Konzert lediglich negative Stimmen über die neu eingeschlagene musikalische Ausrichtung der Band. An der Show selbst und der handwerklichen Leistung der Musiker gibt es an diesem Abend nichts zu meckern.
Text und Live-Fotos: Floh Fish
Setlist:
Maraton
Klone
Leprous
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Surftipps zu Klone:
Rezension: “Le Grand Voyage”
Rezension: “Unplugged”
Rezension: “Black Days – The Dreamer’s Hideaway – The Eye Of Needle (Reissues)”
Konzertbericht: 05.10.15, München, Backstage
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Surftipps zu Leprous:
Rezension: “Pitfalls”
Rezension: “Malina”
Rezension: “Live At Rockefeller Music Hall”
Rezension: “The Congregation”
Konzertbericht: 05.11.19, Köln, Die Kantine
Konzertbericht: 04.06.16, Oslo (NO), Rockefeller Music Hall
Konzertbericht: 06.04.16, Essen, Turock
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